RootZ.Öko – Artikel aus der Umwelt

 
Spiegel

online 13.09.07

AUTOMESSE IAA

Öko kommt – ohne

die Deutschen

Von Thomas Hillenbrand

Wasserstoff, Brennstoffzellen,

Hybridantrieb – das Auto wird neu erfunden. Doch die Deutschen, früher

Technologie-Führer, hinken der Konkurrenz hinterher. Mercedes, VW

und Konsorten geben auf ihrer Hausmesse IAA ein klägliches Bild ab

– und sperren sich gegen den Wandel.

Zwei Tage lang war die Internationale

Automobilausstellung (IAA) die grünste Messe der Welt. Bei Mercedes

tanzten Waldgeister um die Karossen, General Motors servierte Ökohäppchen,

die Spritsparmodelle standen überall im Mittelpunkt. Doch nun, da

die Pressemeute sowie die Grünen-Politiker abgereist sind und das

normale Publikum vor den Toren steht, wird in Frankfurt hastig umgebaut.

Daimler etwa hat seine Zukunftsflotte

umgeparkt – damit mehr Platz ist für die Präsentation des Supersportlers

SLR. Auch der hauseigene Mercedes-Tuner AMG bekommt nach dem Ende der Presse-Tage

einen größeren Stand – die Fans wollen schließlich Geschosse

wie den neuen C 63 AMG mit seinen 500 PS bewundern und interessieren sich

nicht für Elektrowägelchen.

War die Öko-Offensive

der deutschen Hersteller auf der IAA also größtenteils Show?

Leider ja. Nachdem sich der Trockeneisnebel verzogen hat, wird noch deutlicher,

wie blank Mercedes-Benz und andere bei Themen wie Hybridantrieb, CO2-Emissionen

oder Gewichtsreduktion tatsächlich sind. Die deutschen Konzerne werden

etliche Jahre brauchen, um bei Öko-Autos wieder die Führung zu

übernehmen. Wenn sie es überhaupt schaffen.

Nichts zu verkaufen

Die meisten in Frankfurt

vorgestellten Saubermänner sind Konzepte und Studien. Keines der bei

Mercedes (F700), Volkswagen (Up) oder Opel (E-Flex) gezeigten Modelle dürfte

auf der nächsten IAA als Serienwagen zu sehen sein – vielleicht auf

der übernächsten, 2011. Eine halbwegs passable Figur machen lediglich

die Bayerischen Motorenwerke (BMW), deren Baukasten aus spritsparenden

Technologien bereits in Hunderttausenden realen Autos Verwendung findet.

Und selbst für die paar

umweltfreundlichen IAA-Premieren, die demnächst zum Händler kommen,

muss sich die Autonation Deutschland eigentlich schämen. In VWs Bluemotion-Modelle

beispielsweise ist wenig Revolutionäres zu finden. Die Wolfsburger

Techniker haben einfach den Unterboden geglättet, um den Luftwiderstand

zu verbessern. Und leicht laufende Reifen aufgezogen. Von der technologisch

weltweit einst führenden deutschen Autoindustrie hätte man mehr

erwartet.

Stattdessen zeigen weiterhin

Japaner oder Franzosen, wie Innovation aussehen kann. Citroën etwa

hat für seine überzeugende Studie Cactus ein völlig neues

Autodesign entwickelt, mit ungewöhnlicher Ästhetik und drastisch

niedrigerem Gewicht. Bei Hybridantrieben, die Verbrennungs- und Elektromotor

kombinieren, bleibt weiterhin Toyota führend. Von deren Ökoauto

Prius wurde bereits eine Million verkauft, während die Deutschen noch

nicht einmal ein konkretes Startdatum nennen können.

Offenbarungseid der Lobbyisten

Wie wenig Verve die Vorstandschefs

der europäischen Hersteller beim Thema Klimaerwärmung und Ökologie

tatsächlich an den Tag legen, ließ sich am Mittwoch auf der

vielleicht bestbesetzten Pressekonferenz der IAA beobachten. Im Saal “Illusion”

hatten sich unter anderem Dieter Zetsche (DaimlerChrysler), Carlos Ghosn

(Renault/Nissan), Christian Streiff (PSA Peugeot Citroën), Norbert

Reithofer (BMW) und Sergio Marchionne (Fiat) versammelt, um ihre Position

zur CO2-Reduktion zu erläutern. Sie lässt sich folgendermaßen

zusammenfassen: Wieso denn wir? Und warum schon jetzt?

Das EU-Ziel, den CO2-Ausstoß

aller Neuwagen bis 2012 auf 120 g/km zu reduzieren, lehnen die Automänner

ab. Man brauche nach der politischen Entscheidung “sechs bis sieben Jahre

Vorlauf”, erklärte Marchionne. Oder anders gesagt: Vor 2015 wird das

nichts mit dem Klimaschutz. Auch zu diesem späten Zeitpunkt wollen

die europäischen Hersteller das CO2-Ziel nicht alleine durch Spritspartechnologie

erreichen – andere Teile der Gesellschaft müssten mithelfen. “Integrierter

Ansatz” heißt das im Lobby-Sprech.

Diese Position ist insofern

verständlich, als die Autohersteller bei einem Scheitern der Klimaziele

ansonsten als die alleinigen Schuldigen dastünden. So wie beim letzten

Mal: 1998 hatte der Hersteller-Branchenverband ACEA der EU-Kommission versprochen,

die Emissionen bis 2008 auf 140g/km zu senken. Dieses Versprechen hat die

Autoindustrie gebrochen. ACEA verweigert der Öffentlichkeit wohl auch

deshalb aktuelle Zahlen zur Kohlendioxid-Bilanz ihrer Mitglieder. “Die

Autoindustrie verhüllt ihre tatsächliche Situation wie einst

Christo den Reichstag”, höhnt Jürgen Resch, Chef der Deutschen

Umwelthilfe.

Boom ohne die Deutschen

Renitente Lobbyisten, ein

paar kleine Fahrzeugmodifikationen und millionenschwere PR-Kampagnen werden

diesmal allerdings nicht ausreichen, das Ökoproblem zu lösen.

Die jüngsten Zahlen belegen, dass die Nachfrage nach umweltfreundlichen

Autos stetig steigt: Bis Ende Juli wurden in Deutschland 27 Prozent mehr

Autos abgesetzt, die weniger als 130 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer ausstoßen.

Öko sells – das Geschäft machen jedoch vornehmlich ausländische

Hersteller.

Weil nichts Unternehmen so

effektiv Beine macht wie Veränderungen bei der Nachfrage, besteht

die Chance, dass die deutschen Hersteller doch noch in die Gänge kommen.

Das Potential ist vorhanden: So ist etwa Mercedes bei Brennstoffzellen

der unumstrittene Technologieführer. Und weil Hybridmotoren nach Ansicht

vieler Experten ohnehin nur eine Übergangstechnologie sind, haben

die Deutschen eine realistische Chance, in einigen Jahren mit Elektromotoren

und Wasserstoff-Fahrzeugen wieder weltweit in Führung zu gehen.

Das Auto wird neu erfunden

– hoffentlich in Deutschland.

 

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