RootZ.Öko – Artikel aus der Umwelt

 
Spiegel

online 27.02.07

GLOBALE ERWÄRMUNG

US-Regierung erwägt

drastische Klimaschutz-Aktionen

Die US-Regierung denkt einem

Zeitungsbericht zufolge daran, den Klimawandel mit weitreichenden Maßnahmen

zu bekämpfen: Gewaltige Spiegel im Weltraum oder Staub in der Atmosphäre

sollen das Sonnenlicht reflektieren und so der globalen Erwärmung

entgegenwirken.

In den USA ist der Klimawandel

im öffentlichen Bewusstsein angekommen: In der Bevölkerung wächst

die Angst vor katastrophalen Folgen der Erwärmung, Politiker entdecken

den Umweltschutz als Wahlkampfthema, und selbst Energiekonzerne drängen

die US-Regierung inzwischen zum Handeln. Im Weißen Haus verhallen

diese Rufe nicht mehr ungehört, glaubt man einem Bericht der britischen

Zeitung “The Guardian”.

Ausbruch des Pinatubo im

Jahr 1991: Große Mengen an Schwefeldioxid in der Atmosphäre

könnten Abkühlung bringen

Am kommenden Freitag wird

das Uno-Expertengremium Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC)

erstmals seit sechs Jahren wieder einen neuen Bericht zum Stand des Klimawandels

veröffentlichen. Dem “Guardian” zufolge bemüht sich Washington,

einige drastische Maßnahmen in die Empfehlungen des IPCC-Papiers

aufzunehmen – darunter die Installation gigantischer Spiegel im All oder

das Ausbringen großer Mengen von Staub in die Atmosphäre, um

das Sonnenlicht zu reflektieren.

Der Zeitung zufolge hat die

US-Regierung auch zu verhindern versucht, dass der IPCC-Bericht die Forderung

nach einem neuen internationalen Abkommen zur Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen

enthält. Dies wäre ein Nachfolge-Vertrag zum Kyoto-Protokoll,

das die USA bis heute nicht unterzeichnet haben und das ab 2012 ausläuft.

Vergangenes Jahr haben die

Regierung eine Vorabversion des IPCC-Berichts erhalten, deren wissenschaftliche

Details der endgültigen Version weitgehend entsprechen dürften.

Dem “Guardian” liegt nach eigenen Angaben nun die Antwort der US-Regierung

an die Vereinten Nationen vor. Sie enthalte die Forderung, dass der Teil

des IPCC-Berichts mit Empfehlungen an die Politik die Möglichkeit

einer direkten Einflussnahme auf die Sonneneinstrahlung beinhalten solle.

Direkter Eingriff in die

Atmosphärenchemie

“Die Veränderung der

Sonneneinstrahlung könnte eine wichtige Strategie sein, falls die

Senkung der Treibhausgas-Emissionen scheitert”, lautet der US-Vorschlag

dem Bericht zufolge im Wortlaut. “Es ist eine wichtige Rückversicherung,

die notwendige Forschung und Entwicklung zu leisten, um die Folgen der

Anwendung einer solchen Strategie abzuschätzen.”

Weiterhin beschwere sich

Washington darüber, dass der IPCC-Bericht “die negativen Folgen des

Klimawandels übertreibt”. Die US-Regierung dränge auch auf eine

Passage, die die Wirksamkeit freiwilliger Verpflichtungen in der Wirtschaft

betont – obwohl inzwischen selbst US-Konzerne gesetzliche Regelungen fordern,

um endlich “sichtbare Ziele beim Klimaschutz zu haben”, wie General-Electric-Chef

Jeffrey Immelt jüngst betonte.

Die Argumentation in der

US-Stellungnahme ist zwar teilweise abstrus – wie etwa die Bemerkung, es

sei eine große Schwäche des Kyoto-Protokolls, dass “einige große

Treibhausgas-Emittenten” dem Vertrag nicht beigetreten seien. Die USA sind

der mit Abstand größte CO2-Verursacher der Welt und haben bis

heute ihren Beitritt zu dem Abkommen verweigert.

Sonnenschirm für die

Erde

Dennoch wird die Möglichkeit

drastischer Maßnahmen zum Klimaschutz inzwischen immer ernsthafter

von Wissenschaftlern diskutiert. So existieren Berechnungen, denen zufolge

der Klimaeffekt aller seit der industriellen Revolution ausgestoßenen

Treibhausgase kompensiert werden könnte, indem man ein Prozent des

Sonnenlichts ins All reflektiert. Dazu kursieren mehrere Szenarien:

    * Der

US-Astronom Roger Angel hat vorgeschlagen, einen 100.000 Kilometer langen

Schweif aus 16 Billionen kleinen Spiegeln zwischen Sonne und Erde zu platzieren.

Die Kunststoffscheiben von jeweils 60 Zentimetern Durchmesser sollen rund

zwei Prozent weniger Sonnenenergie auf der Erde ankommen lassen.

    * Der

Chemie-Nobelpreisträger Paul Crutzen vom Mainzer Max-Planck-Institut

für Atmosphärenchemie hat den Plan entwickelt, die Stratosphäre

mit riesigen Mengen an Schwefel zu vernebeln, um einen Teil des Sonnenlichts

abzublocken. Der kühlende Effekt wurde bereits nach großen Vulkanausbrüchen

beobachtet. Kritiker warnen allerdings vor unabsehbaren Folgen und bemängeln,

dass man über viele Generationen Schwefel in die Atmosphäre blasen

müsste, wollte man keine plötzliche massive Erwärmung riskieren.

    * Am National

Center for Atmospheric Research im US-Bundesstaat Colorado haben Forscher

um den Atmosphärenphysiker John Latham die Idee entwickelt, große

Mengen Meerwasser zu zerstäuben. Damit wollen sie niedrige Wolken

mehr Licht ins All reflektieren lassen.

    * Forscher

des Alfred-Wegener-Instituts für Meeresforschung in Bremerhaven düngten

in den Jahren 2000 und 2004 im Antarktischen Meer 200 Quadratkilometer

Meeresfläche mit Eisensulfat, um das Algenwachstum an der Oberfläche

anzuregen. Ihr Plan: Wenn Phytoplankton wächst, bindet es Kohlendioxid,

das später mit in die Tiefe gerissen und so aus der Atmosphäre

entfernt wird.

    * Mit

schwimmenden Kunststoffscheiben auf den Weltmeeren und weißen Plastikplanen

in den Wüsten ließe sich nach Berechnung anderer Wissenschaftler

ebenfalls ein Teil des Sonnenlichts zurück ins Weltall werfen – und

so der globalen Erwärmung entgegenwirken. 

 

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