RootZ.Öko – Artikel aus der Umwelt

 
Spiegel

online 21.02.07

GEFAHR IM GEHÖLZ

Wild, Bauern und Feuer

bedrohen deutsche Wälder

Von Jochen Bölsche

Agrarminister Horst Seehofer

will den alljährlichen Waldzustandsbericht abschaffen. Kritiker schimpfen:

Die Walddaten-Sammlung sei wertvoller denn je – als Hilfsmittel beim dringend

notwendigen Umbau des deutschen Waldes. Denn die Forste werden von Bränden

und Wild bedroht.

Rudolf Fenner ist Waldreferent

der Naturschutz-Organisation “Robin Wood”. Wenn er an Landwirtschaftsminister

Horst Seehofer denkt, kommt ihm ein bekloppter Doktor in den Sinn.

“Welcher Arzt”, fragt Waldschützer

Fenner, “käme auf die Idee, das Messen der Fiebertemperaturen einzustellen,

wenn es dem Patienten am schlechtesten geht?”

Agrarminister Seehofer verhehlt

nicht, dass er am liebsten darauf verzichten würde, weiterhin einmal

pro Jahr jenen Waldzustandsbericht vorzulegen, der bereits seit 1983 –

zunächst unter dem Namen “Waldschadensbericht” – erhoben wird. Ein

Bericht alle vier Jahre genüge, findet Seehofer.

Der Dank des Bauernverbandes

wäre dem CSU-Politiker gewiss. Denn der Waldzustandsbericht erhellt

von Jahr zu Jahr deutlicher die Mitverantwortung der Landwirtschaft an

der Luftbelastung durch Stickoxide aus Düngemitteln und Massentierhaltung

– und damit den Anteil der Agrarindustrie an der Schädigung der Wälder.

Der Bauern-Lobby zuliebe

wolle Seehofer, so argwöhnt Waldschützer Fenner, “den sterbenden

Wald nun auch noch totschweigen”. Die Rolle der Intensiv-Landwirtschaft

nur noch einmal pro Legislaturperiode darzutun, meint auch Thomas Norgall

vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), sei ein “massiver Versuch,

die Aufmerksamkeit von dem Thema wegzulenken”.

Bauern belasten Wald stärker

als Dreckschleudern von einst

Tatsächlich belasten

die landwirtschaftlichen Emissionen den Wald mittlerweile mehr als die

schwefelhaltigen Kraftwerkabgase von einst; der Ausstoß von Schwefeldioxid

ist seit den Achtzigern radikal reduziert worden.

Nie war er so wertvoll wie

heute – so urteilen nicht nur Waldforscher, sondern auch die Forstbesitzer

über den Waldbericht. Denn die feingerasterte, flächendeckende

und jährlich aktualisierte Datensammlung über den Zustand der

Bäume sei ein unverzichtbares Hilfsmittel, um den vom Klimawandel

erzwungenen Waldumbau – weg von der hochsensiblen Fichte – richtig zu steuern.

Es gebe nun einmal nicht

den Idealbaum, der allerorten die Fichte ersetzen könne, argumentieren

die Seehofer-Kritiker. Die Auswahl der jeweils standortgerechten Baumarten

aber setze intensive Kenntnisse voraus.

Daher müsse der Waldbericht

eher noch erweitert werden, über die Erfassung der Kronenbelaubung

hinaus etwa auf den Bodenzustand, fordert Hubert Weiger vom bayrischen

Bund Naturschutz. Eine Abschaffung des Jahresberichts, fürchtet auch

der Waldbesitzerverband, würde die “Reaktionsfähigkeit auf den

Waldzustand verringern”.

Begonnen hat der große

Waldumbau, laut Umweltbundesamt die “nationale Aufgabe” der Zukunft, beispielsweise

nördlich von Berlin. Dort waren die armen, drögen Streusandböden

des nordostdeutschen Tieflandes einst mit Kiefern aufgeforstet worden.

In Brandenburg, dessen Wälder ohne Zutun des Menschen nur zu sieben

Prozent aus Kiefern bestehen würden, machen die Bestände dieser

Koniferenart weit mehr als 70 Prozent der Forstfläche aus.

Das Problem dabei: Die Kiefer

ist zwar, anders als die Fichte, relativ hitze- und dürretolerant

– doch wehe, ein Funke fliegt: Dann brennen die endlosen harzig-knarzigen

Kiefernplantagen ab wie ein Kienspan. Und “im Zuge des Klimawandels”, warnt

das Umweltbundesamt, werde sich “in Kiefernreinbeständen … die Waldbrandgefahr

erheblich erhöhen”.

Die Hauptbetroffenen, die

Länder Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, steuern daher bereits

um: Ein “Projektverbund Nordostdeutsches Tiefland” plant, die brandanfälligen

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