RootZ.Öko – Artikel aus der Umwelt

 
Spiegel

online 25.03.08

RUSSWOLKEN

Die unterschätzten

Klimakiller

Von Christoph Seidler

Die Rolle von Ruß bei

der Erderwärmung wird unterschätzt, sagen Klimaforscher. Im Himalaya

zum Beispiel sind die Dreckwolken verheerender für Schnee und Eis

als das viel gescholtene CO2. Dabei könnte die Menschheit beim Ruß

schnell handeln – und Zeit im Kampf gegen den Treibhauseffekt gewinnen.

Es ist eine seltsame Melange,

die über unseren Köpfen wabert: Neben den bekannten Atmosphärengasen

wie Stickstoff, Sauerstoff, Argon oder Kohlendioxid schwirren zum Beispiel

riesige Mengen mineralischen Staubs um die Erde. Neben diesen Schwebstoffen,

die von Sandstürmen in den Wüstenregionen des Planeten aufgewirbelt

werden, fliegen auch größere Mengen Biomaterial durch die Luft:

zerbröselte Pflanzenreste, Bakterien und so weiter.

Eine weitere wichtige Quelle

atmosphärischer Verschmutzung sind gigantische Rußwolken, die

unter anderem durch Autoverkehr, Brandrodungen sowie Kohle- und Holzheizungen

(mehr…) entstehen. Die US-Forscher Veerabhadran Ramanathan und Greg Carmichael

haben diese gigantischen Partikelwolken nun einmal näher unter die

Lupe genommen – und zeichnen im Fachmagazin “Nature Geoscience” im treffendsten

Sinne des Wortes ein düsteres Bild der Lage.

Der Einfluss von Aerosolen,

also flüssigen sowie festen Teilchen in der Luft, auf den Klimawandel

gilt bisher als nur unzureichend untersucht. Der letzte Bericht des Uno-Weltklimarates

IPCC spricht von einer “Schlüsselunsicherheit”. Zumindest für

den Kohlenstoffstaub beginnen die Dinge nun aber etwas klarer zu werden:

“Der Einfluss der Rußwolken auf den Treibhauseffekt wurde bisher

unterschätzt”, sagt Greg Carmichael im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE.

Denn offenbar sind die finsteren Wolken nach den Kohlendioxidemissionen

der zweitwichtigste menschliche Beitrag zum Treibhauseffekt.

“Berechnungen für den

oberen Atmosphärenrand sind neu”

Dabei galten Aerosole lange

Zeit als doppelte Dämpfer der Erderwärmung. Das ganze, so glaubte

man, funktioniere ungefähr so: Zum einen reflektieren die flirrenden

Flieger selbst Sonnenlicht, das auf diese Weise nicht die Erde erreicht,

zum anderen sorgen sie für verstärkte Wolkenbildung – und damit

für noch mehr Kühlung. Doch während bei Sulfataerosolen

diese Wirkung auch weiter angenommen wird, sieht die Bilanz der schwebenden

Rußteilchen weit schlechter aus: Sie heizen sich – und damit die

Atmosphäre – unter Sonneneinstrahlung auf. So verstärken sie

hoch über der Erde den Treibhauseffekt, auch wenn sie am Boden durchaus

kühlende Wirkung entwickeln können.

“Diese Berechnungen für

den oberen Rand der Atmosphäre sind neu”, kommentiert Klimaforscher

Christoph Kottmeier von der Universität Karlsruhe im Gespräch

mit SPIEGEL ONLINE die Ergebnisse. Erst langsam lerne die Wissenschaft,

die komplexe Rolle der Aerosole in der Lufthülle der Erde zu beziffern.

Ramanathan und Carmichael hätten dafür einen wichtigen Beitrag

geleistet. Nach ihren Berechnungen entwickelt der Ruß am oberen Rand

der Atmosphäre eine beträchtliche Treibhauswirkung: Sie liegt

liegt nach ihren Berechnungen in der Größenordnung der Werte

von Gasen wie Kohlendioxid – konkret nennen die Forscher die Zahl von 60

Prozent.

Besonders besorgniserregend

fällt die Analyse für die Himalaya-Region aus. Hier könnten

die Rußwolken entscheidend zum Abschmelzen von Gletschern und Schneefeldern

beitragen – mit noch schlimmeren Ergebnissen als Kohlendioxid. “Das liegt

daran, dass das Gebiet so hoch gelegen ist. Die Gegend befindet sich in

dem Teil der Atmosphäre, in dem sich die Rußteilchen durch das

Sonnenlicht aufheizen”, sagt der Karlsruher Forscher Kottmeier.

Doch nicht nur im Himalaya

bereiten die braun-schwarzen Wolken den Forschern Sorgen. Die Liste der

rußschwangeren Regionen der Erde ist lang: die Gangesebene, Ostchina

(mehr…), Südostasien mit Indonesien, das südliche Afrika sowie

weite Teile Zentral- und Südamerikas.

Ramanathan und Carmichael

fordern, den Kampf gegen den Ruß verstärkt auf die Klimaschutz-Agenda

zu setzen. Durch klimaschonende Technologien wie Solarenergie oder Biogas

ließen sich zum Beispiel in Asien beträchtliche Erfolge erzielen

(mehr…). Besonders attraktiv dabei: Der Kampf gegen den Ruß entlastet

das Erdklima verblüffend

schnell. Während Treibhausgase zum Teil mehr als 100 Jahre lang in

der Atmosphäre umherspuken, werden die kleinen Kohlenstoffteilchen

nach nur zwei Wochen vom Regen ausgewaschen. “Was wir im Bezug auf Ruß

unternehmen, hilft uns sofort”, sagt Greg Carmichael fast beschwörend.

“So können wir uns mehr Zeit kaufen, um etwas gegen das Kohlendioxid

zu tun.” Denn das Treibhausgas bleibe weiterhin das globale Hauptproblem

beim Klimaschutz.

Immerhin, so hofft Carmichael,

könnten internationale Vereinbarungen beim Ruß schneller zu

erreichen sein als beim Kohlendioxid: Weil alle Länder der Welt auf

einen ähnlichen Rußausstoß pro Kopf kämen, sei es

vielleicht einfacher, auf internationaler Ebene auf einen gemeinsamen Nenner

zu kommen.

 

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