RootZ.Öko – Artikel aus der Umwelt

 
Spiegel

online 14.12.07

UNO-KONFERENZ

Ausgerechnet Bushs Klimalügner

verhandelt auf Bali

Von Christian Stöcker

Seit Jahren verzerrt, verfälscht

und verschweigt die Regierung Bush systematisch Erkenntnisse über

den Klimawandel. Ein Kongressbericht dokumentiert nun, wie Forscher und

Behörden unter Druck gesetzt wurden. Der Chefpropagandist: einer der

Verhandlungsführer der USA auf Bali.

Der Bericht des “Committee

on Oversight and Government Reform” (COGR) lässt an Deutlichkeit nichts

zu wünschen übrig: “Die Regierung Bush hat systematische Anstrengungen

unternommen, um die Erforschung des Klimawandels zu manipulieren und Politiker

und die Öffentlichkeit hinsichtlich der Gefahren der globalen Erwärmung

in die Irre zu führen.”

Vertreter des Weißen

Hauses und andere politische Beamte hätten beispielsweise

    * “Aussagen

vor dem Kongress über die Ursachen und Auswirkungen der globalen Erwärmung 

      

zensiert”,

    * “den

Zugang der Medien zu Klimawissenschaftlern der Regierung kontrolliert”

    * und

“wissenschaftliche Bundesberichte nachbearbeitet, um unvertretbare Unsicherheit

in die 

     

Diskussion über den Klimawandel zu bringen und die Bedrohung für

Umwelt und Wirtschaft 

     

kleinzureden”.

Besonders der frühere

Stabschef Philip Cooney des “Council on Environmental Quality” (CEQ) und

dessen Vorsitzender James Connaughton haben sich durch zum Teil unverhohlenen

Druck auf Forscher und Beamte hervorgetan. Ebenjener James Connaughton

vertritt auf Bali derzeit die Interessen der USA (mehr…). Gerade erst

hat er beteuert, die USA wollten einen Beitrag dazu leisten, dass ein globales

Klimaschutz-Abkommen zustande kommt. In den vergangenen Jahren war er dem

Bericht zufolge daran beteiligt, Politiker und Öffentlichkeit in den

USA systematisch in die Irre zu führen.

Dass die Regierung von Präsident

George W. Bush Wissenschaftler und Beamte gegängelt, Berichte umgeschrieben,

verstümmelt oder ganz unterschlagen hat, ist bekannt, hat sogar schon

zu höchstrichterlichen Ermahnungen und Protestaktionen namhafter Forscher

geführt. Neu an dem Bericht ist vor allem, dass erstmals Details darüber

nachzulesen sind, wie diese Strategie genau verfolgt wurde – weil das Kongresskomitee

Zugriff auf behördeninterne Dokumente hatte.

Der Bericht ist das Ergebnis

von 16 Monaten Recherche und der Durchsicht von 27.000 Dokumenten – darunter

zahlreiche E-Mails, die zwischen Vertretern von Umweltbehörden, Wissenschaftlern

und dem “Council on Environmental Quality” (CEQ) des Weißen Hauses

hin- und hergegangen waren. Das CEQ erscheint in dem Bericht als umweltpolitische

Propagandazentrale der Regierung Bush. Die in dem Bericht dokumentierten

E-Mails und Memos reflektieren ein in seiner Schamlosigkeit teilweise verblüffendes

Ausmaß an politischer Einflussnahme und bewusster Verzerrung.

Wissenschaftler massiv gegängelt

Viele der Dokumente werden

nun erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht – sehr zum

Unwillen der Regierungspartei. Tom Davies, ein Republikaner, der dem COGR

vorsaß, als die Untersuchung der Manipulations-Praktiken begann,

veröffentlichte eine “Minderheiten-Stellungnahme”, in der er den Bericht

des eigenen Komitees als “politische Hetze” bezeichnet. Eine Sprecherin

des Weißen Hauses nannte den Bericht gegenüber der Zeitung “Christian

Science Monitor” einen “kaum verhüllten Versuch, die Aufmerksamkeit

von den Anstrengungen der Regierung abzulenken, beim Bali-Gipfel ihren

Einsatz für gesunde Umwelt, Energie und Wirtschaftspolitik voranzutreiben”.

