RootZ.Öko – Artikel aus der Umwelt

 
Spiegel

online 07.07.07

UMDENKEN IN DER IT-BRANCHE

Das Öko-Rechenzentrum

Klimaschutz ist gut fürs

Image. Das merken jetzt auch die großen Internet-Dienstleister. Die

Berliner Strato AG kündigt an, komplett auf Energie aus Wasserkraft

umzusteigen – und seine Computer bald CO2-neutral zu betreiben.

Frankfurt/Main – Die Gefahren

des Klimawandels können die IT-Branche nicht kalt lassen. Intel, Microsoft,

Google und Co. haben sich daher zu einer “Computing-Initiative der Klimaschützer”

zusammengeschlossen. Einen eigenen Weg geht das Berliner Internet-Unternehmen

Strato, das für den Betrieb seiner Rechenzentren ab Anfang nächsten

Jahres nur noch Strom aus erneuerbaren Energiequellen verwenden will.

“Man nimmt es als Verbraucher

gar nicht wahr, dass das Internet Strom verbraucht”, sagt Strato-Vorstandschef

Damian Schmidt im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AP. Schließlich

machen digitale Informationen im Vergleich zu Autos und Flugzeugen einen

ziemlich sauberen Eindruck. Aber auch die Internet-Nutzung ist mit der

Emission einer erheblichen Menge von Treibhausgasen verbunden. Der 24-Stunden-Betrieb

eines Web-Servers mit einer Leistungsaufnahme von rund 350 Watt benötigt

viel Strom. Und der kommt meist aus Kohlekraftwerken.

Die beiden Strato-Rechenzentren

in Berlin und Karlsruhe verbrauchen nach Angaben Schmidts 30 Gigawattstunden

im Jahr – und sind für einen Kohlendioxid-Ausstoß von 15.000

Tonnen verantwortlich. “Wir wollen null Emission”, sagt Schmidt. Strato

habe deswegen seinen Liefervertrag mit dem bisherigen Versorger EnBW gekündigt

und einen neuen Vertrag mit der NaturEnergie AG geschlossen, die ihren

Strom in Wasserkraftwerken am Hochrhein erzeugt.

“Rechenzentren haben eine

hohe Grundlast, da ist Wasserkraft besser als Solarenergie”, erklärt

Schmidt. Die Kernenergie hingegen sei für ihn keine Alternative, weil

schon beim Bau eines Reaktors mehr CO2 ausgestoßen werde als später

eingespart werden könne.

Der Ökostrom ist zwar

etwas teurer. Aber Strato habe sich in Verhandlungen günstige Bedingungen

gesichert, erklärt der Manager.

Auch werde sich die Preisschere

irgendwann schließen, da mit steigenden Kosten fossiler Energieträger

zu rechnen sei. Gleichwohl kritisiert Schmidt, dass bislang zwar die Erzeugung

regenerierbarer Energien staatlich gefördert werde, nicht aber die

Abnahme.

Der Wechsel beim Stromversorger

ist nur ein Teil der Umweltstrategie von Strato. “Wir sind seit über

zwei Jahren dabei, die Energieeffizienz zu erhöhen, was letztlich

kostengesteuert ist”, erklärt der Chef des nach Marktführer 1&1

zweitgrößten Web-Hosters in Europa, auf dessen Servern drei

Millionen Internet-Adressen zu Hause sind. Hardware, Gebäudetechnik

und Software sind die drei Ansatzstellen, um den Stromverbrauch so effizient

wie möglich zu gestalten.

“Schlecht geschriebener Code

ist ein Klimakiller”

So wurden beim “Shared Hosting”,

dem Massengeschäft mit mehreren Internet-Auftritten auf einem Server,

kürzlich die Rechner auch mit Blick auf den Stromverbrauch ausgewechselt.

Die neuen Maschinen vom Typ “Sun Fire T200” verbrauchen nach Angaben Schmidts

90 Prozent weniger Energie je Rechenvorgang als ihre Vorgänger, da

ihre Niagara-Prozessoren besonders auf die Abwicklung von HTTP-Anfragen

im Internet abgestimmt sind.

Außerdem kommen Netzteile

mit möglichst geringer Abwärme und Lüfter mit geringerem

Reibungswiderstand zum Einsatz. “Wir gehen Komponente für Komponente

durch”, sagt Schmidt. Webseiten und Daten mit besonders hohen Abrufzahlen

werden auf File-Servern des Herstellers NetApp gelagert, um den Stromverbrauch

von Festplattenzugriffen einzusparen.

Bei der Gebäudetechnik

richtet sich der Blick vor allem auf die erforderliche Kühlung der

Server. Bei niedrigen Temperaturen kommt in den Strato-Rechenzentren eine

Wasserkühlung zum Einsatz, die weniger Energie verbraucht als die

Kompressionskühlung. Um auch kleinste Einsparmöglichkeiten aufzuspüren,

arbeitet Strato mit der TU Berlin zusammen.

WEB-DESIGN UND KLIMASCHUTZ

Das Design von Webseiten

beeinflusst nicht nur die Ladezeiten im Browser, sondern auch den Strombedarf,

der für die Bereitstellung der Daten erforderlich ist. Was bei einer

einzelnen Webseite kaum ins Gewicht fällt, summiert sich bei Millionen

von Internet- Auftritten zu einer im Sinne des Klimaschutzes vermeidbaren

Stromverschwendung.

– Schlechter HTML- Code,

umständliche Skripte und nicht gepflegte Datenbanken verlängern

die Ladezeiten von Webseiten. Daher sollten Inhalt und Layout mit Hilfe

von CSS sauber voneinander getrennt werden. Bilddateien sollten so klein

wie möglich gehalten werden.

– In MySQL- Datenbanken sollten

überflüssige Daten entfernt werden, um die Zugriffszeiten kurz

zu halten. Zu einer derart verstandenen Web- Hygiene gehört auch,

dass Multimedia- Elemente zurückhaltend und nur dort eingesetzt werden,

wo sie wirklich sinnvoll sind. (AP)

Ein großes Potenzial

für effizienteren Stromverbrauch sieht Schmidt in der Software-Entwicklung:

“Schlecht geschriebener Code ist ein Klimakiller.” Denn wenn der Prozessor

wegen komplizierter Software-Befehle mehr arbeiten muss als nötig,

wird entsprechend mehr Strom verbraucht. “Wir haben durch schlecht geschriebene

PHP-Skripte eine hohe Ressourcenbelastung”, sagt Schmidt. Was sich im Einzelfall

kaum bemerkbar macht, wird bei millionenfacher Verwendung zum Kosten- und

Klimafaktor.

Alle Maßnahmen zusammengenommen

haben Schmidt zufolge bewirkt, dass der Energieverbrauch pro Kunde in den

vergangenen zwei Jahren um 30 Prozent gesenkt werden konnte. Aber die Zahl

der Internet-Nutzer nimmt ja weiter zu, und auch die Datenflut ist ungebrochen.

Bis 2010 soll sich die Menge der jährlich produzierten digitalen Daten

nach einer Schätzung des Marktforschungsinstituts IDC auf 988 Exabyte

versechsfachen, das sind 988 Milliarden Gigabyte. Entsprechend weitreichende

Initiativen sind notwendig, um den Beitrag der IT-Branche zur globalen

Erwärmung einzudämmen.

 

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