RootZ.Öko – Artikel aus der Umwelt

 
Spiegel

online 20.04.07

DRAMATISCHE DÜRRE

Australiens Premier stimmt

Farmer auf staubiges Desaster ein

Ein letzter Aufschub trennt

die Kornkammer Australiens vom Austrocknen: Fällt nicht bald Regen,

will die Regierung den Landwirten die künstliche Bewässerung

verbieten – bis mindestens nächsten Mai. Für viele Farmer wäre

das der Ruin. Premierminister Howard empfiehlt: hoffen und beten.

“Es ist eine grauenvolle

Situation, und es macht keinen Sinn, Australien etwas anderes vorzumachen”,

sagte Premierminister John Howard. “Wir müssen alle hoffen und beten,

dass Regen kommt.” Doch Hoffen und Beten dürften dem dürregeplagten

Kontinent kaum helfen. Seit 2002 leidet Australien unter einer Trockenheit,

die als schlimmste seit Menschengedenken bezeichnet wird.

Und so stellte Howard dem

Schicksal ein Ultimatum: Wenn es nicht binnen der nächsten sechs bis

acht Wochen endlich kräftig regnet, wird ein Bewässerungverbot

erlassen, das bis Mai 2008 gelten würde – zunächst. Betroffen

wäre der Garten Australiens: das Murray-Darling-Becken, benannt nach

den beiden größten Flüssen im australischen Südosten.

Es erstreckt sich über den größten Teil des Bundesstaates

New South Wales. Teile des über eine Million Quadratkilometer großen

Gebiets gehören zu den Nachbarstaaten South Australia und Queensland.

Dort werden nicht bloß

Reis, Baumwolle und Weintrauben angebaut, sondern auch Zitrusfrüchte,

Oliven und Mandeln. Sie alle sind auf künstliche Bewässerung

angewiesen, ebenso wie die Viehherden der Region, die hauptsächlich

aus Schafen bestehen. Ein strenges “Wasser stopp!” wäre für die

Farmer der Gegend ein staubiges Desaster.

Zwar fallen nur sechs Prozent

des australischen Jahresregens in das Murray-Darling-Becken, doch stammen

von dort 70 Prozent des landesweiten Nachschubs für die Bewässerung.

Rund zwei Fünftel der landwirtschaftlichen Erzeugnisse Australiens

stammen von dort. Das Bassin, so groß wie Spanien und Frankreich

zusammen, hat seit 2002 weniger Regen gesehen als in den vergangenen 114

Jahren. So lange wird in Australien das Wettergeschehen aufgezeichnet.

“Potentiell vernichtende”

Folgen

“Das passiert eher einmal

im Jahrtausend als einmal im Jahrhundert”, hatte David Dreverman von der

Murray-Darling-Flusskommission schon im November gesagt. Die beiden etwa

1000 Kilometer langen Flüsse sind inzwischen nicht viel mehr als matschige

Rinnsale.

Howard räumte bei einer

Pressekonferenz in Canberra ein, ein Bewässerungsverbot hätte

hier “potentiell vernichtende” Folgen. Den betroffenen Farmer dürfte

dies nicht neu gewesen sein: Die Preise für Schafe und Rinder sind

bereits dramatisch gefallen, weil viele Landwirte ihre Bestände verkleinern

wollen. Gleichzeitig wird Viehfutter durch die Trockenheit immer teurer.

Werden die Bauern nun gezwungen, ihre Nutzpflanzen verdursten zu lassen,

so ist das vor allem für die Produzenten von Oliven und Wein ein Desaster:

Neue Bäume und Weinstöcke müssen jahrelang gehegt und gepflegt

werden, bevor sie ernstzunehmende Erträge abwerfen.

“Die ländliche Selbstmordrate

ist emporgeschnellt”, bemerkt die britische Zeitung “The Independent”.

Die australische Volkswirtschaft wird die Dürre wohl ein Prozent Wachstum

kosten.

