RootZ.Öko – Artikel aus der Umwelt

 
Spiegel

online 25.09.07

KLIMASTUDIE

Die Pseudo-Grünen

vom BDI

Von Michael Kröger

Mit einer bei der Unternehmensberatung

McKinsey bestellten Studie versucht der BDI, sich als Freund des Klimaschutzes

zu profilieren. Das Papier entpuppt sich bei genauer Lektüre als Kampfansage

– der Industrieverband will Umweltschutz nur, wenn er möglichst wenig

kostet.

Berlin – Fehlendes Selbstbewusstsein

kann man den Autoren nicht nachsagen. “Als erstes Land der Welt verfügt

Deutschland mit dieser Studie über eine umfassende und objektive,

auf einer einheitlichen Methodik basierende Bewertung von mehreren Hundert

Einzelmaßnahmen zur Vermeidung von Treibhausgasemissionen in allen

Bereichen der Gesellschaft”, heißt es im Vorwort der 70 Seiten umfassenden

Analyse. Heute präsentierten BDI-Präsident Jürgen Thumann

und McKinsey-Chef Frank Mattern die Ergebnisse der Studie.

Für ihre Bewertung gingen

die Berater nach eigenem Bekunden einer lebensnahen Fragestellungen nach:

“Was würde es kosten, die von der Politik vorgegebene Reduzierung

des CO2-Ausstoßes zu verwirklichen?” Die Antwort fällt allerdings

weit komplizierter aus, als es die Fragestellung vermuten lassen würde.

Auf den ersten Blick lautet

die Antwort der Studienautoren: Klimaschutz rechnet sich und beeinträchtigt

die wirtschaftliche Entwicklung nicht. Immerhin: Eine Feststellung, die

man vom BDI so nicht erwartet hätte. Schließlich haben die im

Verband vertretenen Autohersteller, Stahlwerker oder Kraftwerksbetreiber

bislang regelmäßig jede Umweltauflage als Schwächung ihrer

Konkurrenzfähigkeit gebrandmarkt.

Berechtigte Selbstkritik

Die Autoren fragten für

ihre Studie bei rund 70 Unternehmen und Verbände nach ihrer Bewertung

-und diskutierten die Aussagen anschließend mit unabhängigen

Experten. Die konkret ermittelten Zahlen könnte man durchaus als herbe

Selbstkritik werten: immerhin 127 Millionen Tonnen an schädlichen

Treibhausgasen könnten jährlich vermieden werden, ohne dass zusätzliche

Kosten entstünden – wenn nur die bereits vorhandenen Technologien

konsequent eingesetzt würden.

Weitere 14 Millionen Tonnen

seien mit vertretbarem Aufwand zu realisieren. Damit sei eine Senkung des

Ausstoßes um 26 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 möglich.

Der Wert ließe mit durchaus verkraftbaren Mehrkosten auf 31 Prozent

steigern, schreiben die Autoren der Studie. Dazu müssten Kraftwerksbetreiber

vermehrt auf erneuerbare Energien zurückgreifen.

… und dann der Appell:

Sparen sollen vor allem die anderen

Doch die Kompromissbereitschaft

des BDI ist eng begrenzt. Eine Verminderung der Treibhausgase bis 2020

um 40 Prozent, wie sie die Bundesregierung von Angela Merkel anstrebt,

will man nicht bezahlen – es sei denn, der geplante Atomausstieg würde

kassiert. Um zehn Jahre verlängerte Laufzeiten brächten sieben

bis acht Prozentpunkte Minderung, rechnete Thumann vor. Die 30-Prozent-Marke

bei der Treibhausgas-Reduktion bedeutet für den BDI die rote Linie,

die man nicht zu überschreiten gedenkt.

Der BDI erklärt sich

also zum Klimaschutz bereit – solange er möglichst wenig kostet.

Ginge es ausschließlich

danach, wo Klimaschutz am billigsten ist, wären der Studie zufolge

in erster Linie die deutschen Hausbesitzer gefordert. An sie ergeht der

Appell, in Dämmungen und neue Heizungen zu investieren. Neun Zehntel

dieser Sanierungsmaßnahmen spielen demnach binnen 15 Jahren die Kosten

wieder ein – dank Einsparungen bei Strom- und Heizung. Zunächst allerdings

wird es teuer: Für die Sanierung eines 32 Jahre alten, 120 Quadratmeter

großen Einfamilienhauses setzt die Studie insgesamt 93.500 Euro an.

Für die Industrie selbst

sehen die Experten unter dem Strich kaum noch Minderungspotential. Zwar

lasse sich die Energieeffizienz weiter jährlich um 1,6 Prozent steigern,

und 41 Millionen Tonnen Treibhausgase ließen sich für 20 Euro

pro Tonne oder weniger vermeiden. Die Minderung würde aber durch das

erwartete Wirtschaftswachstum von zwei Prozent jährlich aufgefressen,

sagte McKinsey-Chef Mattern.

“Theoretisch” wären

dann noch weitere 58 Millionen Tonnen Einsparung möglich, allerdings

zu Vermeidungskosten von “mehreren 1000 Euro je Tonne CO2”, wie es weiter

heißt. Würde jede Möglichkeit unabhängig von den Kosten

genutzt, käme man McKinsey zufolge lediglich auf 35 Prozent Minderung

bis 2020.

BUND: Chancen von verbrauchsarmen

Pkw werden verkannt

Trotz der klaren Grenzen,

die die Industrie dem Klimaschutz setzt: Umweltschützer zeigen sich

zunächst einmal erfreut, dass der BDI sich überhaupt bewegt hat.

“Immerhin zeigen einige Schlussfolgerungen in der Studie, dass der BDI

seine Jahre lange Blockadepolitik gegen jede Form von Umweltschutz allmählich

aufzugeben bereit ist”, sagt Matthias Seiche, Leiter der Abteilung Energiepolitik

beim Bund für Umwelt und Naturschutz. Allerdings lasse das Papier

etliche Sparpotentiale außer Acht. So würden etwa die Chancen

im Automobilbau zur Entwicklung verbrauchsarmer Pkw nicht berücksichtigt.

Auch die CO2-Minderung durch

den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung – einer Kombination von Strom-

und Wärmeerzeugung – bleibe unberücksichtigt. “Thumann sollte

sich noch einmal die Prognos-Studie des Bundeswirtschaftsministeriums ansehen”,

sagt Seiche. Diese weise nach, dass eine 40-prozentige Verringerung der

Treibhausgase ohne Atomkraft möglich sei.

Die Industrie rede ihre eigenen

Fähigkeiten klein, findet Seiche: “Viele Technologien zum Klimaschutz

kommen aus deutschen Ingenieurbüros.” Diese Technik werde in aller

Welt nachgefragt. Wenn man schon eine Bilanz der Kosten und Gewinne des

Klimaschutzes errechne – dann müsse man auch diese Export-Profite

berücksichtigen.

 

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