1000 Beats für eine Welt – Köln, Tanzbrunnen, 13. Juni 1998


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1000 Beats für
eine Welt – Köln, Tanzbrunnen, 13. Juni 1998

Wer
den Kölner Tanzbrunnen, gelegen im Rheinpark, direkt an den Ufern
des großen, braunen Flusses, von früher her kennt, wird zunächst
einmal einen kleinen Schock bekommen haben: War das Gelände früher
gepflegt und durch Beete und andere Arrangements für die Optik eine
wahre Augenweide, fallen dem Besucher heute zunächst die Lücken
in der Bestuhlung (was an Sitzmöbeln noch vorhanden ist, verschwindet
unter einer schmuddeligen Rostschicht) und der im Allgemeinen vorhandene
Zustand des Rottens auf. Hoffentlich ändert sich das mit dem neuen
Betreiber, der das Gelände vor Kurzem übernommen hat.

Aber jetzt zum Festival: Nicht nur die angekündigten drei, sondern
sogar vier Bands bestritten das Programm, das relativ pünktlich mit
der nicht im Programm erwähnten Kölner Multikulticombo Weep not
Child eröffnet wurde. Fette Hip Hop Beats und relaxte Reggae Rhythmen,
begleitet von urbanen Raps und Gesängen aus abwechselnd weiblicher
und männlicher Kehle erwiesen sich als der ideale Opener für
das musikalisch verwöhnte Publikum aus Köln.

Aber dann ging es los mit “Weltmusik”, ein Begriff, mit
dem ich bis heute noch Probleme habe, halt Ethnobeats, oder wie immer man
den Sound aus den weniger kommerziell erschlossenen und verdorbenen Winkeln
dieses Planeten bezeichnen soll. Schon seit über zwei Jahrzehnten
im Geschäft, arbeitete Salif Keita sich über die “Rail Band”
und die “Ambassadeurs” an die Spitze der afrikanischen Musik.
Seine heutige Band ist die Symbiose aus seinen zwei Heimaten: Mali und
Paris. So spielt ein französischer Keyboarder an der Seite eines Meisters
der Kora, wie man ein westafrikanisches Instrument, ähnlich einer
Harfe, nennt. Diese Begegnungen reflektieren sich auch in der Musik von
Salif. Nachdem seine vergangenen Studioprojekte sehr sphärisch und
trotz seiner hervorragenden Stimme teils auch sehr instrumentenlastig waren,
lieferte er im Tanzbrunnen eine sehr rootsige, vom Afropop der Gegenwart
geprägte Aufführung, ein Stil, der eher zu ihm paßt, als
seine vorigen elektronischen Eskapaden.

Sprung über den großen Teich zu Salif Keitas eventuellen
und nach dort verschleppten Vorfahren: Die Gruppe Olodum aus Bahia, Brasilien
schlugen ihre massenhaft mitgebrachten Trommeln. Bei dieser Band darf mensch
nicht den Fehler machen und sich ihren Sound nur anhören, das wäre
zu einseitig. Die Aufführungen sind gleichzeitig immer ein Augenschmaus,
wenn synchron bis zu zwanzig Leute die Felle auf ihren Trommeln und die
Trommelfelle der Zuschauer zum schwingen bringen. Da werden die Trommeln
jongliert und durch die Luft geschleudert, es wird getanzt und mit dem
Publikum gefeixt. So kann man sich einen Vorgeschmack auf den sagenumwobenen
Karneval in Bahia einfangen.

Höhepunkt
des Tages waren ohne Diskussion die Afro Cuban Allstars von der Insel der
edlen, dicken, unsäglich teuren Luftverschmutzer namens Zigarren.
Trotz widriger politischer Umstände hat diese Band es unter Anderem
dem Künstler “Ry Cooder” aus den U.S.A. zu verdanken, daß
sie mit ihrer Musik heute solche internationalen Erfolge feiert. Aber das
ist nur ein Teil der Geschichte: Wer die Allstars live auf der Bühne
gesehen hat, ob jetzt mit oder ohne den Piqanisten Rubén Gonzáles,
weiß, daß es hauptsächlich die phantastische Art der Künstler,
ihre Musik zu interpretieren und rüberzubringen ist, die das Publikum
fast hysterisch werden läßt. Und dabei ist es noch nicht einmal
Gegenwartsmusik, sondern eine Retrospektive von den Vierziger Jahren bis
heute, die das Publikum zum Kochen bringt.

Beim Veranstalter Misereor, der mit diesem Festival offensichtlich
eine andere Art der Kooperation in der Entwicklungshilfe und Völkerverständigung
beschreitet, wird nach dem überraschenden Erfolg darüber nachgedacht,
ob “1000 Beats für eine Welt” zu einer festen Einrichtung
werden kann. Das Publikum würde sich freuen und man kann davon ausgehen,
daß eine solche Veranstaltung für das gegenseitige Verständnis
von Leuten aus verschiedene Kontinenten mehr gebracht hat, als das Gelaber
von tausend Politikern.


Copyright: Dr. Igüz 1998

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