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Nachbericht
vom Chiemsee Reggae
Festival 2002

Gleich ein Statement vorab: 
Gerne hätten wir auch vom Chiemsee Reggae Summer eine Live-Berichterstattung wie vom Rototom Sunsplash gemacht. Die RootZ Crew stand mitsamt Equipment bereit, doch leider konnten wir bis zuletzt vom Veranstalter keine definitiven Zusagen zu den dazu von uns benötigten technischen Voraussetzungen bekommen.
Also habe ich mich mit Digitalkamera bewaffnet alleine auf die Socken gemacht und deshalb gibt’s Bericht und Bilder vom Festival halt etwas verspätet.
An der Betreuung vor Ort hat es nicht gelegen, aber wie gesagt, so eine Live-Berichterstattung erfordert halt auch einen gewissen technischen Aufwand und da lebt das CRS quasi noch in der Steinzeit. Sorry, aber nehmt euch da mal Italien und das Rototom Sunsplash als leuchtendes Beispiel. Da gab es ein ganzes, Tag und Nacht bewachtes, Internetzelt mit Server, Netzwerk und allem Drum und Dran. Vielleicht nächstes Jahr!!!?????

Vom Freitag, 23.08.02, habe ich leider noch nicht sehr viel zu berichten, der ging mit Stau und Organisatorischem drauf. Das Chaos bei der Anfahrt ist ja jedes Jahr das gleiche Spiel
 - und jedes Jahr der gleiche Grund: Die Herren in Grün sperren die Strasse ab, um jedes Fahrzeug einer Sichtkontrolle zu unterziehen, und der Stau geht zurück bis auf die Salzburger Autobahn. Na prima!

Dazu war der Andrang so groß wie noch nie. Die Wettervorhersage für das Wochenende war gut, im Vorverkauf gingen fast doppelt so viele Karten weg wie im Jahr zuvor. 
Aufgrund dessen erwarteten die Veranstalter ca. 25.000 Besucher und recht viel weniger dürften es auch nicht gewesen sein. Aber eines ist auch klar: Damit ist das Festival mit seiner Kapazität am Limit. Da dürfen sich die Macher des CRS für nächstes Jahr etwas einfallen lassen!

Zu Seeed und Israel Vibration kann ich deshalb auch nur wiedergeben, was mir so zu Ohren gekommen ist.
Seeed hatte einen guten Auftritt mit sicherlich den meisten Zuschauern des Freitagsprogramms, kam  aber  von Sound und Bühnenshow nicht an die Qualität und Power des letzten Jahres heran. Kracher waren eindeutig die Songs aus dem alten Album wie „Dickes B“, die neue Scheibe schlägt live bei weitem nicht so gut ein wie der Vorgänger. Tritt da etwa nach dieser Wahnsinns-Präsenz im letzten Jahr so etwas wie Übersättigung beim Publikum ein? Auf jeden Fall muss die Berliner Truppe aufpassen, dass sie sich mit ihrem Stil nicht totlaufen. 
Und die Musikindustrie hat für dieses Jahr schon einen anderen zum Star bestimmt – Gentleman – aber der kommt erst am Samstag dran.
 

Israel Vibration waren am Freitag der Höhepunkt für die Roots-Reggae-Fangemeinde. Ihre Show ist auch mit den zwei Frontmännern, wie auch schon beim CRS 2000, gewohnt souverän, aber ohne besondere Highlights.

Die neueste Einrichtung im vergrößerten Pressezelt waren die Pressekonferenzen. Dafür ging man mit Backstagepässen äußerst sparsam um. Begründung: Die Presseleute sollen die Möglichkeit zum Kontakt/Interview mit den Künstlern bekommen, aber nicht dauern im Backstagebereich „herumhängen“. Erster Gedanke gut und unbedingt für nächstes Jahr beibehalten, zweiter Gedanke im Ansatz auch gut, aber gescheitert, denn es war backstage genau so viel los wie die Jahre zuvor. Kleiner Tip: Statt 27 verschiedenfarbiger Pässe auszugeben, wären weniger unterschiedliche und dafür eindeutig zuordenbare Ausweise besser. Vor allem sollten sie sich vom Vorjahr unterscheiden!!

