Interview mit Pionear – Producer bei Germaican Records



Interview
mit

Pionear

Producer bei Germaican
Records

März 2002 per Mail

RootZ: 2 Jahre Germaican,
auch davor warst Du schon im Reggae Bizz aktiv. Gib uns eine kurze Übersicht. 
Was hat Euch dazu gebracht vom Liveact Messer Banzani zu einer Riddimfactory
zu werden?

Pionear (Germaican): Reggae
gehoert habe ich seit ca. Ende der 70er, auf den Parties meiner Mutter,
auf die afrikanische Studenten vor allem Bob Marley-, Jimmy Cliff- oder
Peter Tosh-Platten mitbrachten. Seit Angang der 80er mache ich gemeinsam
mit meinem Cousin Tom (der 2te In-House-Producer von Germaican)Musik. 1989
gruendeten wir die Band Messer Banzani, in der wir zuerst Ska, spaeter
aber immer mehr Reggae spielten. Messer Banzani veroeffentlichte in 10
Jahren 5 Alben und spielte ca. 600 Live Konzerte. 1993 supporteten wir
die Reggae Super Jam Tour in Deutschland, auf der wir die 809 Band und
Dean Fraser kennenlernten. 1996 wurde ich von ihm nach Jamaica eingeladen,
spielte ihm Demos vor und er erklaerte sich bereit unser naechstes Album
(das 4te „Language“ zu produzieren). 1997 nahmen Tom und ich dann in Kingston
u.a. mit Sly Dunbar und der Firehouse Crew auf. Da das Album floppte und
wir danach pleite waren, ging ich 1998 nach Jamaica, weil ich in Deutschland
keine Zukunft fuer meine Visionen sah. In Jamaica arbeitete ich fuer verschiedene
Produzenten (u.a. Soljie den Engineer von Luciano)oder fuer Jimmy Cliff.

1999 veroeffentlichte dann
King Jaymmys meinen ersten Riddim „Final Judgement“, der als Import auch
nach Deutschland kam. Das Echo hier ueberstieg alle Erwartungen, und so
nahm die Idee Gestalt an ein Dancehall-Label zu gruenden. Im Herbst 1999
kam dann das letzte Messer Banzani Album („Final Judgement“) heraus und
wir spielten eine Abschlusstournee. Seitdem bauen wir das Label auf, dessen
Philosophie es ist 1. die Dancehallkultur original in Deutschland zu repraesentieren
(durch die Zusammenarbeit mit jamaican Artistes)und 2. jungen deutschen
Artistes die Moeglichkeit zu geben auf 45’s zu veroeffentlichen, und somit
eine musikalische Bruecke zwischen den beiden Laendern zu schlagen. 

RootZ: Wie hängt der
Germaican Observer da mit drin?

 

Pionear (Germaican):
Germaica.net ist unsere Website, die eine Art Visitenkarte unseres Labels
ist. Der Germaican Observer ist ein Webzine, in dem vor allem Artistes
(aus JA. und D.) in Interviews gefeaturet werden, dass aber auch aktuelle
Mixtapes und News aus dem Dancehall / Reggae-Bereich enthaelt. Die G.O.
Crew besteht aus Nadine Reid, die den Grossteil der Interviews beisteuert,
Peanut Vendor, unserem Spezialisten fuer Ska-und Rocksteady, Kid Loki,
der Comics liefert und EasyKay dem Webmaster, der die technischen Aspekte
betreut (und auch seeed.de herstellt).

RootZ: Wie sind die connections
nach Jamaika zustande gekommen?

Pionear (Germaican): Hauptsaechlich
durch Dean Fraser, der mich in Jamaica Produzenten, Artistes und Studios
vorgestellt hat. Weiterhin durch den Aufenthalt in JA., bei dem man zwangslaeufig
Artistes und Leute aus dem Business trifft.

RootZ: Erzähl mal den
Ablauf der Produktion eines Riddims mit jamaikanischer Beteiligung.

Pionear (Germaican): Die
Instrumentals entstehen gewoehnlich in Leipzig im Germaican Studio. Mit
dem Instrumental geht es dann rueber, dort wird es Artistes vorgespielt.
Wenn es ihnen gefaellt, wird ueber den Preis verhandelt und der Artiste
voicet sofort, oder faengt an sein Stueck zu schreiben. Dann sagt der Produzent
ob es ihm gefaellt, es wird noch daran weitergearbeitet, oder der Deal
kommt nicht zustande (bei Nichtgefallen). Wenn alle Tunes aufgenommen sind,
faengt die Post-Production in Deutschland an, d.h. das Instrumental wird
auf den Tune abgestimmt, Gimmicks/Soundeffekte eingefuegt, Strophen getauscht
und Mixe erstellt (drop outs, breaks etc.). Diese Phase laeuft nur noch
digital, d.h. im Computer ab. Der Endmix wird gemastert, dann gepresst
und fertig ist der Lack.

