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Interview mit Tolga
Köln, RootZ Base, 12.09.00
 
 
RootZ: Guten Tag, Tolga. Erzähl uns doch mal kurz Deine Geschichte.

Tolga: Okay, ich bin der Tolga, bin in Deutschland geboren, von Nationalität bin ich Türke, und mache jamaikanische Musik. Ich bin zu der Musik durch einen Jamaikaner gekommen, der Jah Meek heißt. Er kommt aus St. Mary, Robins Bay und ich habe ihn hier in Frankfurt kennengelernt. Das war 1994. Er hat damals gesungen, noch viel besser als ich singe, und wir sind direkt aufeinander angesprungen und haben den Vibe gespürt, haben gemerkt, dass wir Gemeinsamkeiten haben in der Musikrichtung. Somit ist er mein Menthor geworden und wir haben uns immer gegenseitig Ideen gegeben und cool miteinander harmoniert.

RootZ: Du warst jetzt länger in Jamaika?

Tolga: Jamaika habe ich natürlich auch durch Jah Meek kennengelernt, der von der ländlichen Seite herstammt. Robins Bay ist irgendwo an der Küste, wunderschönes Stück. Da war D-Flame auch und da kommt Marlon B, der in Frankfurt ist, ebenfalls her. Ich war dort und hab Jamaika erst einmal kennengelernt in Form von keine Elektrizität, kein fliessendes Wasser, die ganz normalen Basics im Leben, die man einfach braucht, um einfach mal sich zu humblen, sich zurückzusetzen, auf den Boden der Tatsachen zu kommen.

RootZ: Du hast da auch einen Teil deines Albums “Now that I am here” produziert?
 
 





Tolga: Das Album wurde zum größten Teil in Kingston produziert. Ich war zwar anfangs auf dem Lande, habe aber später immer mehr Kingston besucht, weil die ganzen Studios dort sind. Da ist Mixing Lab, da ist Celestial Studios, wo wir auch sehr viel aufgenommen haben, und Cell Block. Damals hat Gentleman dort auch “Lion” mit mir zusammen aufgenommen, wo Luciano und Mikey General reinkamen und uns Power gegeben haben. Es ist auch oft so gewesen, dass Tracks erst in Jamaika entstanden sind, die auch auf dem Album sind. Zum Beispiel der Track mit Lexus und der mit Harry Toddler ist aus dem Vibe direkt im Studio entstanden. Während Pioneer den Riddim gelegt hat, sind wir im Studio gewesen, haben die Texte zusammengestellt und haben das einfach eingesungen. Das war sehr geil.

RootZ: Wie war denn die Reaktion der jamaikanischen Artists wie Degree und Lady Saw, wenn sie Deinen Style hörten?

Tolga: Die haben das direkt akzeptiert und fanden das cool. Die haben das gerated. Bei Lady Saw war das so, dass wir die Idee der Hookline gehabt haben. Das war von meiner Seite her viel Gesang. Es war ein Traum von mir, mit Lady Saw eine Combination zu machen. Das Glück hat es so für uns hingestellt, dass Lanny Lady Saw schon kannte und dadurch schon ein Kontakt da war. Wir konnten ihr direkt bei ihr zu Hause den Track zeigen und sie hat sich gleich aufs Bett geknallt und den Text geschrieben. Das war cool.

RootZ: Warst Du dabei, als der “Bitch”-Riddim gevoicet wurde?

Tolga: Ja, bei den meisten Tunes war ich dabei, als die gevoicet wurden.

RootZ: Wie kommt er in Jamaika an?

Tolga: Die Leute fahren total darauf ab, wenn die ihn im Studio hören. Wenn der gerade gevoicet wurde, wurde da viel Propaganda gemacht. Da hat jeder jedem erzählt: “Das ist der neue Riddim” und dann kamen am nächsten Tag andere Jungs an und meinten so “ Heh, hier soll der neue Riddim sein. Kann ich mal checken? Wo ist der ? Kann ich mal hören?”. Egal in welchem Studio wir in Jamaika gearbeitet haben, hat der sehr große Akzeptanz gefunden. Ich habe den jetzt auch kurz mal angetestet in den Discos auf Jamaika und die Selectors fahren einfach drauf ab, finden das sehr originell.

RootZ: Bringt Ihr ihn auch auf  Jamaika raus?

