RootZ.Öko – Artikel aus der Umwelt

 
FAZ

online 18.02.08

Aus Stroh gebaut

Von Marcus Stölb

Ein Flachbau, mit Lehm verputze

Wände, auf der Südseite eine dreifach verglaste Fensterfront

– auf den ersten Blick deutet wenig darauf hin, dass es sich bei Peter

Webers Bungalow um eine Art Pionier mit Passivhausstandard handelt. Tritt

man dem Gebäude jedoch näher, zeigen sich erste Auffälligkeiten:

die extrem dicke und nach außen hin nicht sonderlich gerade gezogene

Mauer auf der Ostseite etwa.

Wer ins Innere des Hauses

kommt, spürt das Besondere an diesem Eigenheim: die relativ trockene

Zimmerluft, das dennoch sehr angenehme Raumklima. „Kälter als 20 Grad

wird es in diesen vier Wänden eigentlich nie“, berichtet die Mieterin.

Und während man durch Flur und Zimmer wandelt, wähnt man sich

auf dem Vollholzparkett wie auf einem Tennis Court mit Fußbodenheizung.

An den Wänden, genauer in einigen der verglasten Mauerelemente erblickt

der Besucher dann jenen Stoff, aus dem dieses Haus geschaffen ist: Stroh.

Stroh dämmt extrem gut

Exakt 1,30 Meter messen die

Außenwände des komplett aus Strohballen gezimmerten Gebäudes.

Das garantiert eine Dämmwirkung, die sich ansonsten auch mit einer

75 Zentimeter dicken Styropordämmung oder einer etwa sieben (!) Meter

dicken Kalksandsteinmauer erreichen ließe. Hausherr Weber ist nicht

der Einzige, der die dämmende Wirkung von Strohballen zu nutzen weiß.

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Doch der Trierer gehört

zu den ganz wenigen, die in Deutschland ein lasttragendes Strohballenhaus

entwarfen und errichteten. Ähnlich wie beim historischen Vorbild,

den Strohäusern aus den holzarmen Gegenden in den Vereinigten Staaten

(Nebrasca Style), dient das Stroh bei dieser Konstruktionsart nicht nur

als Dämmmaterial, sondern trägt auch die vertikalen Lasten wie

beispielsweise das Pultdach des Bungalows.

Es gibt nur 100 Strohballenhäuser

in Deutschland

Ende 2007 zählte der

Fachverband Strohballenbau Deutschland, kurz Fasba, bundesweit rund 100

sogenannter Strohballenhäuser. Doch anders als in Trier übernimmt

der zu Ballen gepresste Baustoff vom Acker in aller Regel keine lasttragenden

Funktionen, sondern dient einzig und allein als Wand bildender Dämmstoff.

Hierbei wird ein Ständerwerk mit Strohballen gefüllt und dann

mit Holzplatten oder -brettern verkleidet. Oder aber, wie bei Weber, mit

einer bis zu 5 Zentimeter dicken Lehmschicht verputzt.

Noch fristen Strohballenhäuser

ein absolutes Nischendasein, doch Dirk Scharmer ist davon überzeugt,

dass diesem Baustoff die Zukunft gehören wird. „Die allgemeine Stimmung

in Zeiten des Klimawandels ist doch so, dass alles, was nachwächst,

eine Zukunft hat“, begründet er seinen Optimismus.

Nachwachsende Rohstoffe sind

nicht immer ökologisch korrekt

Tatsächlich sind nachwachsende

Rohstoffe nicht immer unumstritten, im Gegenteil: Dass beispielsweise Regenwälder

gerodet werden, um Palmöl zu produzieren, welches dann hierzulande

in sogenannten Bioenergiekraftwerken verfeuert wird, hat mit Klimaschutz

nur noch wenig zu tun.

Anders stellt sich die Situation

bei Stroh dar, denn im Grunde genommen wird mit den ausgedroschenen Halmen

und Stengeln lediglich ein besonders nützliches Abfallprodukt verwandt,

das beim Getreideanbau ohnehin anfällt und deshalb in großen

Mengen längst zur Verfügung steht. Laut Fasba bleiben 20 Prozent

der jährlich anfallenden Strohmenge landwirtschaftlich ungenutzt.

Damit ließen sich allein 350.000 Einfamilienhäuser errichten,

beziffert der Verband.

Stroh ist fest gepresst und

brennt deshalb nicht gut

Mit einem derartigen Bedarf

an Dämmmaterial ist gleichwohl in absehbarer Zeit nicht zu rechnen,

weder international noch hierzulande. Und das hat viele Gründe, darunter

die nach wie vor weitverbreiteten Bedenken gegenüber dem Baustoff.

Allen voran das Argument, Stroh brenne besonders gut, weshalb es ein Leichtes

sei, ein Strohballenhaus abzufackeln, wird immer wieder angeführt.

