RootZ Aktion – Bericht von Chiemsee Regge Summer 2000

Ein Bericht von RootZ Korrespondentin
ID

mit frdl. Unterstützung
von A.M.O.K. Promotion

Freitag 07.07.2000:

Eines war von Anfang an klar, wir würden nicht so viel Glück
mit dem Wetter haben wie der Summer Jam. Doch so wie der Chiemsee Reggae
für mich begann, glich es schon eher einer mittleren Katastrophe.


 

3 Stunden für die 100 km von München zum Chiemsee: Wochenendstau
auf der A8, wolkenbruchartige Regenfälle, heftiges Gewitter und kurz
vorm Ziel dann auch noch die Polizei, die die Zufahrtstraße abgesperrt
hatte und jeden einzeln aufforderte rechts abzubiegen, um anschließend
zu wenden und sich erneut in der Schlange einzureihen. Nur um schon einmal
eine erste Gesichtskontrolle zu haben, nahmen sie zusätzlichen Stau
mit professionellem Lächeln in Kauf!

Meine Laune steigerte sich nicht gerade als ich bei den Kassen angelangt
war, es war 19:00 Uhr, ich hatte Lee Perry verpasst (dachte ich zumindest),
stand in einer langen Schlange an einem der beiden Kassen an, und da war
sie schon wieder, die Polizei, hoch zu Roß mitten durchs Getümmel
mit den Worten ”Geht mal auf die Seite da unten”! Ich halte das für
verantwortungslos und gefährlich, sich mit den Pferden durch solche
Menschenmengen zu drängen!

Nach Gewitter und starken Regenfällen bot das Festival-Gelände
bereits zu Beginn an einigen Stellen einen recht maroden Zustand. Die angekündigten
Befestigungen halfen nur im vorderen Bereich, je näher man sich Richtung
Hauptbühne bewegte desto matschiger wurde die Angelegenheit.


 

 

Um ca. 19:30 Uhr hatte ich mich zur Bühne vorgekämpft,
Israel Vibration hatte gerade zu spielen begonnen. Und plötzlich verzogen
sich die dunklen Gewitterwolken, die Sonne blitzte hervor und beim 3. oder
4. Song der Band spannte sich ein wunderschöner Regenbogen gegenüber
der Hauptbühne über das ganze Festivalgelände. Klingt kitschig,
war aber wirklich so. Dazu der Roots-Reggae-Sound von Israel Vibration
und plötzlich war alle miese Stimmung verflogen und so ging es wohl
auch meiner Umgebung.

Da störte es auch nicht weiter, dass es wohl noch etwas an der
technischen Feinabstimmung fehlte und nicht jeder Song von Anfang an rund
klang. Das machten die beiden Sänger aber mit ihrer Energie wett.

21:15 Uhr

Mit etwa 15 Minuten Verspätung ging Aswad auf die Bühne,
nachdem das Publikum informiert worden war, dass für die Chiemsee-Region
offiziell Sturmwarnung gegeben worden war.


Die Show von Aswad fing dagegen erst mal ziemlich mau an, es gelang
der Band nicht die Stimmung vom frühen Abend wieder anzuheizen. Erst
in der zweiten Hälfte der Show und mit ihren alten Pop-Reggae-Hits
ging das Publikum dann mit.


Zeit, um sich auf dem Gelände etwas umzusehen. Unzählige
Essensbuden, Stände mit Schmuck und Klamotten, Mützen und Käppis
mit und ohne angenähten Dreadlocks!, aber auch ausreichend Toiletten!


Im Zelt machten bei mäßigem Andrang diverse DJs ihren
Sound.


Der Sturm blieb uns zum Glück erspart und somit auch die befürchtete
Programmunterbrechung.

Deshalb konnte es auch um 23:15 Uhr pünktlich weitergehen.

Mit den ersten Tönen von Beenie Man im schicken Outfit setzt
prasselnder Regen ein, der die ganze Nacht nicht mehr aufhören sollte.
Beenie Man heizte mit seiner Dancehall-Music die Menge noch einmal so richtig
an.


Völlig durchnässt und müde habe ich dann aber bei
der Dancehall-Version von “Maria Maria” den Rückzug angetreten.

