>> Aktion  
zurück zur letzten Seite Zum Inhaltsverzeichnis zur nächsten Seite

Gentleman
Far East Band
04.04.02 Duisburg, Hundertmeister
von Ralf Weihrauch




Von allen Konzerten der Gentleman-Tour habe ich wohl das kleinste erwischt. Der Saal des Hundertmeisters in Duisburg fasst wohl gerade einmal etwas über 300 Zuschauer. Dementsprechend war auch die PA ausgelegt, die zwar bestens ausgesteuert war, aber nicht den ganz großen Hörgenuss lieferte.

Gentleman zieht kein typisches Reggae-Publikum. Rastas und schwarze Brethren waren nur vereinzelt zu sehen. Stattdessen waren die meisten wohl wegen des Hypes um den besten deutschen Reggae-Artist gekommen und nicht weil sie Reggae unbedingt toll finden. Ist aber auch egal, Hauptsache sie waren da. Es soll ja auch Leute geben, die Gentleman ablehnen, weil er Deutscher ist, und die einen bei der Erwähnung seines Namens irgendetwas über Kulturdiebstahl und ähnlichen Mist erzählen. Bleibt doch, wo ihr seid!

Nach einem mittelmäßigen Opening-Slot von Benji, der meist auf Hip-Hop Riddims vom Band sang, ging es dann los. Gentleman startete mit einem kurzen Stück von „Leave us Alone“, bei dem das Publikum schon richtig in Fahrt kam. Dann wurde es, wie auch auf Gentlemans phänomenalen Album, rootsig. Das Zusammenspiel mit der Far East Band lief reibungslos und Gentleman konnte sich ganz auf seine Performance konzentrieren. 

Die Show war ganz auf ein deutsches Publikum abgestimmt. Es gab kaum Pausen zwischen den Songs und Gentleman verzichtete, anders als die meisten jamaikanischen Artists. darauf in ellenlangen Ansagen die Massive bekehren zu wollen. Da er Englisch/Patois redete (wieso eigentlich?) hätte ihn sowieso niemand so richtig verstanden. Dennoch sangen überraschend viele die Songs mit. 
So richtig klasse waren auch die vielen Tunes, die er zusammen mit Daddy Rings sang. Dabei überzeugte Rings nicht nur als DJ, sondern auch als Sänger. Es passiert mir nicht oft, dass ich völlig spontan zu einem unbekannten Nebenmann sage „Der kann ja singen!“ Am besten hat mir von ihm „Herb Fi Bun“ auf dem Swing Easy Riddim gefallen, dass er schon mal mit Cocoa Tea aufgenommen hat (Greensleeves Sampler 16, anderer Riddim).

Nach knapp zwei Stunden (mit vielen Zugaben) war das bemerkenswerte Konzert, dass auf hohem internationalen Niveau stand,. beendet. Dabei wurde es zu keiner einziger Minute langweilig, es gab keine Durststrecken, während der man sich sonst gerne mal was zu trinken holt oder aufs Klo geht. So muss eine Show sein!!!


 
Gentleman
Far East Band
Essigfabrik Köln, 30.04.02
von Doc Highüz

Ich hatte es in einem meiner Editorials Anfang des Jahres schon angekündigt: dieses Jahr wird ein Gentlemanjahr. Nicht nur daß der Mann mit seiner „Journey to Jah“ in den Charts steht, nein, auch seine Shows sind all over Germany ein echter Publikumsmagnet. 

So selbst erlebt am 30.4. dieses Jahres. Okay, es war der Abend des Tanzes in den Mai und viele Menschen in unserer Singlegesellschaft sind wahrscheinlich ausgezogen, um in dieser symbolträchtigen Nacht vielleicht mal wieder ein paar Zärtlichkeiten - hoffentlich mit dem anderen Geschlecht - austauschen zu können. Okay, ich war aufgrund des Datums gewarnt, ein höheres Menschenaufkommen war zu erwarten, aber was sich da vor den Toren der Essigfabrik abspielte, war schierer Horror. 
 
Ich wußte schon im Vorfeld, daß das Konzert restlos ausverkauft ist und habe mich deswegen schon gewundert, daß mehr als eine halbe Stunde nach „Doors Open Termin“ immer noch eine mehr als 1500 Leute umfassende Schlange vor dem Tor stand. Überall wurde nach Tickets gefragt oder darum gefeilscht, Mobiltelefone bimmelten – „wo bist Du, ich stehe am rechten Ende des Pulks...“ usw. – Chaos pur. 

