RootZ.Öko – Artikel aus der Umwelt

 
Süddeutsche

online 04.01.08

Frittenfett im Tank

Von Kathrin Werner

Ein Berliner Unternehmer

lässt aus Küchenabfällen Biodiesel herstellen – das ist

ökologischer als der Anbau von Ölpflanzen, für den auch

Regenwälder sterben müssen.

Rainer Nitschke schnauft.

Er zieht die blaue Tonne mit beiden Händen aus einem Hintereingang

und hievt sie auf die Laderampe des Lastwagens. Auf dem Rücken seines

knallroten Overalls trägt er einen Aufnäher mit dem Firmenlogo

der Berliner Bral GmbH. Im Fass schwappt eine blassgelbe, zähflüssige

Brühe, die nach alten Pommes riecht.

Nitschke sammelt gebrauchtes

Küchenfett und Speiseabfälle für die Bral Reststoff-Bearbeitungs

GmbH. “An den Gestank gewöhnt man sich irgendwann”, erzählt er.

Nitschke ist ein kräftiger Mann mit breiten Schultern und Schnauzbart.

Die Abfalltonnen, die er aus den Hintereingängen zieht, wiegen manchmal

über 120 Kilo. “Dick wird man jedenfalls nicht bei dem Job”, sagt

er. 45 Hotelküchen, Restaurants, Kantinen, Schulen und Imbissbuden

liegen jeden Tag auf seiner Strecke.

Gefahr für die Regenwälder

Seit ein paar Wochen hat

Bral ein besonderes Angebot im Programm: Der Kunde muss nicht mehr für

Abfallentsorgung bezahlen, Bral gibt den Gastronomen Geld, fünf Cent

für jeden Liter gebrauchtes Fett. Die gelbe Brühe ist viel mehr

als Müll, sie ist Geld wert, sie kann Autos antreiben. Aus Frittenfett

wird Biodiesel.

Der Sprit, der aus dem alten

Fett der Bral GmbH gewonnen wird, ist ein ganz besonderer Saft. Er ist

im Gegensatz zu anderem Biodiesel wirklich umweltfreundlich. Für normalen

Biodiesel werden Ölpflanzen verarbeitet, vor allem Raps und Soja,

die extra für Treibstoff angepflanzt werden. Der Anbau boomt auf der

ganzen Welt. Und darin liegt das Problem. Bauern bauen lieber lukrative

Pflanzen für Biodiesel an, als die Nahrungsmittel Zucker und Mais,

die immer knapper und teurer werden. Auch der Boden leidet unter dem Rapsanbau,

weil die Fruchtfolge nicht wechselt. Dünge- und Pflanzenschutzmittel

belasten das Grundwasser.

Viele Biodieselhersteller

verarbeiten auch Pflanzen aus den Tropen. Regenwälder müssen

den Plantagen für Soja und Ölpalmen weichen. In Brasilien verschwindet

jedes Jahr ein Stück Amazonas-Wald, das so groß wie Israel ist.

“Rechnet man die Gifte ein, die Anbau, Transport und Verarbeitung von Ölpflanzen

und die Brandrodungen der Regenwälder verursachen, ist Biodiesel gar

nicht mehr besser für die Umwelt”, sagt Reinhard Behrend, Vorsitzender

des Vereins “Rettet den Regenwald”.

Das ist bei Biodiesel aus

altem Speisefett anders. Hier wird etwas verwertet, was sowieso da ist:

Müll. “Das ist eine gute Alternative zu Energie aus Rohstoffressourcen”,

findet Ralf Krüger. Er ist stellvertretender Betriebschef und Einsatzleiter

bei Bral, er koordiniert die Strecken der Lastwagenfahrer und wirbt um

neue Kunden. Er hat einen festen Händedruck, hochgekrempelte Hemdsärmel

und spricht mit Berliner Tonfall.

Krüger ist Experte für

Bioenergie. Aus den Speiseabfällen, die seine Leute aus den Restaurants

abholen, macht Bral Biogas und daraus Strom. Mit dem Frittenfett-Biodiesel

ist das Programm komplett. “Wir verwerten den ganzen Abfall, der Kreislauf

wird geschlossen”, erläutert Krüger. Idealist ist er nicht, sondern

Unternehmer. “Ick bin so ein Typ, der was bewegen will”, sagt er. Er fängt

seine Sätze gerne mit “Ick bin so ein Typ” an. 20 weiße Lastwagen

schickt Krüger täglich durch die Hauptstadt. Jeden Nachmittag

um drei Uhr laden Nitschke und seine Kollegen die Fässer mit Speiseabfall

und altem Fett auf dem Gelände der Bral in Berlin-Lichtenberg ab.

