RootZ.Öko – Artikel aus der Umwelt

 
Spiegel

online 10.12.07

UMWELTSTREIT IN KANADA

BP will Öl aus Sand

fördern

Von Christian Stöcker

Der hohe Ölpreis lässt

Kanadas Regierung hoffen: Endlich lohnt sich die Ausbeutung ölhaltiger

Sande in der Provinz Alberta. Nun steigt der Branchengigant BP ein, der

sich eben noch als Umweltschützer profilieren wollte. Ölsandförderung

jedoch ist ein äußerst schmutziges Geschäft.

Die Narben, die Kanadas Ölindustrie

in Nähe von Fort McMurray schlägt, sind sogar aus dem All zu

sehen: riesige Flächen, die auf Satellitenbildern grau erscheinen,

umgeben von den sattgrünen Wäldern, die eigentlich die Landschaft

in dieser Region prägen. Kanada möchte zur Ölweltmacht aufsteigen,

und da müssen die Bäume eben weichen. Hier sei “das größte

Klimawandel-Verbrechen aller Zeiten” im Gange, findet man bei Greenpeace.

Und ausgerechnet BP, das Unternehmen, das sich gerade als zukunftsorientiert

grüner Energieversorger präsentieren möchte und seine Intialen

deshalb zum Akronym für “Beyond Petroleum” umgedichtet hat, will nun

mitmachen bei der Spritgewinnung aus klebrigen Böden.

Die bestehen aus Lehm, Quarzsand,

Wasser und bis zu zwölf Prozent zähem Bitumen – einer klebrigen

schwarzen Substanz, Quelle der Hoffnungen kanadischer Politiker. Die Lokalregierung

feiert den Abbau als “Triumph technologischer Innovation”. Kritiker warnen

vor Umweltzerstörung und einem gewaltigen CO2-Ausstoß.

In Alberta wird im Tagebau

Ölsand gefördert (mehr…). Auf einer Fläche von 77.000

Quadratkilometern befinden sich hier die größten wirtschaftlich

nutzbaren Ölsandvorkommen weltweit. Die Reserven werden auf 27 Milliarden

Tonnen geschätzt. Damit besitzt Kanada nach Saudi-Arabien die größten

Ölreserven der Welt. Schon heute fördert Alberta täglich

1,2 Millionen Barrel (je 159 Liter). Im Jahr 2015 sollen es täglich

2,6 Millionen Barrel sein, bis 2030 bis zu 5 Millionen.

Der notwendige Aufwand ist

gigantisch, die Werkzeuge titanisch: Die größten Bagger der

Welt wühlen mit ihren Schaufeln Ölsand aus den Flözen und

entladen ihn dann auf Spezialtransporter mit einem Eigengewicht von je

200 Tonnen und vier Meter hohen Reifen. Bis zu 400 Tonnen Ölsand auf

einmal können sie aufnehmen. Zwei Motoren mit zusammen 3500 PS Leistung

bewegen die Ladung dann im Zeitlupentempo zur Weiterverarbeitung.

Damit aus dem schwarzen,

klebrigen Sand Rohöl wird, sind viele teure Arbeitsschritte nötig:

Ölsandklumpen werden zerkleinert, dann mit heißem Wasser zu

einer halbflüssigen Mixtur vermischt und in Extraktionsanlagen gepumpt.

Hier wird das Bitumen in Zentrifugen von Sand, Ton und Wasser getrennt,

bevor es dann in sogenannten Upgrader zu handelsüblichem Leichtöl

aufbereitet wird. Im Durchschnitt braucht man zwei Tonnen Ölsand,

um ein Barrel (159 Liter) Rohöl herzustellen. Und erzeugt dabei, zumindest

laut Greenpeace, bis zu 125 Kilogramm CO2. Ein Barrel Rohöl aus herkömmlicher

Förderung verursache dagegen nur etwa 29 Kilogramm Kohlendioxid. Das

benutzte Wasser sei am Ende des Verarbeitungsprozesses so kontaminiert,

dass es nicht in Ökosysteme zurückgegeben werden kann, sondern

in gigantischen Abwasserseen aufbewahrt werden muss.

Lukrativ noch bei 40 Dollar

pro Barrel?

Ein BP-Sprecher teilte auf

Anfrage von SPIEGEL ONLINE mit, auch mit der neuen Abbaumethode, die man

im sogenannten “Sunrise”-Feld, etwa 300 Kilometer südlich von McMurray

anwenden will, sei das Verfahren “zweifellos energieintensiv”. Man werde

mehr CO2 pro Barrel produzieren als mit herkömmlichen Methoden der

Erdölförderung. Wieviel mehr genau, hänge aber von der Technologie

ab, die man erst noch weiterentwickeln wolle. In jedem Fall lohne sich

der Abbau selbst dann noch, wenn der Ölpreis wieder “bis knapp über

40 Dollar pro Barrel” sinken sollte.

BP will in Alberta nicht

in den Tagebau einsteigen, sondern den Ölschlamm mit Dampf aus dem

Boden spülen: Die sogenannte Steam Assisted Gravity Drainage (SAGD)

ist die Methode der Wahl. Dabei wird das Sand-Bitumen-Gemisch in 75 Metern

Tiefe oder noch mehr zunächst mit heißem Dampf gelöst.

