RootZ.Öko – Artikel aus der Umwelt

 
Spiegel

online 18.02.08

TEUFELSKREIS

Wassermangel bedroht

globale Energieversorgung

Von Markus Becker, Boston

Es ist eine teuflische Verkettung,

über die wenig diskutiert wird: Der zunehmende Wassermangel auf der

Erde wird zur ernsten Gefahr für die Energieversorgung von Entwicklungs-

und Industrienationen. Forscher in den USA suchen nun nach Auswegen aus

der doppelten Versorgungskrise.

Boston – Peter Gleick ist

überzeugt, dass die anderen etwas übersehen. Etwas Entscheidendes,

das ebenso brisant sein könnte wie die globale Erwärmung. Das

der Welt direkt vor Augen steht – und vielleicht gerade deshalb nicht erkannt

wird.

“Wasser und Energie sind

untrennbar miteinander verbunden”, ruft Gleick seinem Publikum bei der

Jahrestagung des US-Forschungsverbands AAAS in Boston zu. “Und fast nie

werden sie von der Politik gemeinsam behandelt. Das wird zwangsläufig

zur Zerrüttung der Wasser- und der Energieversorgung führen.”

Mit dieser Einschätzung

ist Gleick nicht allein. Mit ihm auf dem AAAS-Podium sitzen Vince Tidwell

von den regierungseigenen Sandia National Laboratories, Lisa Epifanie vom

US- Energieministerium und Michael Webber vom Center for International

Energy & Environmental Policy im texanischen Austin. Vier Fachleute,

eine Meinung.

Wasser und Strom – wenn eine

von beiden Ressourcen knapp wird, droht gleich eine doppelte Versorgungskrise.

Auch in Ländern, die wenig Energie direkt durch Wasserkraft gewinnen,

ist Wasser bei der Erzeugung elektrischer Energie nicht wegzudenken. In

den USA etwa entfallen auf Trinken und Waschen nur drei Prozent des gesamten

Verbrauchs – 39 Prozent dagegen auf die Kühlung von Kraftwerken, was

laut aktuellen Zahlen etwa 760 Milliarden Litern Wasser entspricht.

Auch die Industrienationen

tragen ein hohes Risiko

Nicht nur für die Energie

aus der Steckdose werden Unmengen an Wasser benötigt. Das gleiche

gilt für die Energie im Tank: Bei der Herstellung von Benzin und Diesel

wird ebenfalls Wasser benötigt. Gleiches gilt für jene Energieträger,

denen die automobile Zukunft gehören soll: Wasserstoff und Biosprit.

“Haben Sie schon einmal daran

gedacht, wie viel Wasser Sie verbrauchen, wenn Sie Ihr Auto volltanken?”,

fragt Webber. Ein mit Wasserstoff betriebenes Auto wiederum verbrauche

umgerechnet rund 60 Liter Wasser pro Kilometer. Bei einem Auto mit Ethanol-Motor

seien es gar 90 bis 300 Liter, weil die Ethanol-Lieferanten Mais und Sojabohnen

in Amerika großzügig bewässert werden müssten.

Bedenkliche Aussichten. Denn

schon allein wegen des Klimawandels prognostizieren Wissenschaftler teils

dramatische Engpässe in der Wasserversorgung. Die potentiell bedrohten

Regionen liegen nicht nur in der Dritten Welt, sondern auch in den Industriestaaten

wie den USA (mehr…). Erst in dieser Woche wurde eine Studie veröffentlicht,

laut der Lake Mead – der größte Stausee der USA – mit 50-prozentiger

Wahrscheinlichkeit in den nächsten 13 Jahren komplett austrocknen

wird. “Ohne Lake Mead und den benachbarten Lake Powell besitzt das Colorado-Flusssystem

keinen Puffer mehr, um die Bevölkerung der Südwest-USA in einem

trockenen Jahr zu versorgen”, warnen die Forscher der American Geophysical

Union und der Scripps Institution of Oceanography im Fachblatt “Water Resources

Research”. Im Falle einer längeren Dürre sähe es noch schlimmer

aus.

Derzeit bekommen die USA

einen Vorgeschmack auf eine solche Zukunft: Lake Mead und Lake Powell sind

nach lang anhaltender Trockenheit nur noch etwa zur Hälfte gefüllt,

die Wasserversorgung von Las Vegas ist bereits gefährdet. Sollte es

im Frühling nicht zu ergiebigen Regenfällen kommen, droht im

Sommer die Krise.

Gefährliche Rückkopplung

Noch fataler: Es wird nicht

nur Wasser für die Energiegewinnung, sondern auch Energie für

die Wassergewinnung benötigt. Wird das Wasser knapp, steht weniger

für die Energieproduktion zur Verfügung. Zugleich muss immer

mehr Energie in die Wasserversorgung gesteckt werden – etwa für den

Wassertransport in austrocknende Gebiete. “Wasser von Nord- nach Südkalifornien

zu bringen frisst kaum weniger Energie als die extrem energieintensive

Entsalzung von Meerwasser”, sagt Gleick. Die Folge könnten weit verbreitete

Engpässe in der Energie- und Wasserversorgung sein.

Als Gegenmaßnahme schlagen

die Experten in erster Linie einen sparsameren Umgang mit den Ressourcen

und deren effizientere Nutzung vor. Wind- und Sonnenkraft sind laut Gleick,

der am Pacific Institute for Studies in Development, Environment, and Security

im kalifornischen Oakland forscht, die wassersparendsten Energieträger.

Der Atomstrom sei, je nach Effizienz des Kraftwerks, der wasserintensivste

Energieträger, dicht gefolgt von fossilen Brennstoffen.

Allerdings gibt es auch bei

diesen Kraftwerken Ansätze, den Wasserverbrauch zumindest zu drosseln.

Das Atomkraftwerk von Palo Verde im US-Bundesstaat Arizona speist nicht

– wie früher üblich – Flusswasser in den Kühlkreislauf ein,

um es dann direkt in den Fluss zurückzuleiten. Das größte

AKW der USA ist das einzige der Welt, das nicht einmal an einem Gewässer

liegt. Als Kühlmittel dient, was zuvor aus den Toiletten benachbarter

Städte floss: Abwasser, für den Einsatz in den Kühltürmen

geklärt.

Gleick hält das für

mustergültig. “Wir müssen das Abwasser schon aus Umweltschutzgründen

reinigen – diese Energie bringen wir also ohnehin auf”, so der Forscher.

Es sei unsinnig, geklärtes Wasser einfach in den nächsten Fluss

zu kippen, anstatt Sinnvolles damit anzustellen.

Webber könnte sich sogar

noch mehr vorstellen. “Die Nasa recycelt das Abwasser in der Internationalen

Raumstation, weil der Transport von Wasser ins All zu teuer ist”, meint

Webber. “Die Astronauten trinken es, und es geht ihnen gut.”

 

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