Interview mit Freddie McGregor Nürnberg, 10. Februar 1997



 

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Interview mit Freddie
McGregor

Nürnberg, 10. Februar 1997

Es sollte
tatsächlich ein Rosenmontag sein, an dem ein Interview mit Freddie
zustande kam. Bei meinem Erscheinen wurde aber erstmal nix daraus, da Freddie
viel zu überrascht war, mich zu sehen. Somit wurde anstelle eines
geplanten Interviews meinerseits, ich erst einmal ausgefragt. U2, was machst
Du jetzt? Mein angesetzter Interview-Termin wurde auf “after the show”
vertagt, da ein total verspannter Mr. McGregor nach zwischenzeitlich zweiwöchiger
Tour auch noch eine Massage ohne Wenn und Aber verlangte. “Later” war dann
nachts zwei Uhr, dafür aber ausgiebig und mehr ein gutes Gespräch
als ein Interview.

RootZ: Du bist Jamaikaner, lebst Du auch auf Jamaika?

Freddie McGregor: Ja, in Kingston.

RootZ: Wie alt bist Du?

Freddie McGregor: So alt wie ich mich eben fühle, ich bin am
27. Juni 1956 geboren.

RootZ: Nun für viele weibliche Fans eine wichtige Frage: Bist
Du verheiratet?

Ja, bin ich, aber ich möchte nicht so viel über meine Familie
erzählen. Ich versuche meine Privatsphäre zu schützen.

RootZ: Keine Sorge Freddie, ich habe kein Interesse “Familienklatsch”
zu erfragen und darum nun eine letzte kurze Frage in dieser privaten Hinsicht:
Hast Du Kinder?

Freddie McGregor: Ja, three boys, three girls.

RootZ: Jetzt wissen wir ein wenig über Dich, und ich würde
gerne auf Deine Musik zu sprechen kommen. Deine letzte CD “Forever my Love”
ist eine wirklich gute CD, und Freunde versuchen sie immer bei mir auszuleihen.
Doch ich verleihe keine gute Musik und damit auch ganz bestimmt nicht “Forever
my Love”. Ist das die letzte CD, die Du gemacht hast, oder ist schon wieder
eine auf dem Markt, von der wir hier in Deutschland noch nichts wissen?
Du weißt schon, wir sind immer die letzten, die was mitkriegen.

Freddie (lachend): Nachdem in den letzten Jahren “Jamaican Classics”
Vol. 1 und 2 herausgekommen sind, ist nun Jamaican Classics Vol. 3 sehr
erfolgreich erschienen.

RootZ: Echt klasse, wir (zumindest ich) wissen mal wieder von nichts.
Nächste Frage: Du unterstützt so viele Musiker auf Jamaika. Alle
wurden erfolgreich. Kannst Du uns das Geheimnis Deines Erfolges erzählen?

Freddie McGregor: Ich denke, wir sind Kinder der Studio-One-Zeiten.
Es war eine Art Universität, die uns alles beigebracht hat, was heute
unser Standard ist. Irgendwie hab ich es wohl auch einfach nur im Gefühl.
Vergiß nicht, ich mache Musik seit ich sieben Jahre alt bin.

RootZ: Freddie, es ist lange Zeit her, daß ich Dich in Deutschland
gesehen habe. Es war 1994 zur Sunsplash-Tour mit Aswad, Michael Rose, Gregory
Isaacs, Half Pint und auch den Wailers. Was ist alles geschehen in dieser
langen Zeit? Wie ist es Dir ergangen?

Freddie McGregor: Ja U2, es ist drei Jahre her, als ich Dich das
letzte Mal gesehen habe. In der Zwischenzeit habe ich in meinem Studio
“Big Ship Records” hart gearbeitet. Wir haben viele Produktionen gemacht.
Zwischendurch waren wir immer wieder längere Zeit auf Tour wie beispielsweise
in Japan oder auf den karibischen Inseln oder auch Amerika.

RootZ: Ich hab ein Geschenk für Dich und zwar ein paar Bilder,
die ich damals gemacht habe. Ich hoffe, Du hast Spaß daran.

Freddie McGregor: Wow, wow, wicked! Wo war denn das? Ich kann mich
nicht erinnern, wo ich mit Gregory Isaacs, Half Pint und den anderen Fußball
gespielt habe.

RootZ: Das war in Tübingen, und die Stagefotos sind von Dortmund.
Erzähl mir, was Half Pint gerade macht? Ich bin ein großer Fan
von “Mr. Substitute-Lover” und würde auch ihn gerne mal wieder in
Deutschland begrüßen.

Freddie McGregor: Ich habe ihn vor vier Wochen in Nizza getroffen.
Es geht ihm gut. Er ist im Moment auch viel im Studio und produziert. Wie
gern würde ich auch mal ein Aufnahme mit ihm machen. Sehr wahrscheinlich
wird sein neues Album noch 1997 veröffentlicht. Auf jeden Fall werde
ich ihm Deine Grüße bestellen.

RootZ: Vielen Dank, Freddie, erzähl mal, was so los ist auf
Jamaika. Wie sieht das Reggae-Geschäft aus? Denkst Du, daß es
einen großen Unterschied zwischen Reggae auf Jamaika und Reggae in
Deutschland gibt?