Nachtrag zum Freitag:

 

Erst am Samstag habe ich erfahren, dass ich mich überhaupt
nicht ärgern musste Lee Perry verpasst zu haben. Der stand wohl im
gleichen Stau wie ich, kam am Gelände erst an, als Israel Vibration
gerade zu spielen begonnen hatte und reiste noch am Freitag wieder ab.


Völlig unverständlich für mich, dass man keine Möglichkeit
gefunden hat, diese Legende doch noch auf die Bühne zu bringen.

Freitag um 17:30 ist sowieso ein reichlich eigenartiger Programmplatz
für Lee Perry, den viele mit Spannung erwartet hatten, und der ja
nun wahrlich kein Hinterhof-Musiker ist.

Und wie schon in früheren Jahren machte die Polizei mit einem
Riesen-Aufgebot ganz auf wichtig. Dann aber auch noch im laufenden Konzert
in der Menge vor der Hauptbühne jedem Joint nachzujagen ist einfach
mehr als unnötig.

Samstag 08.07.00

 

 



Auch der Samstag begann erst mal mit einer schlechten Nachricht:

Ras Matthias mit dem ich mich am Festival verabredet hatte, und
der die Berichterstattung für RootZ übernehmen sollte, hatte
Grippe und engültig gecancelt. Gut für mich war daran nur, dass
ich nun die Presse-Karte übernehmen konnte.


Das Wetter war schlichtweg besch….. und so habe ich das Mittagsprogramm
mit Tolga, Livin Spirits und Selecter sausen lassen und habe mich erst
gegen 15:30 Uhr wieder aufs Gelände gewagt.


Die Veranstalter hatten fleißig gearbeitet und überall
dort wo am Freitag noch tiefer Schlamm war, zentimeterhoch Stroh ausgelegt.
Doch bei Dauerregen hielt die Strohauflage nicht lange.


Die Stimmung war  bei allen ziemlich am Boden, der Regen, Wind
und Kälte ging langsam allen an die Substanz, besonders natürlich
denjenigen, die die Nacht in ihren Zelten verbracht hatten.

 

Natürlich ließen bei diesem Wetter auch die Zuschauerzahlen
insgesamt zu wünschen übrig. Mit großzügig geschätzten
5000
Gästen blieb man sicher weit unter den Erwartungen. Nur der Gummistiefelverkäufer
machte wohl das Geschäft seines Lebens.

Einzige Rettung war da guter Sound und der kam um 17:30 Uhr mit Sixth
Revelation. Die in München lebenden Jamaikaner vollbrachten das Wunder
mit schönem Roots-Reggae und einigen Dancehall-Nummern für gute
Laune zu sorgen. Wirklich ein Augen- und Ohrenschmaus.


 

 

Und dem Publikum taten die Anfeuerungsrufe und das Lob an ihr Durchhaltevermögen
von Sänger Papa Dee sichtlich gut. Man hat das Gefühl die Jungs
haben richtig Spaß bei dem was sie tun, und ihr Album-Titel “Don’t
Stop Trying” ist wohl Motto.

19:30 Uhr

 

Pünktlich  2 Stunden später kommt Michael Rose in
schwarzer Lederkluft, Dreadlock-Turban und Sonnenbrille auf die Bühne
und liefert eine perfekte, professionelle Show ab.


Durch die Live-Bläser, den Chor und den dominanten Bass wirkt
der Sound rund und druckvoll und hebt sich dadurch von den anderen Bands
ab.

Und unweigerlich werden Erinnerungen an das Black Uhuru Konzert vom
Mai wieder wach. Und auch das Publikum kommt wieder in die Gänge und
rafft sich in Richtung Hauptbühne auf.

21:30 Uhr

 

Da meint man, dass nicht mehr viel Steigerung möglich ist,
dann kommt dieses Energiebündel Buju Banton daher. Der macht einfach
eine tolle Show, die unverkennbare Stimme tut das ihre dazu, da muß
man zu Reggae und Ragga unweigerlich mittanzen, sowieso das einzige Mittel
um nicht zu erfrieren.

 

Trotzdem mache ich mich auf den beschwerlichen Weg durch den Schlamm
in Richtung Zelt, um zu sehen was Red Rat so bietet. Doch dort ist man
in Terminverzug, der Auftritt war für 22:00 Uhr angekündigt,
um 22:30 Uhr ist die Bühne noch immer leer. Also zurück, um noch
den Rest von Buju Bantons Konzert mitzubekommen.

