RootZ.Öko – Artikel aus der Umwelt

 
Spiegel

online 31.03.08

KLIMAFORSCHUNG

Schärferer Blick

in die Erdgeschichte möglich

Wenn Wissenschaftler die

Klimahistorie der Erde untersuchen wollen, setzen sie auf die Jahresringe

alter Bäume und auf Bohrkerne aus Gletschereis. Bisher waren die beiden

Klimaarchive nicht kompatibel. Nun ist es gelungen, sie zusammenzuführen.

Der Blick zurück ist

eine komplizierte Angelegenheit. Egal auf welche Methode Wissenschaftler

setzen, wenn sie auf das Klima früherer Zeiten zurückblicken

wollen, immer treten Probleme auf. Im Prinzip läuft das Ganze so:

Bei Bäumen können Breite, Dichte und chemische Zusammensetzung

der Jahresringe Aufschluss über Temperatur und Niederschlag der Vergangenheit

geben; im Eis konzentrieren sich die Forscher auf die chemische Zusammensetzung

des Wassers und der im Eis eingeschlossenen Luftbläschen.

Die präzisere Methode

sind die Ringe alter Bäume, die über Jahrtausende in Mooren und

Kiesschichten von Flüssen konserviert wurden. Doch können die

Forscher mit ihrer Hilfe nur einen Blick in die vergleichsweise nahe Vergangenheit

werfen: Exakt 12.468 Jahre umfasst der ununterbrochene Jahresring-Kalender

der Universität Hohenheim. Außerdem gibt es einzelne, noch ältere

Puzzle-Stücke, die sich teilweise zu Zeitinseln zusammenfügen

– aber noch nicht genau datiert werden konnten. Das Baumarchiv ist also

präzise aber kurzsichtig.

Eisschichten Jahrtausende

alter Gletscher und Eisschilde reichen deutlich weiter zurück in die

Vergangenheit: Mehr als 100.000 Jahre Klimageschichte lassen sich mit ihrer

Hilfe rekonstruieren. Doch auch die Informationen aus dem ewigen Eis haben

ein Problem: Sie sind im Detail manchmal unpräzise: “Mal fehlen ein

paar Jahre, weil der Wind den Neuschnee an manchen Stellen fortwehte, mal

sind sie doppelt, weil fort gewehter Schnee an anderer Stelle wieder zu

Boden fällt”, erklärt der Paläobotaniker Michael Friedrich

von der Universität Hohenheim. Über die Jahrhunderte würden

sich die Schwankungen immerhin wieder ausgleichen, sodass man die Klimaschwankungen

im Groben recht gut nachvollziehen könne.

Wind verfälscht Klimadaten

Ein internationales Forscherteam

unter Führung von Raimund Muscheler von der Universität Lund

hat beide Klimaarchive nun zusammenführen können. Darüber

berichten die Wissenschaftler, zu denen auch die Hohenheimer gehören,

in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift “Nature – Geoscience”. Die neue

Methode kombiniert die Vorteile beider Archive und überwindet die

jeweiligen Nachteile. “Bislang hatten wir zum Beispiel in unserem Baumring-Kalender

eine Lücke von bis zu 200 Jahren vermutet”, sagt Michael Friedrich.

Das Gletschereis lege nun nahe, dass sie vielleicht gar nicht vorhanden

sei.

Der Schlüssel zur Zusammenführung

der Datierungsmethoden sind zwei radioaktive Elemente, die in der Erdatmosphäre

durch Sonnenwind und kosmischer Strahlung gebildet werden: Beryllium (Be-10)

und radioaktiver Kohlenstoff (C-14). Das Beryllium wird mit dem Schnee

aus der Atmosphäre gewaschen und bleibt in den Eiskernen erhalten,

das Kohlenstoffisotop wird von den Bäumen aus der Luft aufgenommen

und in die Ringe eingebaut. “Die Beryllium Kurve aus dem Grönländischen

Eis und die des radioaktiven Kohlenstoffs aus den Jahrringen weisen im

Laufe der Zeit exakt die gleichen Schwankungsmuster auf”, sagt Michael

Friedrich. Dadurch würden Eiskerne und Jahrringe direkt miteinander

vergleichbar.

Für den Jahrring-Kalender

bedeutet das, dass alte, bisher isolierte Puzzlestücke aus Holz nun

richtig einsortiert werden können. Dadurch lassen sich zum Beispiel

die Klimaschwankungen am Ende der letzten Eiszeit genauer bestimmen. Auch

für einen anderen Forschungszweig versprechen die aktuellen Ergebnisse

Verbesserungen: Es geht um die sogenannte Radiokarbon-Methode. Mit ihrer

Hilfe wird das Alter organischer Substanzen wie Knochen, Holz oder Torf

bestimmt. Sie alle enthalten kleinere Mengen von radioaktivem Kohlenstoff,

der mit der Zeit radioaktiv zerfällt. Über den Anteil an C-14

kann so das Alter der Probe bestimmt werden. Um aber möglichst genaue

Ergebnisse zu bekommen, muss man die Ergebnisse mit einer Eichkurve abgleichen.

Und die kommt aus dem Hohenheimer Jahresring-Kalender. “Jeder Ausbau des

Jahrringkalenders bedeutet daher auch gleichzeitig immer bessere Radiokarbondaten”,

erklärt Michael Friedrich.

 

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