 

RootZ: Ihr gebt
jetzt die Compilation “The Excitement” raus,
eine Art Werkschau. Erzähl den Lesern bitte etwas über dieses
Album. 

Pionear (Germaican): „The
Excitement“ ist eine Zusammenstellung der unserer Meinung nach besten Tunes
aus zwei Jahren Germaican Records. Dazu kommen 4 unveroeffentlichte Remixe
des bisher erfolgreichsten Riddims „Bitch“, zwei unveroeffentlichte Tunes
auf den Riddims „World Report“ und „Geisha“ und ein exclusiver Tune der
Backyard Crew aus Salzgitter.

Die Compilation ist vor allem
fuer Leute die unsere Tunes vielleicht schon einmal auf einem Dance gehoert
haben, aber selbst nicht auflegen, d.h. 45’s kaufen. Fuer Selectors sind
die unveroeffentlichten Sachen interessant, mit denen sie ihre Germaican
Selections erweitern oder abrunden koennen. Die umfangreichen Liner Notes
von Ulli Gueldner (vom Downbeat Record Store in Berlin, unserem Vertrieb
fuer 45’s) geben noch mal einen detaillierten Einblick in unser Label.
Wir releasen auf CD und Doppelvinyl. Gerade auf die Vinyledition mit Klappcover
und Artwork von Elmar (von Sentinel/Stuttgart) sind wir sehr stolz, denn
optisch ist ihm eine unserer Meinung nach optimale Umsetzung unseres Vibes
gelungen.

 



Pionear, Jack-A-Diamond,
Goldie und…
RootZ: Wie siehst
Du die Entwicklung und den Zustand der dt. Reggaeszene?

Pionear (Germaican): Man
kann wie eigentlich ueberall im Reggae nicht verallgemeinern. Die verschiedenen
Stile des Reggae sind alle in Deutschland mehr oder weniger vorhanden.
Im Moment gibt es eine starke Hinwendung zum Roots oder Foundation Style,
nachdem die letzten Jahre eher bashy waren. Gerade Ende der 90er gab es
einen Schub durch viele Leute die dem HipHopHype entfliehen wollten. Diese
Leute merken jetzt, dass es Dancehall/Reggae nicht erst seit 1998 gibt,
informieren sich, kaufen alte Platten usw. 

Wie immer in Deutschland
haben Trends extreme Erscheinungsformen, es scheint immer nur + oder –
zu geben. Ich schiebe das auf eine fehlende Musikkultur in der Black Music,
denn es gibt ja keine wirkliche Diaspora hier. HipHop zu verleugnen ist
albern, seit vierzig Jahren sind die U.S.A. eine Hauptinspirationsquelle
fuer jamaican music, beide Stile sind so eng verwandt wie kaum etwas anderes.
So anachronistisch die sogenannten ewig gestrigen Bob Marley Fans in den
90ern waren, so unglaublich ist es Fans ausschliessen zu wollen nur weil
sie vom HipHop kommen. Niemand hier ist mit Reggae geboren, keiner kann
dem anderen sagen ich hoere diese Musik schon laenger als Du, weil es darauf
nicht ankommt. Gentleman zitiert gerne den Prophet: „Music is a mission
and not a competition!“. Der Takt wird international weiterhin in Kingston
vorgegeben. Deutschland wird einen Sonderweg gehen (wegen der fehlenden
jamaican community), es sei denn Stoiber fuehrt Greeen Cards fuer jamaicanische
Musiker ein…?!

RootZ: Wer hat shoutouts
verdient, wer ist durchgefallen? Warum?

Pionear (Germaican): Shoutout
an die Sounds, denn sie repraesentieren die Dancehall Culture Jamaicas,
nicht auf Singles oder Alben, sondern jede Woche auf’s neue im Club. 

Ich bin nicht der Mann,
um andere Kuenstler durchfallen zu lassen, sondern versuche nur selbst
gute und tanzbare Musik zu machen.

 

RootZ: Wo liegt
bei Dir die Grenze zwischen Kommerz und Credibility?

Pionear (Germaican): Fuer
mich gibt es da keine Grenze. Ich kann nur Musik machen; die Musik die
in mir ist, danach muss ich sie verkaufen um davon leben zu koennen…

RootZ: 2 Jahre Germaica,
what’s next?

Pionear (Germaican): Naechster
Release wird der neue Seeed Riddim Doctor’s Darling sein mit u.a. einer
Anthony B./Seeed Combination “Waan Back” (einem Remake des A.B. Songs),
Dr. Ring-Ding, Jan Delay, danach, im Fruehsommer, kommt der neue Riddim
von Tom.

P.S.: Gruesse an alle rootz.net
ppl!!!


Copyright Text: Doc
Highüz / Bilder: Germaican Records / Layout: Doc Highüz 2002
Zum Seitenanfang

Scroll to Top