Interview mit Eek A Mouse Nürnberg, Hirsch, 22. November 1997



 

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Interview mit Eek A Mouse

Nürnberg, Hirsch, 22. November
1997

Von meiner Gastautorin Uschi Tamba alias U2.

Mitten
zur dunkelsten und fiesesten Jahreszeit fand sich Eek A Mouse in Deutschland
zur Tour ein. Welch eine Bereicherung der grauen November-Tage. Im Nürnberger
Hirsch gastierte er und gab uns gerne ein Interview. Erschrocken über
seine Größe, so ca. 2,05 m, gab ich ihm ein GROW-Magazin in
die Hand und fühlte mich größenmäßig wie ein
fünfjähriges Mädchen. Im Sitzen kam es dann zum Augenkontakt
in gleicher Höhe und die GROW-Vorstellung fiel leichter. Mit Schwung
blätterte er während des ganzen Interviews in den Seiten und
murmelte zwischendurch immer wieder “good work”. Wieder einmal erwies sich
ein von mir sorgfältig geplantes Interview als lockeres Gespräch
und Eek A Mouse war eh in Redestimmung, so daß aus einer geplanten
halben Stunde anderthalb wurden.

RootZ: Eek a Mouse, Du bist Jamaikaner. Lebst
Du auch auf Jamaika?

Eek a Mouse: Ja, und zwar in Trenchtown.

RootZ: Wie alt bist Du?

Eek a Mouse: Wer will das denn schon wissen?

RootZ: Wir, doch ich respektiere Deine Antwort.
Du weißt, wir Frauen sind immer neugierig, darum die Frage: Bist
Du verheiratet?

Eek a Mouse: Nein, ich bin nicht verheiratet.
Weißt Du, “no woman no cry”.

RootZ: Hast Du Kinder?

Eek a Mouse: Ja, ich habe ein Kind. Es ist
3 Jahre alt.

RootZ: Vielen Dank für Deine kurze Vorstellung.
Kommen wir nun zu einer Geschichte, die ich über Dich gelesen habe.
Du hast bei Pferderennen gewettet und hast immer wieder auf den Verlierer
“Eak a Mouse” gesetzt. Eines Tages warst Du es leid, und tatsächlich
hat dieses Pferd dann gewonnen.

Eek
a Mouse: Ja, die Geschichte stimmt. Ich habe viel Geld verloren, um konkret
zu werden, es waren immer zwei Dollar und als ich an das Pferd nicht mehr
geglaubt habe, gewann dieser Gaul. Freunde haben sehr über mich gelacht.
Doch aufgrund dieser Story habe ich meinen Spitznamen erhalten.

RootZ: Die Geschichte gefällt mir außerordentlich
gut, doch nun kläre mich Unwissende auf, was heißt eigentlich
Eek a Mouse?

Eek a Mouse (lachend): Das weißt Du nicht?
Ich denke, Du bist schon ein paar Mal auf Jamaika gewesen. Hast Du niemals
Mädels kreischen hören: “Eek a Mouse”? Hast Du noch nie gehört,
wenn Menschen in Panik verfallen und erschrocken sagen: “Ih, eine Maus”?

U2 (laut lachend): Jetzt begreife ich und ich
finde den Namen absolut originell. Laß uns nun zu Deiner Musik kommen.
In den 70ern hast Du angefangen.

Eek a Mouse: Ich habe schon früher angefangen,
genau genommen schon mit 5 Jahren. Bevor ich meine eigene Karriere gestartet
habe, war ich Mitglied bei verschiedenen Bands und habe dort gesungen,
wie zum Beispiel bei den Radical Radics.

RootZ: Du hast angefangen mit Lovers-Musik
und hast Dich nach und nach auch politischer und gesellschaftlicher Themen
angenommen.

Eek a Mouse: Lovers-Musik ist für mich
auch automatisch politisch oder gesellschaftlich. Im Jahr 1974 habe ich
mein erstes Album aufgenommen, und da hat eigentlich der typische Eek a
Mouse-Stil erst angefangen. Vorher habe ich einen anderen Stil gehabt.

RootZ: 1981, sagt man, warst Du der Star des
jamaikanischen Sunsplash-Festivals. Wie hast Du Dich damals gefühlt?

Eek a Mouse: Ich war nicht der King. In diesem
Jahr hatte ich nur den Nummer 1 Song auf der Insel, und dementsprechend
machte man mich auch zum Helden des Sunsplash. Das Jahr vorher hat man
mich ohne Gage spielen lassen, und das war mein Durchbruch. 1981 konnte
ich mit meinem Supersong endlich Geld verlangen.

RootZ: Leider sind wir Deutschen sehr weit
entfernt von der Hauptstadt des Reggae. Ich meine natürlich Jamaika.
Bitte erzähle uns, was so auf Jamaika in der Musikszene abgeht.

Eek a Mouse: Ich beobachte ständig die
Szene und ich kann nur sagen, ich kann es nicht leiden. Da ist irgendwas
im Untergrund am Brodeln. Die jamaikanischen Promoter setzen mehr auf kommerziellen
Reggae und folgen damit den Geldmachern aus England. Bands wie UB 40 oder
Aswad verdienen ein Schweinegeld mit Organisationen, von denen sie hochgepuscht
werden. Ich finde es sehr traurig, daß auch auf Jamaika dieser Geldgeruch
einzieht, und dabei verlieren die wirklich großartigen Musiker wie
Burning Spear, Freddie McGregor, Abessinians und wie sie nicht alle heißen
an Boden. Dieser Reggae, der doch unsere Tradition und unser Glaube ist,
wird achtlos beim “Geldmachen” an die Seite gedrückt. Leider ist es
so, und ich bedauere diese Respektlosigkeit sehr und ich gestehe, es macht
mich auch sehr wütend.