Tolga: Ja, auf jeden Fall. Wir wollen eine Selction in Jamaika rausbringen und die Leute daran teilhaben lassen.

RootZ: Wie waren denn die Produktionsbedingungen auf Jamaika?

Tolga: Wir haben sehr viel Glück gehabt. Bei Celestial Sounds war das so, dass die noch mit A-Dat gearbeitet haben und wir auch alles auf A-Dat hatten, so dass die Arbeit dort sehr easy möglich war. Die haben für uns auch sehr viel Zeit eingeräumt, weil wir schon vorher da gearbeitet haben. Du profitierst einfach schon davon, dass du regelmäßig dort bist und mit den richtigen Leuten arbeitest und die dir dann auch noch Türen öffnen können. Du kannst nicht einfach hinfliegen, da und da hingehen, den und den fragen, dass er dies und dies in die Wege leitet. Da sind schon jahrelang von Pioneer und meiner Seite Connections aufgebaut worden und das ist auch sehr wichtig.

RootZ: Bist Du drüben in den Dancehalls aufgetreten?

Tolga: Auf Talentshows bin ich aufgetreten und mit Gentleman bin ich damals auf Peer One in Montego Bay aufgetreten. Da war das Publikum halt auch sehr überrascht. Die kennen bis heute noch das Video von Gentleman, Richie Stephens und mir, “Heat of the night”. Als ich vor ner Woche erst dort war, hat mir jemand erzählt, dass er das vor einer Woche erst wieder gesehen hat im Fernsehen. Find ich cool, dass das da immer noch läuft. Die Leute fragen auch ständig nach Gentleman: “Wo ist Gentleman? Was macht Gentleman?” und ich sage ihnen: “Him soon come!”.

RootZ: Du versuchst, Dich als Sänger in Deutschland durchzusetzen, wo doch die meisten Leute hier sich eher im DJ-Style versuchen.

Tolga: Ich mache einfach nur das, wovon ich denke, dass ich das am besten machen kann. Jeder soll das machen, was er am besten macht. Ich fühle mich besser als Sänger, und zwar meistens auf einem sehr hohen Pitch, aber du kannst mich auch dabei erwischen, wie ich irgendetwas chatte oder als DJ. Dann bin ich wiederum ein SingJay. Jeder soll einfach das machen, was er drauf hat. Wenn er ein DJ ist, ein Hardcore-DJ so wie D-Flame, die Knochen zerbrechen kann wie er, warum nicht? Soll er gerne machen.

RootZ: Wenn Du mit jemandem wie D-Flame auf der Bühne stehst, diesem stimmgewaltigen Menschen, kommst Du Dir da nicht ein bisschen in die Ecke gesungen vor?

Tolga: Nein, auf keinen Fall. Wir ergänzen uns so perfekt, und zwar gerade weil er dieser starke, dicke Vorschlaghammer ist und ich die Rasierklinge bin, die das Fleisch kurz anschneidet, die ist messerscharf, ganz dünn. Er nimmt den Hammer und haut den Knochen direkt durch. Also sind wir ein perfektes Team.
 
 

RootZ: Du hast mit ihm gerade das Stück “Highssgeliebtes Gras” gemacht. Gib mir mal ein paar Worte dazu.

Tolga: Auf jeden Fall geht es um Gras. Wir wollten schon immer mal ein Lied über Gras machen. Flame und ich sind in Jamaika auf die Idee gekommen, als wir in Kingston fürs Album vom Flame gearbeitet haben. Da haben wir uns hingehockt und direkt “Wo, sag mal, man hat es gefunden? Auf König Salomons Grab” mit diesem deepen Part “auf König Salomons Grab” vom Flame” entwickelt.


 Das ist ganz interessant, wenn wir uns so abwechseln. Meine hohe Stimme ist hier oben und D-Flame mit seiner tiefen Stimme hier unten. Das ist wieder so ein Gegensatz, der gut miteinander harmoniert. Das ist ein Hammer-Lied. Es ist von Message her als freie Meinungsäußerung gedacht. Ich will niemanden dazu animieren, das zu machen, ich behaupte auch nicht, dass es gesund sei, aber man sollte wenigstens frei sein, dass zu machen, wenn man genauso easy Zigaretten kaufen oder auch Alkohol trinken kann. Wenn das jetzt mit den Kids so ein Problem sein soll, sage ich auch auf keinen Fall, dass irgendwelche Kids, die noch in die Schule gehen, das machen sollen. Das harmoniert niemals. Macht Eure Schule, checkt einen Beruf, denn Ihr müsst Euer Leben immer noch auf die Reihe bekommen. Wenn das genommen wird, dann soll es auf keinen Fall abused werden. Man sollte produktiv sein und daraus schöpfen. Wenn man es nicht unbedingt braucht und es aus Langeweile nimmt, hat es keinen Sinn.

