RootZ.Öko – Artikel aus der Umwelt

Tagesschau online

12.02.07

Sieben Jahre nach dem Untergang der “Erika”

Mammutprozess um Ölkatastrophe im Atlantik

begonnen

In Paris hat der Prozess gegen die mutmaßlichen

Verantwortlichen der

wahrscheinlich schwersten Ölkatastrophe Frankreichs begonnen.

Angeklagt

sind unter anderem der Eigner und der Kapitän des Frachters

“Erika”,

der in stürmischer See am 12. Dezember 1999 auseinandergebrochen

war.

Auch der Ölkonzern “Total”, in dessen Auftrag der 25 Jahre alte

Frachter unterwegs war, steht vor Gericht. Bei dem Unglück waren

rund

20.000 Tonnen Öl ins Meer gelangt, 400 Kilometer Küste wurden

verschmutzt, 150.000 Seevögel starben.

Wer wusste von der rostenden “Erika”?

Dem “Erika”-Reeder

Giuseppe Savarese und der von ihm beauftragten

Reederei wird vorgeworfen, trotz entdeckter Rostschäden aus

Profitgier

keine Reparaturen an dem einwandigen Tanker angeordnet zu haben. Der

indische Kapitän soll den Behörden fast einen Tag lang die

Notlage der

“Erika” verschwiegen haben.

Der Ölkonzern “Total” wird beschuldigt, bei dem

Auftrag sonst im

Konzern geltende Sicherheitsbestimmungen aus Zeitgründen ignoriert

zu

haben, um einen Kunden rechtzeitig zu beliefern. Das italienische

Schiffsregister Registro Italiano Navale (Rina) muss vor Gericht

erklären, warum die unter maltesischer Flagge fahrende “Erika”

trotz

ihres bedenklichen Zustandes überhaupt noch für

seetüchtig erklärt

wurde.

Zudem sind Verantwortliche der französischen

Seenotrettung und

Schifffahrtsbehörden angeklagt. Sie sollen es versäumt haben,

rechtzeitig die notwendigen Sicherungsmaßnahmen eingeleitet zu

haben,

um die Ölkatastrophe zu verhindern. Den Angeklagten drohen je nach

Art

der Vorwürfe bis zu zwei Jahre Gefängnis und Geldstrafen bis

zu einer

Million Euro.

Französischer Staat fordert Schadensersatz

Insgesamt werden 74 Kläger vor Gericht erwartet.

Zu ihnen zählt

neben der konservativen Regierung auch die sozialistische

Präsidentschaftskandidatin Segolene Royal als Gouverneurin der

betroffenen Küstenregion Poitou-Charentes. Wenige Wochen vor der

Präsidentschaftswahl im April erhält der Prozess zudem durch

die

verstärkte Diskussion über Umwelt und Klimawandel politische

Brisanz.

Die Anklage umfasst 189 Bände.

Zum Prozessauftakt vor dem Pariser Strafgericht

bekräftigten

Vertreter der verschmutzten Gemeinden und Regionen ihre Forderung nach

Schadensersatz. Die Kosten der Säuberung der Umwelt und die

Einbußen

für Fischerei und Tourismus werden auf rund eine Milliarde Euro

geschätzt.

Allein der französische Staat verlangt 153

Millionen Euro für die

Reinigung der Strände und die Sicherung des Wracks. Der

Präsident der

westfranzösischen Region Pays-de-Loire, Jacques Auxiette, sagte,

das

Verfahren müsse “zeigen, dass es nicht der lokale Steuerzahler

sein

kann, der für Umweltschäden aufkommt”. Sein Kollege aus der

Bretagne,

Jean-Yves Le Drian, forderte eine striktere Kontrolle der Schifffahrt.

“Wir sind weit davon entfernt, den Schiffsverkehr zu meistern”, sagte

er mit Blick auf die jüngst erfolgte Havarie der “MSC Napoli” im

Ärmelkanal.

Was war an Bord der “Erika”?

Ein Teil der Nebenkläger will auch die Frage

geklärt wissen, was

überhaupt mit der “Erika” transportiert wurde. Sie behaupten, dass

dazu

auch stark Krebs erregende Tankrückstände aus der Industrie

gehörten,

was Total bestreitet. So oder so sorgen sich viele der Freiwilligen,

die vor sieben Jahren bei der Beseitigung der Ölreste geholfen

haben,

heute um ihre Gesundheit, denn auch der direkte Kontakt mit

Schweröl

kann je nach Dauer Krebs hervorrufen. Zum Prozessauftakt demonstrierten

mehrere Helfer vor dem Pariser Justizpalast.

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