Doch liegt das alles wirklich

“im Schoß der Götter”, wie Howard sagte? Zwar sucht tatsächlich

eine in jeder Hinsicht außergewöhnlich Dürre den Kontinent

heim. Doch wenden Kritiker der Regierung ein:

    * Warum

wird erst in letzter Zeit über rigide Bewässerungsverbote geredet?

Die Trockenheit, die Südostaustralien schon seit 2002 plagt, ist erst

seit kurzem auch ein politisches Thema. Dabei haben die Kommunen längst

reagieren müssen. Außer in Darwin im äußerten Norden

des Landes gilt in jeder australischen Großstadt irgendeine Form

von Wasserbeschränkung.

    * Dass

die globale Erwärmung, die Dürre-verursachende El-Nino-Ereignisse

im Pazifik befördert, einen Einfluss auf die gegenwärtige Trockenheit

hat, wird nur von wenigen Fachleuten bezweifelt. In seinem jüngsten

Bericht über die Folgen des Klimawandels stellte der Weltklimarat

der Uno in Aussicht, dass die Wassermenge, die das Murray-Darling-Becken

durchfließt, bis Mitte des Jahrhunderts um zehn bis 25 Prozent abnehmen

könnte.

Sinneswandel in der Regierung

– der Klimawandel findet statt, und Kernkraft soll Abhilfe schaffen.

“Was wir in Australien sehen

– austrocknende Seen und Flusssysteme – ist nicht bloß ein australisches

Phänomen. Es ist ein globales Problem, das durch die Erwärmung

unseres Planeten verursacht wird”, sagte der Wissenschaftler Tim Flannery,

Autor des populärwissenschaftlichen Buchs “Wir Wettermacher” der australischen

Nachrichtenagentur AAP.

Klimawandel-Streit, Wahlkampf

und Kernkraft

Premierminister Howard gehörte

indes lange zu den entschiedensten Zweiflern am vom Menschen beeinflussten

Klimawandel. Unlängst hatte er sich noch jede Einmischung seitens

der EU verbeten. Den Klimawandel-Popularisierer und ehemaligen US-Vizepräsidenten

Al Gore wollte Howard gar nicht erst empfangen. Auf den Bericht des britischen

Regierungsberaters Nicholas Stern über die weltwirtschaftlichen Folgen

des Klimawandelsreagierte Howard indifferent – obgleich der Bericht im

Herbst 2006 detailliert die möglichen Folgen für den Kontinent

im Süden beschrieb. Sollte die durchschnittliche globale Oberflächentemperatur

um vier Grad Celsius steigen – ein drastisches Szenario -, würde Australiens

landwirtschaftliche Nutzfläche ihre Produktivität verlieren.

Nachdem Howard im Wahljahr

2007 selbst von konservativen Medien heftige Kritik einstecken musste,

erkannte er die wissenschaftlichen Grundannahmen vom anthropogenen Treibhauseffekt

zögerlich an. Howard, der lange als Beschützer der mächtigen

australischen Kohleindustrie galt, will mit dem Neubau von Kernkraftwerken

einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Am heutigen Freitag eröffnete

der Premier einen neuen Forschungsreaktor.

Die Regierung in Canberra

erwäge mittlerweile sogar die Vorteile, einem internationalen CO2-Handelssystem

beizutreten, berichtet der “Independent”. Solche Maßnahmen, wie die

EU sie bereits praktiziert, hatte Howard zuvor entschieden abgelehnt.

Um dem Wassermangel im Murray-Darling-Bassin

zu begegnen, erwägt Howard nach Angaben der Zeitung nun sogar, den

Bundesstaaten in ihren wasserrechtlichen Befugnissen zu beschneiden, statt

bloß zu hoffen und zu beten. Der Premierminister fürchtet offenbar,

dass Australien von fremden Nahrungsmitteln abhängig wird, berichtet

die Zeitung “Sydney Morning Herald”. Howard sagte: “Ganz offensichtlich

könnte es sein, dass wir in machen Gegenden Nahrungsmittel einführen

müssen, die sonst aus australischen Quellen kämen.”

 

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