Wenn genügend blaue Tonnen zusammenkommen, holt sie der neue Partner

der Firma, die Vital Fettrecycling GmbH, ab und bringt sie nach Borken

in Westfalen. Dort wird das Fett gereinigt. Danach verarbeitet die Muttergesellschaft

Petrotec es zu Biodiesel.

Frittenfett-Sprit ist guter

Biodiesel. Doch die Politiker behandeln alle Hersteller gleich, egal ob

sie Raps oder Abfall verwenden. Finanzminister Peer Steinbrück (SPD)

will die leeren Kassen des Bundes füllen und kennt die Kritik der

Umweltschützer am Biodiesel. Darum hat er Subventionen gekürzt,

das gilt für den Frittenfett-Diesel genauso wie für normalen

Biosprit. Biodiesel war an den Tankstellen bisher günstiger als normaler

Diesel, weil für ihn weniger Steuern verlangt wurden. Nach dem Steinbrückschen

Gesetz wird die Steuer bis 2012 schrittweise erhöht, bis sie fast

genauso hoch ist wie die Aufschläge auf Sprit aus Rohöl. Dann

wird Biodiesel an der Tankstelle mehr kosten als normaler Diesel.

Fast täglich eine neue

Tonne

Das Kabinett streitet aber

noch. Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer (CSU) sorgt sich um

die mittelständischen Biodieselproduzenten in Deutschland, die fürchten,

dass ihren Sprit nach der Steuererhöhung niemand mehr kauft. Petrotec

hätte gerne eine Sonderregelung für den Speisefett-Diesel. “Unser

Biodiesel ist tatsächlich nachhaltig”, sagt der Vorstandsvorsitzende

Roger Böing. “Leider ignoriert die Bundesregierung dieses Potential

in ihrer Gesetzgebung. Ambitionierten Klimaschutzzielen wird das nicht

gerecht.”

Petrotec und die anderen

deutschen Biodieselhersteller sehen auch anderweitig sorgenvoll in die

Zukunft. Die US-Amerikaner subventionieren ihren Biodiesel und verkaufen

ihn billig in Deutschland. Die deutschen Fabrikanten konnten im vergangenen

Jahr weniger verkaufen, als sie erwartet hatten. Der Markt war übersättigt,

die Preise sanken. Bis Ende 2007 produzierte Petrotec darum keinen Sprit

und meldete Kurzarbeit an. Von Januar an gibt es aber neue Aufträge,

dann wird aus den gesammelten Altfetten wieder Diesel gemacht.

Nach Pommes riecht der Auspuff

nicht

2500 Tonnen Küchenfett

will Bral pro Jahr in Berlin sammeln. Daraus produziert Petrotec fast die

gleiche Menge Biodiesel. Zehn schwere Lastwagen könnten damit jeweils

760000 Kilometer fahren, mehr als zehn Mal von Berlin nach Peking. Nach

Pommes riecht ihr Auspuff dabei nicht. Die Lastwagen stoßen auch

nahezu kein Schwefeldioxid aus, das zum sauren Regen beiträgt. Rußpartikel,

die schuld am Feinstaub sind, verursachen die Lkw nur halb so viele wie

Fahrzeuge, die mit normalem Diesel unterwegs sind. Leider produziert Petrotec

zu wenig guten Sprit für die deutschen Autofahrer. 29 Millionen Tonnen

Diesel haben sie im Jahr 2006 verbraucht. Davon waren 2,5 Millionen Tonnen

Biodiesel. Petrotec hat im selben Zeitraum etwa 65000 Tonnen produziert,

also weniger, als die Deutschen an einem Tag verfahren.

Bral-Einsatzleiter Krüger

fühlt sich in der Marktnische trotzdem wohl, er will noch viele weitere

Kunden für die Altfettsammlung finden. Auch wenn sein Mitarbeiter

Nitschke inzwischen fast jeden Tag in einem neuen Restaurant eine Tonne

aufstellen muss, läuft das Geschäft erst an. Den Markt in Berlin

hält Krüger für geradezu ideal, um gebrauchtes Fett für

Biodiesel zu sammeln. “Zum Glück”, sagt er, “essen die Berliner gerne

fett.”

 

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