Freddie McGregor: Es passiert immer was auf Jamaika. Vergiß
nicht, wir sind das Reggae-Zentrum auf dieser Welt. Viele Konzerte finden
statt. Wir versuchen einfach, es noch mehr zu forcieren. Ja, der Unterschied
ist groß zum deutschen Reggae. Wir sind die Hersteller der Musik,
genauso wie Deutschland der Hersteller von Mercedes-Benz ist. Wir exportieren
unsere beste Ware, und der Rest der Welt ist der Nutznießer. Genauso,
wie man einen Mercedes auch auf Jamaika fährt, aber der kommt aus
Deutschland. Allerdings sehe ich in der Reggaemusik nicht das finanzielle
Exportgut, sondern das spirituelle. Somit ist diese Musik auch nicht vergleichbar
mit Soul oder Popmusik, die von Sex, Drugs handelt, und somit keine Messages
hat wie die Reggaemusik. Für mich persönlich habe ich die Entscheidung
getroffen, mich selber als Exportgut anzusehen, da nicht alle Menschen
auf dieser Welt in der Lage sind, Reggaemusik direkt auf Jamaika zu erleben.

RootZ: Viele Deutsche rauchen Ganja. Natürlich ist es hier illegal.
Was denkst Du würde passieren, wenn es legalisiert würde?

Freddie (empört): Ich weiß wirklich nicht, warum es so
lange dauert bis es legalisiert wird. Jeder raucht Ganja – “and ganja is
a way of life”. Es ist überall auf der Welt ein großes Problem,
“but Ganja should be free”. Ganja war bis ca. 1930 legal, aber dann wurde
es zu einem Konkurrenzprodukt von Baumwolle und anderen Exportgütern,
und man beschloß den florierenden Ganjamarkt zu verbieten. Denk daran,
wo überall Ganja legal genutzt wird, z.B. für die Medizin, es
heilt, Kleidung, usw., es wird der Tag kommen, believe me.

RootZ: Das wievielte Mal bist Du jetzt in Deutschland?

Freddie McGregor: Ich weiß es nicht. Ich habe es nicht gezählt,
und ich habe echte Schwierigkeiten mich an alle Plätze von den vielen
Malen, die ich hier war, zu erinnern. Manchmal sagen mir meine Musiker,
daß man schon an diesem und jenem Platz gespielt hat. Für mich
ist immer nur wichtig, daß ich einen guten Aufritt hatte und den
Leuten Freude gemacht habe. Wenn diese glücklich sind, sind auch wir
glücklich. Ohne zu lügen, ich liebe das deutsche Publikum.

RootZ: Vielen Dank für das Kompliment. Du hast die ganze Welt
bereist und kennst so viele Länder. Welches ist Dein bevorzugtes Land
und an welcher Stelle steht Deutschland?

Freddie McGregor: Wow, was für eine Frage, auf jeden Fall in
Europa, und Deutschland ist immer in meinen Gedanken. Die Deutschen haben
den Reggae richtig erfaßt. Die Schweiz steht an zweiter Stelle, aber
Deutschland gefällt mir besser. Italien an dritter Stelle und dann
Frankreich und Holland. England ist für mich nichts Fremdes, denk
an unsere englische Kolonialzeit, und viele Jamaikaner sind in England
zu Hause. Für mich sind die besten Reggaevibes in Deutschland, because
Germany is b u m .

RootZ: Übertreibst Du nicht ein wenig? Wir sehen uns nicht so.
Doch zur nächsten Frage: Hast Du eigentlich immer noch Lampenfieber?

Freddie McGregor: Nein, es ist für mich Vorfreude und ich kann
es manchmal nicht abwarten. Nach meinen Auftritten fühle ich mich
immer sehr glücklich, weil ich wieder einmal alles gegeben habe.

RootZ: Wie wichtig sind Freunde für Dich?

Freddie McGregor: Sehr wichtig, wenn man weiß, wer einem ein
Freund ist.

RootZ: Was sind Deine Hobbys?

Freddie McGregor: Du hast mich Fußball spielen sehen. Außerdem
liebe ich Pferde. Leider kann ich nicht reiten, daher stehe ich auf Pferderennen.
Ich habe selber Pferde, und das ist mein großes Steckenpferd.

RootZ: Damit machst Du mir eine große Freude und noch mehr
überraschst Du mich, da ich seit meinem achten Lebensjahr leidenschaftliche
Reiterin bin. Eine letzte Frage, die sich fast erübrigt, aber ich
möchte sie nicht unausgesprochen lassen, und ein einfaches Ja oder
Nein reicht mir: Glaubst Du an Gott?

Freddie McGregor: Yes.

RootZ: Vielen
Dank Freddie McGregor, dieses Ja sagt mehr als tausend Worte. Deine Mühen
sind uns nicht unverborgen geblieben. Wir schätzen Dich als einen
der ganz großen, menschlich geliebenen Reggae-Stars, und in unser
aller Herzen hast Du einen Stammplatz.

Freddie McGregor: U2, vielen Dank auch Dir. Ich sehe, daß Du
verdammt gute Arbeit leistest. Grüße diejenigen, die es verstehen:
“Forever my love”.

Dieser Message sollten keine Worte mehr folgen.

U2 


Copyright Text / Photos: U2 1997 / Layout:
Dr. Igüz 1998

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