RootZ Thema – Summer Jam 2003



 

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Sie
taten den Reggae


 

Ein Rockfestival mit Kirchentagsanklängen
– aber das ist dem Publikum, das immer jünger wird, weitgehend egal. 

„Do the reggae“, forderten
Toots Hibbert und seine Maytals Ende der 60er Jahre. Hibbert und noch einige
andere jamaikanische Musiker hatten die Rhythmus-Akzente ihrer vom amerikanischen
„Rhythm & Blues“ beeinflussten 4 / 4-Takt-Songs auf die Zwei und die
Vier verschoben. Jamaikas Jugend folgte. Doch der neue Rhythmus blieb nicht
lange in den Dancehalls des Kingstoner Gettos. Spätestens als Bob
Marley anfing, seine Platten mit Blick auf ein weißes Rockpublikum
zu produzieren, bewegte sich auch der Rest der Welt zum jamaikanischen
Beat. 

Daran hat sich auch 2003
im Prinzip nichts geändert. Der 18. Summerjam – mit rund 20 000 Besuchern
Europas größtes Reggaefestival – ist wieder einmal ausverkauft.
Es sind weniger typische Festival-Touristen, die hier über die Halbinsel
am Fühlinger See schlendern, als überzeugte Reggae-Jünger.
Mit grün-gelb-roten Häkelmützen und dick-verfilzten Rastazöpfen,
oder dem, was ein deutscher Haarschopf so an Rasta-Ähnlichem hergibt.

Liebe
zu Gott

Kaum ein Künstler, der
nicht Frieden, „Unity“ und die eine Liebe, nämlich die zu Gott, propagierte.
Manchmal mutet der Summerjam auch mehr wie ein Kirchentag denn wie ein
Rockfestival an. Allerdings wie ein Kirchentag der Rastafari, der jamaikanischen
Religionsgemeinschaft, die im äthiopischen König Haile Selassi
I. den wiedergeborenen Christus sieht.

Einem Großteil des
Summerjam-Publikums werden diese Glaubenssätze – bis auf den rituellen
Konsum von Marihuana – herzlich egal sein. Doch die friedliche Stimmung
zwischen den Buden mit afrikanischen Reisgerichten, den neuesten Singles
aus Jamaika und der Grundausstattung an Bob-Marley-T-Shirts umfängt
hier jeden. Grauhaarige Hippies, prächtig gewandete Afrikaner, linke
Skinheads und junge Dancehall-Fans in Baggy-Hosen. 

Dank des Dancehall-Booms
der vergangenen drei Jahre scheint sich das Summerjam-Publikum jedes Jahr
noch ein wenig zu verjüngen. Das hat seine Spuren im Programm hinterlassen.
Mit dem BerlinerDancehall-Kollektiv Seeed und den Kölnern Patrice
und Gentlemen wurden gleich drei deutsche Reggae-Stars zu Headlinern des
Festivals aufgewertet. Zu Recht. Als am Freitagabend der mächtige
Bläsersatz von Seeeds erstem Hit „Dickes B“ über die Massen hinwegwehte,
fragte sich wohl niemand mehr, wo denn die Jamaikaner blieben.

Dann
kam Jamaika

Die kamen am Samstag und
sie kamen gewaltig. In Gestalt des großen Entertainers Jimmy Cliff,
des begnadeten Soul-Stylisten Beres Hammond und des ehemaligen Wasserballers
Sean Paul. Der hatte in diesem Jahr als erster Jamaikaner mit unverfälschten
Dancehall-Tracks bis an die Spitze der US-amerikanischen Charts gebracht.
In Köln trieb Sean Paul die Stimmung mühelos auf den Hysterie-Höhepunkt.
Und das mit einem Auftritt, den man eher routiniert nennen möchte. 


Und dann war da noch der
Mann, der die Welt damals aufgefordert hatte, „den Reggae zu tun“, und
der zum ersten Mal den Weg zum Kölner Summerjam fand: Toots Hibbert.
Verbannt auf die kleine Bühne und undankbar zeitgleich zum langjährigen
Festival-Liebling Anthony B. angesetzt. Doch der scheinbar alterslose Hibbert
predigte dem Publikum seine extrem funkige Version von Reggae, als hätte
er die erst gestern erfunden. Und die Summerjam-Jugend folgte glücklich.
KStA 06.07.03

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Copyright Text: KStA
/ Bilder: RootZ Crew 2003
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