Doch Untersuchungen des Münchner

Forschungsinstituts für Wärmeschutz haben ergeben, dass Stroh

als „normal entflammbar“ gilt, ein besonderes Risiko also nicht besteht.

Die Voraussetzung: Es muss gepresst und geballt sein, denn nur dann ist

Halmen und Stengeln die für ein loderndes Feuer notwendige Sauerstoffzufuhr

weitgehend abgeschnitten. Der Kasseler Diplom-Ingenieur und Experte für

experimentelles Bauen Benjamin Krick vergleicht die Brennbarkeit von Stroh

und Strohballen mit der von Papier und Telefonbüchern.

Locken Strohhäuser Mäuse

an?

Ein weiteres Vorurteil, das

den Baustoff betrifft: In Strohhäusern lasse es sich besonders gut

leben – für Mäuse und Ungeziefer. „Ich hatte noch nie eine Maus

in meinem Haus“, sagt Weber und verrät auch gleich, warum: „Wenn das

Gebäude absolut rissfrei verputzt ist und keine Hohlräume in

den Strohballen sind, gibt es für die Nager auch kein Durchkommen

mehr.“ Desto dichter Putz und Ballen, desto geringer ist auch die Gefahr,

dass sich die unerwünschten vierbeinigen Mitbewohner ungefragt einquartieren.

Eine realere Bedrohung stellt

dagegen möglicher Schimmelbefall dar, doch auch hier lasse sich entgegenwirken,

sagt Scharmer: Eine optimale Be- und Entlüftung und wenig Feuchte

in den Räumen seien ein absolutes Muss, damit es nicht zu schimmeln

beginnt. Doch derlei Vorkehrungen sind auch in den meisten konventionellen

Häusern notwendig.

Die Genehmigung für

Strohhäuser liegt bei der Baubehörde

Dank eines vom Fasba angestrengten

Verfahrens am Deutschen Institut für Bautechnik wurden Strohballen

inzwischen als Baustoff zugelassen. Und auch die Untersuchungen in puncto

Feuerwiderstand haben belegt, dass sich bei sachgerechter Verwendung mit

Stroh bestens bauen lässt. Doch ob die Baugenehmigung erteilt wird,

entscheidet im Einzelfall die zuständige Behörde vor Ort.

Größere Probleme

dürfte es aber zumindest dann nicht geben, wenn man Strohballen lediglich

als Dämmstoff verwendet. „Werden Strohballen in Übereinstimmung

mit der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung verwendet, ist kein Antrag

auf Zustimmung im Einzelfall mehr erforderlich“, berichtet Scharmer.

Auf Stroh gebaut und schon

Energiesparmeister

Hausherr Weber hofft derweil

auf Nachahmer: Sein lasttragendes Strohhaus wurde bereits ausgezeichnet,

unter anderem trägt der innovative Bauherr den Titel „Energiesparmeister

2006“. Denn mit seiner Passivbauweise und dem Einsatz ausschließlich

regional erzeugten Strohs erreichte Weber, dass der CO2 -Ausstoß

um den Faktor 10 gesenkt werden konnte. In der Eifel sollen nun zwei weitere

seiner Strohballenhäuser entstehen, doch Weber will noch höher

hinaus: Ein dreigeschossiges Studentenwohnheim, komplett aus Stroh, will

er in den nächsten Jahren realisieren.

Scharmer ist da skeptisch:

Bei mehrgeschossigem Strohballenbau setzt der Fasba-Geschäftsführer

dann doch lieber auf Holzständerkonstruktionen. Stolz verweist er

auf das „Strohpolis“, ein dreigeschossiges Wohnhaus mit rund 530 Quadratmetern

Fläche. In der Ökosiedlung „Sieben Linden“ in der sachsen-anhaltinischen

Altmark steht das Gebäude – und liefert nach Meinung seines Architekten

den Beleg dafür, dass sich mit Strohballen in Ständerkonstruktionen

nicht nur umweltschonender und gesünder, sondern obendrein auch noch

besonders kostengünstig bauen lässt.

Ein Haus kostet nur 60.000

Euro

Apropos Kosten: Dass der

Baustoff Stroh im Gegensatz zu anderen Dämmmaterialien wie Flachs

und Hanf bisher nie mit öffentlichen Geldern gefördert wurde,

dafür hat Scharmer auch eine Erklärung: Stroh sei schlicht zu

billig.

Billigbauweise war bei Webers

Trierer Strohbungalow nicht am Werk, doch verglichen mit konventionellen

Häusern ließ sich das Gebäude sehr günstig errichten:

Kaum mehr als 60.000 Euro habe er sich das 105 Quadratmeter Wohnfläche

umfassende Gebäude kosten lassen, berichtet der Trierer.

 

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