RootZ.Öko – Artikel aus der Umwelt

 
Spiegel

online 14.12.07

BALI-KLIMAKONFERENZ

Etappensieg für

die Bremser

Aus Nusa Dua berichtet Markus

Becker

Die USA haben auf Bali offenbar

einen Etappensieg errungen: Ein neuer Entwurf für die Abschlusserklärung

der Uno-Klimakonferenz enthält keine mittelfristigen Ziele zur Reduzierung

des Treibhausgas-Ausstoßes mehr. Die EU will sich allerdings noch

nicht geschlagen geben.

Nusa Dua – Der Showdown um

die künftige internationale Klimapolitik nähert sich seinem Höhepunkt.

Inzwischen haben die Delegationen in mehreren Streitfragen Fortschritte

erzielt, wie EU-Umweltkommissar Stavros Dimas am Freitag auf Bali erklärte.

Es gebe ein Übereinkommen auf dem wichtigen Gebiet des Technologietransfers

von den reichen in die armen Länder. Einig sei man sich inzwischen

auch über den Schutz der Wälder und das sogenannte “Capacity

Building”, die Hilfe zur Selbsthilfe für die Entwicklungsländer.

Doch das alles dürfte

noch nicht reichen, um die Bali-Konferenz zu einem Erfolg zu machen – denn

in der zentralen Frage der Reduzierung des Treibhausgas-Ausstoßes

gibt es nach wie vor keine Einigung. Die USA sind strikt dagegen, verbindliche

Ziele in die Bali-Abschlusserklärung aufzunehmen. Dies greife den

Verhandlungen der nächsten zwei Jahre bis zum Uno-Klimagipfel in Kopenhagen

vor, so das Argument der US-Delegation. Die EU fordert dagegen eine Festlegung

der Industrienationen zur Ausstoß-Minderung um 25 bis 40 Prozent

bis 2020 gegenüber 1990.

Keine verbindlichen Zahlen

in Kompromissvorschlag

Doch den USA ist es nun offenbar

gelungen, dieses für die EU wichtige mittelfristige Ziel aus einem

neuen Entwurf für die Abschlusserklärung zu kippen. Der Kompromissvorschlag

des Gastgeberlandes Indonesien enthält nur noch ein langfristiges

Ziel. Demnach sollen die weltweiten Emissionen in den nächsten 10

bis 15 Jahren ihren Höhepunkt erreichen und dann bis 2050 klar unter

die Hälfte des Niveaus des Jahres 2000 fallen.

Yvo de Boer, Chef des Uno-Klimasekretariats,

sieht darin allerdings keinen bedeutenden Nachteil. “Wenn man sich die

IPCC-Berichte anschaut, wird klar, dass eine Reduktion zwischen 25 und

40 Prozent bis 2020 ein notwendiger Zwischenschritt ist, wenn man eine

50-Prozent-Reduktion bis 2050 erreichen will.”

Doch die Europäer sind

mit diesem Vorschlag alles andere als einverstanden. “Wir bestehen weiterhin

darauf, eine Referenz für die Senkung der Emissionen der Industrieländer

bis 2020 aufzunehmen”, betonte Dimas – und zwar auf Basis der Empfehlungen

des IPCC, was auf besagte 25 bis 40 Prozent hinausliefe. “Der Bali-Fahrplan

muss den Verhandlungen der nächsten zwei Jahre ein klares Ziel geben”,

so der EU-Umweltkommissar.

Es sei zudem unerlässlich,

dass zwischen Industrie- und Entwicklungsländern unterschieden werde.

“Die Zeit für die Industrienationen, ihrer Verantwortung gerecht zu

werden, läuft ab”, so Dimas.

Japan, Australien, Kanada,

USA bremsen

Laut de Boer konzentrieren

sich die Verhandlungen derzeit auf die Frage, wie spezifisch die Ergebnisse

des IPCC in der Abschlusserklärung genannt werden. In der vergangenen

Nacht hätten die Delegationen bis 3.15 Uhr morgens um eine Lösung

gerungen. “Manche Teilnehmer erliegen der Versuchung, über Themen

zu diskutieren, die angesichts ihrer Komplexität besser am ersten

als letzten Tag der Konferenz behandelt worden wären.”

Ex-US-Vizepräsident

und Friendsnobelpreisträger Al Gore hatte in seiner gestrigen Rede

auf Bali dazu aufgerufen, die US-Delegation einfach zu ignorieren und ohne

die Amerikaner eine Einigung zu finden. Das aber hält de Boer für

wenig praktikabel: “Es ist unmöglich, eine Entscheidung ohne die Zustimmung

der USA zu erreichen.” Eine solche Entscheidung wäre “sinnlos”, wenn

sie nicht die größte Wirtschaft und den größten Treibhausgas-Verursacher

der Welt mit einschließe.

Allerdings sind es nicht

nur die USA allein, die bei der Klimakonferenz auf der Bremse stehen. Auch

Japan, Kanada und Australien wehrten sich gegen die Nennung konkreter Ziele

zur Senkung des Treibhausgas-Ausstoßes. Inzwischen werden sie von

Russland verstärkt: Der Kreml lehne jegliche Festlegung auf mittelfristige

Klimaziele ab, kritisierte Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD). “Die

Russen akzeptieren nicht mehr das, was sie noch vor vier Wochen in Wien

unterschrieben haben.”

Dort hatten die Staaten,

die das Kyoto-Protokoll ratifiziert haben, übereingestimmt, dass die

Industriestaaten bis 2020 ihre Emissionen um 25 bis 40 Prozent reduzieren

müssen. Das Problem sei in Russland wie in den USA, dass es keine

nationale Strategie zur Minderung der Treibhausgase gebe und dass sich

die Staaten deshalb nicht international auf ein Ziel festlegen wollten,

sagte Gabriel.

Weitgehender Konsens besteht

derzeit nur über eines: dass überhaupt über ein Kyoto-Nachfolgeabkommen

verhandelt und dass dies bis Ende 2009 abgeschlossen werden soll. Inzwischen

glaubt de Boer, dass die ursprünglich geplante Zeit für die Konferenz

weit überschritten wird: “Weise Minister haben ihren Flug nicht vor

Samstagabend gebucht.”

 

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