Dann begann das Warten auf Ziggy Marley und The Melodymakers. Laut
Programm sollte Beginn um 23:30 sein. Als Ziggy und der Marley-Clan um
23:10 Uhr noch immer nicht das sind, werden langsam alle nervös.


Aber gut Ding will Weile haben, Ziggy kommt schließlich doch
noch und nach ein paar Interviews, teilweise gemeinsam mit Buju Banton,
geht’s dann um 23:50 Uhr los. Und plötzlich ist auch der Platz vor
der Hauptbühne wieder gerammelt voll.


Ich habe Ziggy Marley das erste Mal live, und dank der Presse-Karte
auch noch ziemlich aus der Nähe, gesehen und muß sagen, dass
ich doch einigermaßen beeindruckt war: Da ist zum einen die Ähnlichkeit
mit dem Vater, zum anderen aber die musikalische Eigenständigkeit,
dazu die Unbekümmertheit hinter der Bühne.


Auch wenn die Bands vorher musikalisch sicher nicht hinten an standen,
war ZMMM was die Zuschauerzahl und damit die Stimmung betrifft sicher der
Höhepunkt des Chiemsee-Reggae. Dazu hatte es pünktlich um 23:00
Uhr aufgehört zu regnen und Ziggy war somit der einzige, der sein
Konzert ohne Regen durchziehen konnte.


Die Marley-Schwestern sorgten dann für einen großen Show-Down,
allerdings war die Einlage von Cedella wohl so nicht geplant. Die schnappte
sich für ein stimmgewaltiges Solo einfach Ziggys Mikro und tigerte
mehrmals quer über die Bühne, der Bruder nach einem Griff ins
Leere an seinem Mikro-Ständer immer hinter ihr her, bis er schulterzuckend
grinsend aufgab.


Um 1:15 Uhr ist dann der ganze Spaß vorbei und sicher nicht
nur mir saß ein anstrengender Tag ziemlich in den Gliedern. Für
Mr. Vegas, der parallel zu Ziggy Marley im Zelt begonnen hatte, fehlte
dann leider die Kraft.

Tolle Fotos, vor allem von Ziggy und mehr Infos wird sicher Julian
Schmidt liefern. Von seinem Super-Engagement für den ZMMM-Fanclub
war ich sehr beeindruckt.

Kompliment an alle, die trotz des Katastophen-Wetters durchgehalten
haben und sich nicht wie ich im Backstage-Zelt erholen konnten.


Vielen Dank auch an Christian G. Müller von Soulshine Records,
der mich an seinem CD-Stand mit seiner Gas-Heizung und heißem Kaffe
vermutlich vor einer Lungenentzündung bewahrt hat und außerdem
eifrig die RootZ-Flyer unters Volk gebracht hat.

Übrigens: Für die Polizei war das Wetter scheinbar zu schlecht.,
am Samstag war von denen nichts zu sehen!


 

 

Was bleibt als Fazit? Vielleicht sollte man den Chiemsee-Reggae-Summer
im nächsten Jahr doch auf einen anderen Termin legen, das 2. Juli-Wochenende
bringt wohl nicht so viel Glück.

< RootZ Korrespondentin ID

Oder vielleicht doch auch an einen anderen Ort? Denn wie das Wetter
lässt sich auch das bayerische Beamtentum nicht ändern. Abgesehen
von der Polizei schafften es auch die Herren vom Gewerbeaufsichtsamt die
Budenbesitzer mit ihren Schikanen zu vergraulen.


Und auch das ganze Theater im Vorfeld, ob die Gemeinde Übersee
das Festival erlaubt oder doch wieder nicht. An den direkten Anwohnern
scheint es nicht zu liegen. Ich habe mit einigen gesprochen und durchweg
positive oder zumindest neutrale Reaktionen erhalten.


Ich bin gespannt wie lange die Veranstalter des Chiemsee-Reggae-Summer
das noch mitmachen werden.


 

Und es wäre wirklich schade drum, denn trotz aller Widrigkeiten
schafften es Veranstalter und Musiker  für gute Stimmung zu sorgen
und das Festival ohne größere Vorkommnisse über die Bühne
zu kriegen.


Also doch bis zum Chiemsee-Reggae 2001?


Copyright Text: ID / Bilder: ID / Dr.
Igüz / Layout: Dr. Igüz 2000

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