RootZ: Das ist wirklich schade. Niemals werde
ich es leid zu fragen, ob ihr Jungs, die ihr schon so lange im Geschäft
seid, immer noch Lampenfieber habt?

Eek a Mouse: Ich hatte und habe niemals Lampenfieber.
“What the fuck does it mean stagefright?” Ich gehe auf die Bühne und
singe. Ich mache meinen Job.

U2 (laut lachend, weil Eek a Mouse sich fürchterlich
über das Thema “Lampenfieber” aufregt): Laß uns nun zu Deinen
Meinungen kommen. Wie siehst Du das Reggaegeschäft in der heutigen
Zeit?

Eek a Mouse: Leider ist das Reggaegeschäft
nicht mehr dort, wo es hingehört, und zwar nach Jamaika. Es ist unser
Exportgut, wir sind die Wurzel der Reggaemusik. Fremde haben sich über
uns hergemacht und versuchen uns nun überall auf der Welt zu imitieren.
Wie in der Kolonialzeit raubt man uns heute unsere Musik. Laß uns
heute einen Song singen, morgen wird er von ausländischen Bands in
die Charts gesungen. Das ist die Wahrheit, und damit bin ich überhaupt
nicht einverstanden. Dazu stehe ich auch öffentlich, und viele mögen
mich deshalb nicht.

RootZ: Wie wichtig ist für Dich Geld?

Eek a Mouse: Ich liebe das Geld nicht, aber
ich mag es schon. Es ist sekundär, macht aber insgesamt ein freieres
Leben möglich. Ich singe nicht wegen des Geldes, ich singe für
Happiness. Die meisten jamaikanischen Sänger hungern teilweise, nur
damit sie auf die Bühne gehen und ihrer Berufung folgen können.
Weißt Du, ich habe all mein Wissen und meine Weisheit bisher von
armen Menschen erlernt.

RootZ: Was sind Deine Wünsche für
die Zukunft?

Eek a Mouse: Freiheit und Frieden. Ansonsten
möchte ich singen und einfach leben. Ich habe sonst keine besonderen
Wünsche.

RootZ: Wie siehst Du Deutschland? Wie ist Dein
Eindruck und wie siehst Du die Deutschen?

Eek a Mouse: Ich war schon ‘mal 1988 in Deutschland.
Weißt Du, wo immer ich hingehe, ich mache keinen Unterschied zwischen
Menschen. Ich kann Menschen nicht hassen. Gott hat diese Welt geschaffen.
Leider finde ich, gibt es zu viele Weiße auf dieser Erde. Er hätte
besser eine Art Regenbogen, also eine gleiche Anzahl von Schattierungen
der Farben wählen sollen. 

RootZ: Wie siehst Du das Schwarz-Weiß-Problem?

Eek a Mouse: Solange sich Schwarz und Schwarz
bekämpfen und Weiß und Weiß sich nicht gut sind, wird
es immer so bleiben. Ich bin verliebt in eine weiße Frau. Wer damit
nicht zurecht kommt, soll die Augen schließen “and leave me alone”.

RootZ: Was meinst Du würde passieren,
wenn Ganja legalisiert würde?

Eek a Mouse: Weniger Streß, weniger harte
Drogen. Es handelt sich um ein natürliches Produkt und ist somit harmlos.

RootZ: Was sind Deine Hobbies?

Eek a Mouse: Fußball, ich habe Fußball
in der Schule gespielt. Und ich habe geboxt. 1972 war ich Fliegengewichts-Meister.
Ich war ein begeisterter Boxer.

RootZ: (lachend, da ich mir bei 2,05 m kaum
ein Fliegengewicht vorstellen konnte) Eek a Mouse, eine letzte Frage, die
nicht unbedingt gestellt werden müßte, dennoch nicht unbeantwortet
sein sollte. Glaubst Du an Gott?

Eek a Mouse: Ja, das tue ich, wer hat uns denn
sonst erschaffen?

Mit diesen Worten war das Interview, oder soll
ich es doch besser als ausführlichen Dialog bezeichnen, noch längst
nicht zu Ende. Eek a Mouse hätte wohl kaum mehr aufgehört zu
reden, wenn es mich nicht fürchterlich gedürstet hätte,
und es somit zu einem Ende kam. Eine Sache hat mir wirklich imponiert.
Eek a Mouse gab ein für mich phänomenales Statement ab: “Women
should rule the world.” Maximum Respect für diese Aussage. Mit Worten
des Dankes verabschiedete ich mich und in Eurem Namen und wünschte
ihm noch ein wunderschönes Konzert. Thank you “Ih, eine Maus!”

Nachtrag: Als das Interview vor einem knappen
Jahr durchgeführt wurde, lebte die Maus tatsächlich noch auf
Jamaika, heute würde die Mausefalle zuschnappen, denn Eek A Mouse
hat sich bei der Polizei ein paar Feinde gemacht. Er war nämlich dabei,
als ein uniformiertes Überfallkommando kaltblütig mehrere Bedrens
erschossen hat und jetzt fürchten die Squabbies den langen Mäuserich.
Eradication squad – ’nuff ’nuff now, time fi cool dung. 


Copyright Text: U2 / Dr. Igüz /
Layout: Dr. Igüz 1998

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