Lieber Veranstalter, wäre es so schwer gewesen, ein großes Schild mit der plakativen Aussage „AUSVERKAUFT“ am Tor anzubringen? Es bringt wenig, wenn nach stundenlanger Rumsteherei der Radney versucht per unverstärktem Stimmband diese Message rüberzubringen. Jedenfalls waren ungefähr die Hälfte der Leute in der Schlange ohne Karten und wären bestimmt nach Hause gegangen, wenn ihnen die Sinnlosigkeit ihrer Warterei bewußt gewesen wäre. 

Unsereins mit gültiger Zugangsberechtigung wäre es dann nicht zugemutet worden, mehr als zwei Stunden das bekannte Ölsardinenphänomen zu ertragen und auf Einlaß zu harren. Man kann jetzt sagen: „naja, war halt ne Reggaeveranstaltung...“ aber genau das ist ein schlechtes Aushängeschild für die Szene, insbesondere bei einem Gentleman Konzert, wo maximal die Hälfte der Leute tatsächlich genuines Reggaepublikum sind, der Rest aber eher aus Pop-Crossover-Publikum besteht. 

Einen Vorteil hatte die Rumhängerei vor dem Tor jedoch: wir konnten beobachten, wie Mr. Gentleman in einem sichtlich älteren Kleinstwagenmodell vor dem Veranstaltungsort ankam und sofort in den Eingeweiden der Essigfabrik verschwand. Starallüren hat der Mann aus Köln Porz absolut nicht und das macht ihn sympathisch. 
 
Nachdem es uns lange Zeit später mit platten Füßen, schmerzendem Kreuz und um einige Joints ärmer endlich gelungen war, das Tor der Essigfabrik zu durchschreiten, fühlte ich mich ganz unvermittelt durch eine Zeitmaschine in eine andere Epoche versetzt. Um mich herum waren fast nur Menschen, die ein paar Jährchen unter 20 waren und ich war offensichtlich mal wieder der Gesichtsälteste. Nein, das ist kein Zeichen von Midlife Crisis oder ähnlichen Altersgebrechen, sondern einfach nur eine Feststellung. Und ich bin happy, daß Reggae scheinbar wieder eine Nachwuchsgeneration hat. 

Den Programmauftakt in der Halle der Essigfabrik machte der Kölner Sound Natty Crown und wurde nach ungefähr einer Stunde von Kingstone abgelöst. Diese Soundcrew um Radney und Lazy Youth machte richtig Druck, um die Massive für Gentleman gut aufzuheizen. 

Gegen Mitternacht kamen sie dann: Die Far East Band – Gentleman’s neue Backing Band, nachdem er sich von der Killing Riddim Section getrennt hat – legte sich für ein Medley aus Classic Rhythms ins Zeug, bevor Gentleman selbst mit einer tosenden Begrüßung durch das Publikum die Bühne betrat. Es folgten alle Hits, fast die komplette neue Scheibe und ein paar musikalische Exkursionen nach Jamaika. Natürlich durfte an diesem Abend sein langjähriger Partner Daddy Rings nicht fehlen und gemeinsam haben die zwei Sänger für gute eineinhalb Stunden auf ihrer Journey to Jah Station in der Kölner Essigfabrik gemacht. 
 
Dann kam der Break. Ein Drittel der Leute hatte nach dem Liveact offensichtlich genug und begab sich auf den Weg nach Hause, mehrere Hundert Menschen wollten jedoch noch in den Mai skanken. Auf dem Programm standen Pow Pow, denen ja nachgesagt wird, daß sie ein unglückliches Händchen haben, was das Auspegeln des Sounds angeht. Auch an diesem Abend konnte man es wieder eindeutig hören, denn aus den Boxen kam nur noch ziemlich verzerrtes Gewummere. Was jetzt keine Kritik an der Selection sein soll, aber ein klarer Sound ist immer noch besser zu genießen. 

Die Leute jedoch waren in Tanzstimmung und ließen sich auch nicht von dem Kratzen in den Boxen abtörnen. Ich wäre eigentlich gegangen, wollte aber unbedingt noch das europäische Reggae-DJ-Urgestein David Rodigan hören, denn das habe ich live bis dato noch nicht geschafft. 

Bis halb fünf am Morgen habe ich es ausgehalten, von Rodigan war nix zu sehen. Und ich hatte zu diesem Zeitpunkt genug auf die Ohren bekommen, so daß ich mich ein bißchen enttäuscht auf den Nachhauseweg machte. Ein paar Tage später habe ich gehört, daß Rodigan wohl versucht hat aufzulegen, dann wohl aber den Soundengineer verbal zusammengefaltet hat und wutentbrannt abgereist ist. Damit kommt jetzt die Frage auf: War jetzt das übereifrige Händchen von Pow Pow oder ein unfähiger Engineer Schuld an der Soundkatastrophe?


Copyright Text / Bilder Duisburg: Ralf Weihrauch / Text / Bilder Köln / Layout: Doc Highüz 2002 Zum Seitenanfang