Ruts DC vs. Zion Train Rhythm Collision Remix

Ruts DC vs.
Zion Train

Rhythm Collision
Remix

Jeder, der
seit ein paar Jahren im Reggaebereich die Ohren aufsperrt, wird irgendwann
einmal über einen Track der Ruts DC gestoßen sein. Wir schreiben
den Anfang der Achtziger Jahre, in England beginnt Lee ‘Scratch’ Perry
seine legendäre Zusammenarbeit mit The Clash und auch einige andere
Protagonisten aus der Musikszene Jamaikas und des Punkmobs der Metropolen
Englands treffen sich. In dieser Athmosphäre liegt die Ursuppe der
vorliegenden Scheibe, für die sich einige Hauptpersonen der Reggae-
und Punkszene zusammentaten, um eine Musik zu schaffen, die sich weg vom
ewig fließenden Mainstream bewegte: Die Ruts ließen sich mehr
von Reggae einnehmen, nachdem sie ihre endgültige Musikerbesetzung
gefunden hatten, fügten sie ihrem Namen die Endung DC zu und gingen
ins Studio von Neil Fraser alias Mad Professor, der zu jener Zeit gerade
von der englischen Musikpresse aufgrund seiner Zusammenarbeit mit Jah Shaka,
erst entdeckt und dann hoch gelobt wurde. 

Aus dieser Zusammenarbeit entstand das erste Reggaealbum der Band,
das in beiden Szenen derzeit hohe Wellen schlug, es war aber meines Wissens
nach gleichzeitig leider auch die letzte Kooperation dieser beiden Lager.
Trotzdem entstand mit “Rhythm Collision” ein Klassiker, der bis heute in
der Szene gespielt wird. Daß der Bekanntheitsgrad dieser Scheibe
bis heute andauert, ist allerdings auch zwei Labels aus dem Reggaebereich
zu verdanken: R.O.I.R. aus Amerika ließen die Scheibe Ende der Achtziger
Jahre wiederveröffentlichen und Echo Beach aus Hamburg tat Gleiches
vor ein paar Jahren. 

So ist das Werk nie in Vergessenheit und im Laufe der Jahre auch
an die Ohren des Musiker-Kollektives “Zion Train” geraten. Diese Band aus
dem Land der wahnsinnigen Kühe nennt Rhythm Collision, neben anderen
Quellen, gar als eine wichtige Inspiration für ihr eigenes Schaffen.
So lag es für sie nahe, sich an diesem Klassiker im Remixen zu versuchen.
Übung darin konnten sie sich schon bei anderen Kooperationen mit beispielsweise
“Afro Celtic Soundsystem”, “Junior Reid” oder “Kissing the Pink”, aneignen. 

Dieses Projekt jedoch ist trotzdem etwas Besonderes: die Remixe wurden
auf dem antiquarischen, vom Mad Professor selbst gebauten Originalmischpult
produziert, mit dem schon die ursprünglichen Aufnahmen bearbeitet
wurden, es kamen die Originaleffektgerärte zum Einsatz und alles wurde
auf einem archaischen 2” 24-Spur-Gerät abgelegt. Musik aus den frühen
Achtzigern produziert auf Geräten aus der gleichen Epoche, angefertigt
von den Mitglieder Zion Trains mit dem bekannten Fingerspitzengefühl
für die Position der Regler auf dem Pult. Nur hier und da hat die
“Zion Train Brass Section” der Originalmusik etwas hinzugefügt, ansonsten
unterliegt der ganze Sound einzig und allein der Neuinterpretation einer
Band, die sich dem Dub erst über zehn Jahre nach den Ruts verschrieben
hat.

Und mensch sollte nicht denken, daß eine solche Produktion
so “smooth” abläuft, wie ich Euch hier schreibe, natürlich gab
es auch massive Probleme: Als das monstermäßige, ungefähr
fünf Zentimeter breite Originaltape das erste Mal in das antiquierte
Abspielgerät gelegt wurde, fiel es zum Schrecken der anwesenden Musiker
und Studiotechniker auseinander und löste sich teilweise in rostbraunen
Staub auf. Also mußte dieses Tonband erst einmal restauriert und
konserviert werden. Dafür wird es eingeschickt und “gebacken”, wer
es weiß, der oder die schreibe es mir. Was sich hinter diesem Prozess
des Backens verbirgt, kann ich Euch leider auch nicht sagen. Jedenfalls
wird das in diesem Prozess konservierte Band in der Regel auf ein neues
Tonband überspielt, um dem Originalmaster nicht noch mehr Schaden
zuzufügen. 

Leider ist bei dem Verfahren ein Song, den Ihr vielleicht auf der
Scheibe vermissen werdet, über die Wupper, Themse oder wer weiß
was für einen Fluß gegangen. Es geht um “Push Yourself”, das
sich jetzt leider als schon erwähnter brauner Staub in den Ritzen
des Studios des Mad Professor abgesetzt hat. Aber, liebe Leute, nicht weinen
um das Stück, der Rest des Albums ist so geil, daß mensch über
diesen Verlust hinweghören kann. Zion Train beweisen einmal mehr ihr
gutes Einfühlungsvermögen in die Musik anderer Bands und haben
so ein Werk geschaffen, das zwar in den Achtziger Jahren wurzelt, aber
nichts von seiner derzeitigen Aktualität verloren hat. Im Gegenteil,
ich hatte immer das Gefühl, daß der Originalmix des verrückten
Akademikers für die heutige Dubszene mit zu harten Effekten und Sounds
daherkommt. Aber höre da, Zion Train gehen hin und machen aus den
einstmals richtig ruffen Tunes neue, moderne, aber nichtsdestotrotz traditionelle
Dubsongs, die einen zwar nicht unbedingt zum Träumen anregen, aber
die auf jeden Fall einiges ihrer ursprünglichen Aggression zugunsten
spaciger Effekte aufgegeben haben. Nein, damit will ich nicht schreiben,
daß der Sound verloren hat, im Gegenteil, die alte Musik, betrachtet
aus der heutigen Perspektive, hat einen neuen Touch bekommen, der es wieder
schaffen wird, neue Ohren für das Album von Ruts DC zu gewinnen. 

Und wem der neue Sound zusagt, der interessiert sich möglicherweise
auch für die Originalversionen. So schließt sich für den
interessierten Reggae- und Dublover ein weiterer Kreis, von dem die jamaikanische
Musik, sei sie auch in England gemacht, lebt: das Versioning, Remixen,
Recyclen und Wiederaufnehmen von Themen, Tunes und Songs. Und ein Trend,
für den Reggae und Dub schließlich schon vor zwanzig Jahren
den Grundstein gelegt haben, wird immer evidenter: der Magier am Mischpult
wird immer mehr zu einem festen Bandmitglied und gewinnt für die heutige
Szene immer mehr an Bedeutung.

Anhörtips:

Whatever We Dub 

Weakheart 

Love And Fire 


Copyright: Dr. Igüz 1999

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