RootZ.Öko – Artikel aus der Umwelt

 
Spiegel

online 08.04.08

SCHUTZ DES REGENWALDS

Südamerika könnte

Milliarden verdienen

Ein weltweiter Handel mit

Luftverschmutzungsrechten könnte dabei helfen, den Amazonas zu retten.

Für südamerikanische Länder wäre sein Erhalt ein Milliardengeschäft,

wie eine aktuelle Studie zeigt. Allerdings sind dafür noch drei wichtige

Hürden zu nehmen.

Oxford – Im Prinzip ist sich

die Welt einig. In Zukunft sollen Entwicklungsländer auch dafür

belohnt werden, wenn sie ihre wertvollen Regenwälder stehen lassen

– zum Wohle des Weltklimas. Das Geld dafür soll auf globaler Ebene

umverteilt werden, über einen weltweiten Emissionshandel: Reiche Länder,

die ihren eigenen CO2-Ausstoß nicht mindern können oder wollen,

zahlen an Staaten, die sich verpflichten, ihren Wald zu schützen.

In den Abschlussdokumenten der Klimakonferenz von Bali gibt es eine Absichtserklärung,

an genau so einem System zu arbeiten.

Wichtig ist die Frage, wofür

es Belohnungen gibt: Bisher wird beim Emissionshandel nur das Pflanzen

neuer Bäume positiv angerechnet, der Schutz bestehender Waldgebiete

zählt hingegen nicht. Johannes Ebeling von der britischen Beratungsfirma

Ecosecurities und Mai Yasue von der University of British Columbia im kanadischen

Vancouver wollen das nun ändern. Sie haben dazu ein Konzept entwickelt,

das sie in der Fachzeitschrift “Philosophical Transactions of the Royal

Society B” vorstellen.

Vor allem für südamerikanische

Länder stellt Ebeling eine attraktive Beispielrechnung auf: Abhängig

vom Preis, der für den Ausstoß einer Tonne CO2 angesetzt wird,

könnten die Staaten durch einen globalen Emissionshandel Milliardengewinne

erzielen. Würden im Amazonas-Regenwald nur zehn Prozent weniger Urwald

als derzeit abgeholzt, könnte die Region durch den Handel mit Emissionszertifikaten

rund fünf Milliarden Euro verdienen. Diese Zahl kommt zustande, wenn

man mit einem Preis von 30 Euro pro Tonne CO2-Ausstoß rechnet. Selbst

ein extrem konservatives Rechenexempel mit einem Preis von 5 Euro pro Tonne

CO2 führt immer noch zu Einnahmen im Bereich von mehreren hundert

Millionen Euro.

Das Geld, so sagt Ebeling,

solle zum Schutz der existierenden Wälder eingesetzt werden. Der ist

auch dringend nötig: Ein Fünftel des CO2-Ausstoßes weltweit

geht auf die Abholzung der Tropenwälder zurück. Damit ist die

Regenwaldzerstörung der zweitgrößte Faktor für die

Erderwärmung – nach der Verbrennung fossiler Rohstoffe.

Doch wie könnte eine

Rettungsprämie tatsächlich berechnet und ausgezahlt werden? Dazu

muss die Frage beantwortet werden, wie viel Wald verschwunden wäre,

wenn die Abholzung in dem Gebiet wie bisher weitergegangen wäre. Wenn

die Waldmengen nach ein paar Jahren über den zu erwarteten Werten

liegen, dann werden die Staaten dafür belohnt.

Amazonien: Die Weltklimaanlage 

Auch dafür, dass der

Waldschutz möglichst nachhaltig sein soll, haben Ebeling und Yasue

eine Idee: “Man könnte einen Puffer von 20 bis 50 Prozent der Zertifikate

zunächst zurückhalten und erst mit Verspätung auszahlen”,

sagt Johannes Ebeling im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. Nur wer sich

langfristig für den Waldschutz engagiert, soll das volle Geld bekommen.

Aber auch ein kurzfristiger Schutz von Waldgebieten sei bereits sehr hilfreich

für das Klima.

Das Modell hat allerdings

drei Knackpunkte: Erstens gibt es bis heute keinen globalen Handel für

CO2-Verschmutzungsrechte. Lediglich in bestimmten Gebieten, wie etwa der

EU, sind die Zertifikate flächendeckend etabliert – und auch hier

nicht ohne Startprobleme (mehr…). International dürften die Verhandlungen

noch sehr langwierig und kompliziert werden.

Zweitens ist der Waldschutz

in Ländern wie Brasilien nicht allzu einfach in die Praxis umzusetzen:

Sich ausbreitende Siedlungen und neue Anbauflächen für die Landwirtschaft

setzen den Regenwäldern mehr und mehr zu. Der Biosprit-Boom, für

den zusätzliche Ackerflächen geschaffen werden, verschlimmert

die Lage noch weiter (mehr…). Brasilianische Forscher schätzen,

dass illegale Rodungen und Bebauungen den Regenwald am Amazonas bis zum

Jahr 2030 um weitere 20 Prozent verkleinern dürften (mehr…). Die

Regierungen sind in den seltensten Fällen Herren der Lage. “Entwaldung

zu vermeiden, ist alles andere als Nichtstun. Hier sind politischer Willen

und Geld nötig”, sagt Johannes Ebeling.

Und noch einen dritten, entscheidenden

Punkt gibt es: Das Anreizsystem zum Waldschutz kann nur funktionieren,

wenn sich die Industriestaaten zu größeren CO2-Reduktionszielen

verpflichten. Denn nur so werden die Klimazertifikate überhaupt zu

einer gefragten Ware, mit deren Verkauf sich Geld für den Schutz des

Regenwaldes erlösen ließe.

 

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