Chiemsee-Reggae-Festival Übersee, 10. und 11.07.1998


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Aktion

Chiemsee-Reggae-Festival
Übersee, 10. und 11.07.1998

Uschi Tamba, alias U2, die ich mittlerweile gar nicht mehr
als “Gastautorin”, sondern als wertvolle Mitarbeiterin von I
R I E vorstellen möchte, weil sie so viel für das Magazin tut,
war für uns vor Ort und liefert diesen Bericht. Danke, Uschi, daß
Du einmal mehr für uns naß geworden bist und Schlammaßen
, sowie schlammköpfige Journalisten Dich, genauso wie mich nicht von
dem gemeinsamen Ziel abbringen können,m gute und aussagekräftige
Musik zu promoten.

Ein Festival, welches ich persönlich sehr gerne besuche, da
sich die Vibes im tiefsten Süden z.B. nicht mit dem Summer-Jam vergleichen
lassen. Es ist einfach anders! Wie soll ich das erklären? Fangen wir
so an. Es sind längst nicht nur Reggae-Fans dort. Das bringt die Sache
auf ein ganz anderes Level. Auch wird hier viel mehr getrunken als geraucht.
Ein bißchen Volksfeststimmung ist in der Luft und vermischt sich
mit dem Smell der Reggae-Music.

Seit die Organisation nun auf dem neuen Platz ist, haben sich die
Grundvoraussetzungen total verändert. Es ist angenehm weitläufig,
und man kann sich richtig entfalten. Auch dieses Jahr wurde Chiemsee vom
Regen heimgesucht, doch die aus Vorjahren bekannten überfluteten Campingplätze
hielten stand. Der Matsch war schnell da, doch wie immer war nur die richtige,
in diesem Fall Regenkleidung gefragt, um die Stars auf der Bühne zu
bewundern und uns ein liebes langes Wochenende feiern zu lassen. So manche
Stunde war auch die Sonne sehr heiß zugegen, und dann sah man nur
noch lachende Gesichter.

Das Musiker-Angebot war auch dieses Jahr wieder hervorragend und
ließ unsere Herzen höher schlagen. “Dr. Ring-Ding &
the Senior Allstars” machten am Freitag den Anfang. Aus welchem Grunde
sie ihren Auftritt verkürzten, ist mir bis heute noch ein Rätsel.
“Natural Mystic” hatten sich schon lange auf diesen Auftritt
gefreut und haben dieses dann auch mit ihrer Spielfreude unter Beweis gestellt.
Sind “Ganja Cool” auch bei seiner Fackel-Jonglage die Keulen
aus der Hand gefallen, es wurde eine unvergeßlich Vorstellung. “Third
World” sind in meinen Augen die absoluten Profis. Als sie ankamen,
hatten sie erst mal Hunger, und der ganze Backstage-Bereich wurde von lustigen
hungry lions belagert. Hatten wir einen Spaß. “Shaggy”
war schon in der Gegend und gibt sich nach wie vor so unscheinbar, daß
er sich wieder einmal auf dem Konzertgelände unerkannt bewegt hat.
Aber wehe, die Bühne ist sein Element. Die Bewegungen und die tiefe,
dunkle Stimme des “Mr. Boombastic” ließen die Mädels
kreischen und die Jungs nur noch staunen. Stimmung total. Den zweiten Tag
eröffneten “Sixth Revelation” bestehend aus fünf Vollblutmusikern.
Es folgten “Hypnotix” mit ihrem ganz eigenen Stil, der zur Zeit
immer mehr gefragt ist. Die schwarze Katze aus Benin, “Angelique Kidjo”,
führte mit ihrer unglaublichen Stimme auf den schwarzen Kontinent.
Ein unvergleichliches Repertoire an Lauten und Rhythmen hat diese Frau
auf Lager. “Linton Kwesi Johnson”, der immer aussieht, als wenn
er gerade aus einem Managerbüro kommt, begeisterte die Fans mit alten
und neuen Songs. Diese starke Stimme hat man selbst auf dem Campingplatz
noch glasklar hören können. “Jimmy Cliff”, auch ein
herzlich willkommener Stammgast auf dem Chiemsee, hat sich dieses Mal total
verausgabt und brachte die Menge zum toben.

So, und jetzt kommt wieder einmal der schwerste Part für mich.
Leider hat er mich auf dem Summer Jam’98 schon fürchterlich enttäuscht
und warum sollte es nun wieder anders sein. “Mr. Starallüren”,
so nenne ich ihn zwischenzeitlich, nämlich “Alpha Blondy”
hat auch auf dem Chiemsee wieder völlig gezickt. Eine Stunde Verspätung,
vorfahren bis zum Bühnenaufgang mit dicker Limousine, und auf den
Brettern, die die Welt bedeuten, mußte seine Band dem Publikum einheizen,
während er sich mit dem Handtuch zuwedeln ließ. Alle, die ich
ansprach, zeigten mir den Daumen nach unten für Mr. Größenwahn.
Viele verließen sogar seinen Auftritt und amüsierten sich lieber
im Tanzzelt nebenan. Ein erschreckendes Urteil, aber wahr. Die Veranstalter
sollten sich zwischenzeitlich mal darüber Gedanken machen, ob dieser
hochbezahlte Mann seiner Dotierung gerecht wird. Für mich persönlich
hat er nun endgültig verschissen (ich entschuldige mich für meine
Wortwahl) und ich bevorzuge, zukünftig seine CDs zu Hause zu hören.
Nie mehr zieht mich Alpha Blondy hinterm Ofen her, es sei denn, ich höre
von irgendeiner Seite, daß absolute Besserung eingetreten ist.

Das war aber auch wirklich das einzig Negative am Chiemsee. Am Sonntagmorgen
gab es noch Ten Colours im Dancetent, welche ich gestehe, verpaßt
zu haben, da die Nacht bis zum Morgengrauen durchgetanzt wurde. Es bleibt
zu erzählen, daß Chiemsee aus den Vorjahren wirklich viel gelernt
hat und es sich nun zu einem absoluten Treffpunkt im Reggaesommer gemausert
hat.

Vorsicht für Ganjaraucher bleibt natürlich geboten, obwohl
die Polizei sich recht zurückgehalten hat. Schwer verübelt, aber
ohne Folgen, wurden zum Beispiel den Natural Mystic der Song von Peter
Tosh “Legalize it”. Von den Fans gut angenommen, aber einige
örtliche Journalisten rümpften kräftig die Nase “Man
wäre hier in Bayern.” Was immer das soll, wir haben darüber
gelacht. Übrigens ist das Chiemsee Festival vom Bayerischen Fernsehen
aufgezeichnet worden. Eine Übertragung hat es schon gegeben. Es sollen
aber noch mehr folgen. Leider habe ich dazu auch keine näheren Angaben.
Also mal Bayern 3 hin und wieder gucken. In diesem Sinne freue ich mich
heute schon auf Chiemsee 1999. Ich bin auf jeden Fall dabei und ich hoffe
nur, ohne Alpha Blondy, aber wieder mit allen anderen und natürlich
auch mit Euch.


Copyright: Text:U2 /  Layout: Dr.
Igüz 1998

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