RootZ.Öko – Artikel aus der Umwelt

 
Spiegel

online 08.04.08

ERSCHRECKENDE SIMULATION

Regionaler Atomkrieg würde

Riesen-Ozonloch reißen

Nicht nur ein weltweiter

Atomkrieg, sondern schon ein regionaler Konflikt – wie etwa zwischen Indien

und Pakistan – hätte verheerende Folgen für den ganzen Planeten:

Es droht ein Ozonloch von fast globalem Ausmaß. Die Extradosis UV-Strahlung

hätte fatale Folgen.

Michael Mills und Owen Toon

von der University of Colorado in Boulder haben Atomkrieg gespielt – glücklicherweise

nur im Computer. Ihre Ergebnisse aber sind beunruhigend: Schon ein regionaler

Atomkrieg – beispielsweise zwischen Indien und Pakistan – hätte Folgen

für den gesamten Planeten. Es würde sich ein riesiges Ozonloch

bilden, viel mehr schädliche UV-Strahlung würde auf den Planeten

einstrahlen.

Die Forscher simulierten

mit Hilfe eines Computermodells, welche Konsequenzen ein Atomkrieg zwischen

Indien und Pakistan für die Atmosphäre hätte. Dabei gingen

sie davon aus, dass jede Seite 50 Nuklearsprengköpfe zündet.

Den Berechnungen zufolge würde sich durch den so aufsteigenden Rauch

die Temperatur in der oberen Atmosphäre deutlich erhöhen. Das

wiederum würde zu einer Beschleunigung dort ablaufender chemischer

Reaktionen führen, bei denen Ozon abgebaut würde, berichten die

Forscher in der Fachzeitschrift “Proceedings of the National Academy of

Sciences”.

Die Wissenschaftler errechneten,

dass der von den Abwurfstellen aufsteigende Rauch bis in eine Höhe

von 15 bis 50 Kilometern gelangt. Dort absorbiert er Sonnenstrahlung und

lässt die Temperaturen im Bereich der Ozonschicht im ersten Jahr um

30 bis 60 Grad ansteigen. Die erhöhte Temperatur wiederum beschleunigt

Reaktionen, die zum Abbau von Ozon führen, fanden die Forscher heraus.

Diese Abnahme der Ozonschicht variiert nach Breitengrad, aber für

drei Jahre würde die Schicht weltweit durchschnittlich auf das Niveau

des heutigen antarktischen Ozonlochs zurückgehen.

In den mittleren Breitengraden

muss den Wissenschaftlern zufolge von einem Verlust von bis zu 40 Prozent

des Ozons ausgegangen werden – was enorme Auswirkungen auf die menschliche

Gesundheit und die Ökosysteme zu Land und zu Wasser hätte. Von

Sonnenlicht verursachte Schäden bei Pflanzen würden den Berechnungen

zufolge um 132 Prozent zunehmen, Menschen hätten eine Steigerung von

213 Prozent bei DNA-Schäden zu erwarten.

Auf dieses als “ultravioletter

Frühling” bezeichnete Phänomen haben Forscher bereits früher

hingewiesen. Doch wie die Simulation nun zeigte, sind die Auswirkungen

schwerwiegender als bislang angenommen, da in früheren Studien die

Erhitzung der oberen Atmosphärenschichten nicht genau berücksichtigt

wurde. Bereits im Jahr 2006 hatte ein Forscherteam um Owen Toon die Folgen

eines regionalen Atomkriegs simuliert – und kam zu dem Ergebnis, dass die

fünf Millionen Tonnen Dreck, die in die Atmosphäre geblasen würden,

das Klima weltweit negativ beeinflussen würden. Selbst in Regionen

weit vom Konfliktherd entfernt würden die Temperaturen um mehrere

Celsiusgrade fallen.

“Die große Überraschung

ist, dass laut unserer Studie bereits ein regionaler nuklearer Konflikt

eine stärkere Zerstörung der Ozonschicht verursachen würde,

als es bislang für einen weltweiten Atomkrieg vorhergesagt wurde”,

sagte Owen Toon. Mills bestätigt: “Der Ozonverlust wäre um eine

Größenordnung höher als der durch FCKW-Gase verursachte.”

Die Folge: Erkrankungen wie

Hautkrebs und Grauer Star würden ebenso zunehmen wie Schäden

an Pflanzen, Tieren und Ökosystemen. Vor allem aquatische Ökosysteme

– einschließlich Amphibien, Krabben, Fischen und Phytoplankton –

wären laut Mills von der erhöhten UV-Einstrahlung besonders betroffen.

“Die meisten Organismen können sich vor der UV-Strahlung nur wenig

oder gar nicht schützen”, sagte Mills. “Die große Frage lautet

daher: Wie würde die Flora und Fauna des Planeten auf die Zunahme

der UV-Strahlung infolge eines Atomkriegs reagieren?”

 

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