RootZ: Zurück zum Album. Du hast mit ein paar Hip Hoppern zusammengearbeitet.

Tolga: Ursprünglich stamme ich ja aus dem Hip Hop. Das hat sich dann so entwickelt, dass ich viel mehr Gefühle zeigen und in Form von Gesang ausdrücken wollte. Es hat sich in die Reggae-Richtung, die Dancehall-Richtung aus Jamaika hin ausgestreckt. Hip Hop hat immer eine große Rolle gespielt, weil Hip Hop und Dancehall sehr eng beieinander liegen und das sozusagen eine Familie ist. Das harmoniert schon die ganze Zeit, wenn zum Beispiel Wyclef und Bounty Killer oder Beenie Man etwas zusammen machen. Busta Rhymes, Bounty Killer und Junior Reid haben genauso die Beweise hervorgebracht, dass es auf jeden Fall funktioniert. Demnächst soll jetzt auch eine Hip Hop-Dancehall-Compilation über Downbeat / WEA herausgebracht werden, mit deutschen Hip Hoppern, die hier schon eine ganze Weile arbeiten und es hardcore drauf haben, Leuten wie Curse, D-Flame, Specialists, und mit anderen Leuten aus Jamaika. Das sind die Möglichkeiten, die man öffnen und verfolgen sollte. Wenn jetzt Brücken zwischen Jamaika und Deutschland gebaut werden, soll es auch in Deutschland gleichzeitig auch möglich sein, dass jeder, der sich zugehörig fühlt, davon teilhaben kann.

RootZ: Geh noch mal ein bisschen auf die Kooperationen zwischen Hip Hoppern und Dir auf Deinem Album ein.

Tolga: Einen ganz krassen Hip Hop-Aspekt bringt natürlich D-Flame rein. Wir haben zum Beispiel einen Track gemacht, der Dolly heißt und wo es um ein Mädchen geht, die alleine gelassen wird von ihrem Freund. Der läßt sie mit zwei Kindern stehen ohne einen Penny, sie ist pleite und weiß nicht mehr wohin. Das ist eine Geschichte, die wir erzählen und wo wir über den Typen urteilen. Wir sagen, wie die Situation ist und wie hart das sein kann. Für mich ist das ein Hardcore-Hip Hop-Beat, sehr bassig. Das ist ein Aspekt von Hip Hop, der auf der Platte mit drauf ist.

RootZ: Was gibt es noch an weiteren Kooperationen mit Hip Hoppern?

Tolga: Auf dem Album sind Max und Afrob mit dabei, wobei wir da nicht auf einen Hip Hop-Beat gegangen sind, sondern auf einen Foundation-Tune. Da geht es um Knowledge, ums “mal-in-sich-selbst-Reinschauen”, mehr um das Lyrische, nicht um das “Bum Bum”, so einen richtig krassen Battle-Text. Es wurde direkt von Herzen gesprochen und es soll auch das Herz berühren.

RootZ: Wie stark war das Far East Syndicate involviert an der Produktion des Albums?

Tolga: Far East Syndicate ist die Backing Band, mit der ich zusammen auftrete. Da sind auch die Hammer-Produzenten dabei, zum einen der Drummer Marco und der Keyboarder Matcha. Keyboard ist sein Bruder, seine Schwester, seine Mutter, sein alles. Wenn ich mich zusammen mit ihm hinstelle und eine gewisse Melodie habe, spielt er direkt die Akkorde dazu. Das harmoniert direkt miteinander. Die beiden haben zusammen diesen Foundation-Track produziert und er klingt hammergeil. Auf dem selben Riddim sing ich zusammen mit Jah Meek “Chee woe” drauf.

RootZ: Wird es noch weitere Kooperationen mit Daddy Rings und Gentleman geben?

Tolga: Ja, denke ich doch. So wie ich die Jungs kenne, sind wir Bredrins und werden damit nicht so schnell aufhören.