Tatsächlich macht der

Bericht eher die Anstrengungen der Regierung deutlich, Zweifel am menschengemachten

Klimawandel und seinen teils verheerenden Auswirkungen zu säen. Besonders

in der Folge der Katastrophe durch Hurrikan “Katrina” habe man sich beispielsweise

bemüht, so die Abgeordneten, den Zusammenhang zwischen der Häufigkeit

und Intensität von Wirbelstürmen und dem Klimawandel herunterzuspielen

oder ganz zu leugnen.

Ein Behördensprecher

habe vor dem COGR etwa ausgesagt, es habe den “konsistenten Ansatz” gegeben,

Wissenschaftler, die Verbindungen zwischen Hurrikan-Häufigkeit und

dem Klimawandel sehen, von der Presse fernzuhalten. Auch Wissenschaftler,

die den Kongress über den Klimawandel unterrichten sollten, seien

massiv gegängelt worden. Die schriftliche Stellungnahme von Thomas

Karl etwa, dem Direktor des National Climatic Data Center, wurde um mehrere

klare Aussagen gekürzt. So habe Karl nicht mehr sagen dürfen,

dass “der moderne Klimawandel von menschlichen Einflüssen dominiert

ist”, und dass “es sehr wahrscheinlich ist (über 95 Prozent Wahrscheinlichkeit),

dass der Mensch zum Großteil für die vielen beobachteten Veränderungen

des Klimas verantwortlich ist”. Seine Aussage, dass die globale Erwärmung

bei der Zunahme der Hurrikan-Intensität “eine Rolle spielt” wurde

abgeschwächt zu “könnte eine Rolle spielen”.

Behauptung: Kyoto-Protokoll

würde Millionen Jobs kosten

Wissenschaftliche Fachberichte,

darunter mehrere Berichte der US-Behörde Environmental Protection

Agency (EPA) seien massiv manipuliert worden. In einem Umweltbericht seien

die Änderungen durch Regierungsvertreter so extrem gewesen, dass die

Chefin der Behörde vorgeschlagen habe, den verstümmelten Abschnitt

über den Klimawandel doch lieber gleich ganz wegzulassen. In einem

EPA-Bericht über die Entwicklung der Luftqualität ließ

das Weiße Haus den Abschnitt über den Klimawandel selbst komplett

streichen. Eine juristische Stellungnahme der EPA-Anwälte zu der Frage,

ob Fahrzeug-Emissionen in den USA künftig von der EPA reguliert werden

könnten, schrieb Connaughton sogar eigenhändig um. Verweise auf

die Auswirkungen von CO2 auf das Weltklima wurden gestrichen, mit dem Vermerk:

“Hier geht es nicht um einen Forschungsüberblick, sondern um ein juristisches

Argument.”

Auf der anderen Seite wurden

aus zweifelhafter Quelle stammende Zahlen und Studien in den Vordergrund

gerückt, die den US-Bürgern Klimaschutz als Bedrohung für

die US-Wirtschaft verleiden sollten. So sei etwa die kaum begründbare

Prognose, die Ratifizierung des Kyoto-Protokolls werde die USA “fünf

Millionen Jobs kosten” trotz deutlicher Proteste aus der EPA in einen Gastbeitrag

der damaligen EPA-Chefin Christine Todd Whitman für das “Time Magazine”

eingefügt worden – auf Druck von Cooney und Connaughton.

In einem bösen Seitenhieb

zitieren die Autoren des COGR-Berichtes aus einem Strategiepapier aus dem

Jahr 1998. Darin heißt es: “Der Sieg wird erreicht sein, wenn … der

Normalbürger die Unsicherheiten der Klimaforschung ‘versteht’; wenn

die Anerkennung dieser Unsicherheiten Teil der landläufigen Meinung

über dieses Thema wird.” Das Papier, so die Autoren des COGR-Berichtes,

scheine die Handlungsweise der Forschungs-Umdeuter im Weißen Haus

perfekt vorherzusagen – es stammt aber von der Lobbyorganisation American

Petroleum Institute. “Die Regierung Bush”, so die Abgeordneten, “hat sich

so verhalten, als ob der Kommunikationsplan der Ölindustrie ihr Leitbild

wäre”. Für den Rest der Menschheit ist zu hoffen, dass sich das

auf Bali ändert – und es nicht bei den Lippenbekenntnissen bleibt,

die US-Vertreter dort derzeit abgeben. 

 

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