Das verflüssigte Bitumen fließt ab in ein tieferes Bohrloch

und wird von dort an die Oberfläche gepumpt. Umweltschützern

zufolge verbraucht diese Methode allerdings sehr viel Energie. Bei BP schätzt

man, dass man etwa 28 Kubikmeter Erdgas brauchen wird, um ein einziges

Barrel unraffiniertes Bitumen zu fördern.

Die zehn größten

Erdölförderer

1  Saudi-Arabien 

525,0

2  Russische Föderation 

485,0

3  USA  313,6

4  Iran  198,0

5  China  186,0

6  Mexiko  185,5

7  Kanada  152,0

8  Venezuela 

151,0

9  Arabische Emirate 

137,7

10  Norwegen 

130,0

Angaben: Millionen Tonnen

(2006), Quelle: Esso-Studie Oeldorado 2007

Bis vor wenigen Jahren war

den meisten Ölfirmen der Aufwand zu groß – inzwischen aber sind

erstens die Methoden effizienter geworden und zweitens ist der Ölpreis

in nie dagewesene Höhen gestiegen. Aktuell kostet ein Barrel über

87 Dollar – in den vergangenen Wochen kratzte der Preis aber auch schon

an der 100-Dollar-Marke. Ein Barrel Rohöl aus Sand kostet derzeit

in der Förderung etwa 15 Dollar, ein Barrel aus dem saudischen Wüsenboden

unter 1 Dollar. Auch BP-Manager hatten vor einigen Jahren noch erklärt,

es gebe wesentlich erfolgversprechendere Wege zum Öl als durch den

Sand, man hatte sogar Anteile an kanadischen Sandölfeldern verkauft

– nun aber hat man dieses Urteil offenbar revidiert.

Drei Milliarden Dollar wollen

BP und der lokale Kooperationspartner Husky Oil eigenen Angaben zufolge

bis zum Jahr 2012 in das “Sunrise”-Feld investieren. Noch einmal 2,5 Milliarden

sollen in Raffinerie-Kapazität gesteckt werden – in den USA. Denn

dorthin sollen die Fördermengen transportiert werden – Kanada gilt

dem südlichen Nachbarn inzwischen als verlässliche Alternative

zu den ölreichen Staaten im Mittleren Osten (mehr…). Man werde,

teilte Bob Malone, der Präsident von BP America mit, “Milliarden Dollar

investieren, um die nordamerikanische Energieversorgung zu erweitern und

die nordamerikanische Energiesicherheit zu verbessern”.

Die Erdölindustrie klassifiziert

ihr Rohöl nach drei Kriterien: Herkunft, Dichte (Gewicht im Verhältnis

zu Wasser) und Schwefelgehalt. Rohöl mit einer hohen Dichte wird entsprechend

als “schwer” (“heavy”), mit einer geringeren Dichte als leicht (“light”)

bezeichnet. Rohöl mit einem hohen Schwefelgehalt gilt als “sauer”,

ein geringer Schwefelgehalt macht das Öl “süß”. Je schwerer

und saurer das Rohöl ist, desto aufwändiger ist seine Verarbeitung

zum Beispiel zu Benzin oder Kerosin. Leichtes und schwefelarmes Rohöl

ist gefragter und damit teurer als schweres.

Weltweit gibt es mehrere

Dutzend Rohölsorten aus unterschiedlichen Regionen, die unterschiedlich

in ihrer Qualität sind. Die Herkunft reicht von Algerien bis Venezuela.

Wichtigste Sorten sind die amerikanische Marke West Texas Intermediate

(WTI) und das aus 15 Nordseeölfeldern stammende Brent. Hinzu kommen

etwa die Rohölsorten aus den Erdöl exportierenden Ländern

(OPEC), zum Beispiel die die Sorte “Arab Light” aus Saudi-Arabien oder

“Bonny Light” aus Nigeria.

An den Terminbörsen

werden mehrere sogenannte Referenzöle gehandelt mit einem standardisierten

Leitwert. Abhängig von ihrer Qualität werden die übrigen

Sorten mit einer Prämie oder einem Abschlag zur Leitsorte gehandelt.

Referenzsorte ist die vor

allem in Amerika gehandelte Marke WTI und das aus der Nordsee stammende

und in London gehandelte Brent. WTI ist leichter und schwefelärmer

als Brent und somit meist einige Dollar teurer pro Barrel. Die Produktion

beider Sorten geht seit einiger Zeit zurück, dennoch sind sie nach

wie vor die beiden wichtigsten Referenzöle.

Hinzu kommt etwa der von

der Organisation Erdöl exportierender Länder (OPEC) veröffentlichte

Korbpreis für Rohöl. Er wird auf Grundlage der elf von seinen

Kartellmitgliedern produzierten Sorten berechnet. Opec-Öl ist meist

schwerer und saurer als WTI und Brent und damit billiger.

Preisanstiege und -abschläge

verlaufen also meist für alle Sorten parallel. Jedoch schwanken die

Preise jeder Sorte, wenn sie mehr oder weniger nachgefragt oder gefördert

werden.

Dem britischen “Independent”

sagte ein Greenpeace-Sprecher: “Dass BP sich an diesem Geschäft beteiligt,

ist nicht nur ein Schlag ins Gesicht ihrer eigenen Rhetorik, sondern diese

Vorräte sollten im Zeitalter des Klimawandels überhaupt nicht

gefördert werden.” Ein BP-Sprecher antwortete: “Diese Vorkommen wären

ohnehin erschlossen worden.”

 

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