RootZ: In wie weit hatte Gentleman mit seiner Albumveröffentlichung vor einem Jahr denn Einfluss auf die Produktion deines Albums?

Tolga: Durch Gentleman habe ich sehr viele Sachen kennengelernt. Er hatte ja auch schon sehr viel mehr Erfahrung gehabt, als ich ihn kennengelernt habe. Wenn er auf der Bühne steht, sind da einfach so krasse Vibes, er peitscht nur so damit rum. Das macht die jahrelange Erfahrung, immer mit den Sounds unterwegs zu sein, immer aktiv zu bleiben in der Richtung. Er liebt das, und was du liebst, das versuchst du am besten zu machen. Er kam mit Freundeskreis zusammen und hat die Tür für Dancehall in Deutschland aufgekickt durch das Lied mit Mellow Bag und Freundeskreis. Das war einfach seine Hookline, die aus dem Lied so herausgestochen hat. Da haben Leute auf einmal in diese Richtung gekuckt und gesagt: “Wow! Der Junge kommt hier aus der Ecke und macht die Musik, die aus Jamaika kommt, und er macht sie verdammt gut.”

RootZ: Für wann ist eine Tour geplant?

Tolga: Am Ende dieses Jahres soll zwischen November und Dezember eine Tour gemacht werden. Das wird eine kleine Club Tour, verschiedene Orte werden gecheckt. Ich denke, das wird sehr spaßig. Jetzt im Oktober bin ich auch mit ein paar Sounds unterwegs, zum Beispiel in Aschaffenburg. Da ist D-Flame dann auch mit dabei und da wird noch einiges kommen.

RootZ: Wann genau wird Dein Album veröffentlicht?

Tolga: Ende Oktober wird es veröffentlicht.

RootZ: Nenn mir doch mal Deine drei derzeitigen Lieblingsalben!

Tolga: Ich höre zur Zeit gerne Toni Braxton, dann höre ich noch gerne Bounty Killer, und zwar sein letztes Album, und das dritte Album...- soll ich das oder das nehmen...- das erste Album von Esther Gullevie (?). Das höre ich mir die ganze Zeit an. Mein Teil!

 
 
RootZ: Sag mir doch mal etwas zu der kontroversen Auseinandersetzung um MP3.

Tolga: Auf der einen Seite finde ich es nicht fair, dass jemand , wenn er etwas im Laden kaufen kann, und das auch eigentlich so gedacht ist, das nicht mehr im Laden zu kaufen braucht und sich für zwei Mark am Computer brennen kann, sei es Musik oder sonstige Sachen. Ich find es eigentlich keine gute Sache, und es kann auch sehr schädigend sein. Irgendwann geht es immer mehr aus der Hand und da muss auf jeden Fall ein Riegel davor.

RootZ: Was hältst Du von Reggae im Internet?

Tolga: Find ich sehr gut. Je mehr Informationen über diese Musikrichtung, desto besser! Ich promote das auf jeden Fall.

RootZ: Deine eigene Seite steht kurz vor der Geburt.(Zum Zeitpunkt der V.Ö. dieses Gespräches ist die Seite schon aktiv – Anm. d. Red.)

Tolga: Sie soll sehr informativ sein über meine eigene Person und über die zukünftigen Sachen, die kommen. Bilder sollen reinkommen und ein paar Erlebnismomente, die jetzt in Jamaika bei der Produktion waren, ein paar kleine Geschichten aus der eigenen Kiste, die man nicht so überall hören kann, Erfahrungen Einfach die Basics, die man für so eine Seite braucht, wobei ich jetzt nicht auf so mega viel Schnickschnack stehe. Wenn das informativ dasteht, ist das absolut cool.


RootZ: Unter welcher Adresse muss man gucken?

Tolga: Das ist www.tolga.de

Rootz: Gib mir doch bitte eine Message für Rootz.

Tolga: Well, you know seh, this is Tolga speaking and you checkin RootZ right now and mi haffi sey:
Chee woe! Yeah! Hot Girls pon a RootZie Party,
can’t wait to be there, got to hurry,
got to go, got to go,
got to go to Max‘ Show!


Copyright Text: Mr. Fabulous / Dr. Igüz / Fotos: Dr. Igüz / Topp Entertainment  / Layout: Dr. Igüz 2000