RootZ.Öko – Artikel aus der Umwelt

 
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online 27.11.07

Angebot von Guyana an

London

Tausche Urwald gegen

Geld

VON WOLFGANG KUNATH

Rio de Janeiro. Die Regierung

von Guyana hat angeboten, im Tausch gegen Entwicklungshilfe die intakten

Urwälder des Landes unter internationalen Schutz zu stellen. Der Beitrag

zum Klimaschutz könnte die Wirtschaft des Landes ankurbeln, sagte

Präsident Bharrat Jagdeo.

Mit seinem Vorschlag wendet

sich der Staatschef der ehemals britischen Kolonie an die Regierung in

London. Sie könne jetzt zeigen, wie ernst es ihr mit dem Kampf gegen

den Treibhauseffekt sei, sagte Jagdeo. Der Präsident will allerdings

nicht die Steuerzahler des früheren Mutterlandes zur Kasse bitten.

Er schlägt vor, dass die britische Regierung zugunsten Guyanas private

Investitionen auf dem internationalen Markt für Kohlendioxid-Emissionsrechte

fördert.

“Ich werde wütend, wenn

ich die hochfliegenden Vorträge höre und sehe, wie sich die entwickelte

Welt gegenseitig auf die Schulter klopft”, sagte Jagdeo, ein 43jähriger

Wirtschaftswissenschaftler, dem Londoner “Independent”. Die reiche Welt

müsse mehr gegen die Abholzung der Wälder unternehmen. Das Verbrennen

des Holzes stelle ein Fünftel aller CO2-Emissionen dar – mehr als

der Beitrag des weltweiten Transportsektors, den Flugverkehr eingeschlossen.

Das Land von der Größe

Großbritanniens liegt zwischen Venezuela, Brasilien und Surinam,

die 750 000 Einwohner leben meistenteils im Küstenstreifen. Der bereits

1989 dem Commonwealth zur Verfügung gestellter Nationalpark Iwokrama

gilt als Pilotprojekt für das, was dem Regierungschef für das

ganze Land vorschwebt. Die dort arbeitenden Wissenschaftler schätzen,

dass Iwokrama 120 Millionen Tonnen Kohlenstoff aufnehmen kann – die Größenordnung

der jährlichen Emissionen Großbritanniens.

Der Direktor von Iwokrama,

David Singh, sagte, wenn ein souveräner Staat ein solches Angebot

mache, sollte die Welt aufhorchen: “Es gibt kein anderes Beispiel eines

Landes, das seinen Wald der internationalen Gemeinschaft zum Schutz überlassen

will.”

Allerdings ähnelt der

Vorstoß dem überraschenden Vorschlag Ecuadors, ein großes

Erdöl-Feld unter einem besonders artenreichen Stück Amazonaswald

auf unabsehbare Zeit unangetastet zu lassen. Dafür solle die internationale

Gemeinschaft die Hälfte der zu erwartenden Gewinne bezahlen. Das wären

350 Millionen Dollar auf nur zehn Jahre, weil danach die Ausbeute absänke

– eine Größenordnung, die in Anbetracht des Klimawandels nicht

unrealistisch ist.

Dass Wirtschaftsentwickelung

die Abholzung bremsen kann, beweist auch die brasilianische Stadt Manaus.

Ende der fünfziger Jahre, als noch niemand von Klimawandel sprach,

wurde die verfallene Kautschuk-Metropole zu einer Freihandelszone. In dieser

Zone stellen heute, angelockt durch massive Steuervorteile, rund 500 teils

internationale Unternehmern Motorräder, Autoteile, Computer, Fernseher

und Handys her.

In Manaus leben 1,7 der 2,8

Millionen Einwohner des Bundesstaates Amazonas, der so groß ist wie

die Mongolei. Aber dort sind 98 des Urwaldes unangetastet. Denn abgeholzt

wird vor allem in den Staaten, wo es wenig Industrie und viel Landwirtschaft

gibt. Dort, wo es den Menschen an Möglichkeiten mangelt, Geld anders

zu verdienen als durch die Zerstörung der Wälder.

 

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