Nochmal zu den Pressekonferenzen:
Die Termine für Joy Delanane und Seeed waren für den späten Nachmittag angesetzt und wurden dann auf 19:30 verschoben, weil zwar auf dem Festivalgelände schon der Bär los war, das Pressezelt aber noch gähnend leer. Die Damen und Herren von der Presse kamen allesamt recht spät an, standen zum Grossteil wohl genauso im Stau wie ich.
Die Einrichtung dieser Pressekonferenzen halte ich für gut, wie die Kollegen damit umgehen teilweise schlichtweg für eine Sauerei. Aber dazu ebenfalls später.

24.08.02
Der Samstag beginnt erst einmal mit einer Programmänderung: An Stelle von Jamaica Papa Curvin springen Overproof  aus ein. Die Engländer kommen zusätzlich zu ihrem Auftritt um 20:00 Uhr auf der Zeltbühne unerwartet auf die Mainstage, auch wenn der Mittagsspot nicht gerade der dankbarste ist. Leider habe ich die sympathischen Jungs aus Birmingham versäumt, wirklich schade, denn Jeder hat von ihrer tollen Show geschwärmt.

Was nun wirklich mit Jamaica Papa Curvin los war lässt sich nicht ergründen. Die Presseerklärung des sogenannten Managements mit teilweise recht heftigen Anschuldigungen kann man ungefähr in jedem Gästebuch nachlesen. Seitens Veranstalter gibt es dazu keine offizielle Stellungnahme, es hieß nur, dass Papa Curvin aus Termingründen abgesagt hätte.

Auch zu De Phazz kann ich keine Aussage machen, ich bin erst zu Brothers Keepers zur Mainstage vorgestoßen.
Ich habe noch etwas ruhigere Zeit auf dem Gelände genutzt, um über den Basar zu bummeln und wie viele andere Besucher das tolle Wetter zu genießen.

<Impressionen/Relaxen_01>   <Impressionen/Relaxen_02>

Dabei begegnen einem natürlich auch ein paar ziemlich skurrile Gestalten, wie diese Gruppe aus den neuen Bundesländern. Dass da am frühen Nachmittag schon jede Menge Alkohol im Spiel war, bräuchte ich wohl eigentlich nicht erst erwähnen.

<Impressionen/Ossis>

Aber zurück zu Brothers Keepers:
Brothers Keepers ist ein Musikprojekt afrodeutscher Künstler, die vor allem mit dem Song „Adriano“ Aufmerksamkeit erregten, und natürlich dadurch, daß DIE namhaften afrodeutschen Musiker wie Xavier Naidoo, Joy Delanane und Samy Deluxe an diesem Projekt mitwirken.
Ich hoffe, einige erinnern sich noch: Alberto Adriano war der Mosambiquaner, der von Skinheads zu Tode geprügelt wurde.
Neben dem Musikprojekt gibt es außerdem den dazugehörigen e.V., dem jeder beitreten kann.

Den Hauptpart der Show bestritten Bantu, die dieses Projekt mitgegründet haben, mit einer guten Mischung aus Reggae, Ragga, HipHop, Rap und afrikanischen Rhythmen. Wobei eben bei diesem Projekt und diesen Künstlern wirklich nicht nur der Sound, sondern auch der (politische) Inhalt zählt.
Aber allzu ernst soll es ja auch nicht zugehen und die beiden Brüder Adé und Don Abi haben es verstanden die Leutchen am Nachmittag zahlreich vor die Mainstage zu locken und zum Tanzen zu bringen.

Noch vor Ende der Show mache ich mich auf den Weg ins Pressezelt, dort ist die Pressekonferenz von Gentleman angekündigt.
Und da herrscht auf einmal ein Riesenandrang. Im Pressetent ging bisher eher ruhig und beschaulich zu, jetzt tummeln sich da jede Menge Leute, Plötzlich taucht sogar RTL mitsamt Kamera aus der Versenkung auf, vorher, nachher nie wieder gesehen!!!
Vom Frage-Antwort-Spiel bekomme ich leider nicht alles mit, an die 20 Leute mit Mikros umringen den Tisch. So neu oder interessant sind die Fragen zum Beispiel nach seinen Jamaika-Aufenthalten aber auch nicht. Die Öhrchen gespitzt habe ich dann aber schon als Gentleman sein Statement auf die obligatorische Frage nach seinem Ganja-Konsum abgibt.
Ja klar, er rauche, das sei ja auch kein Geheimnis. Ihm täte das gut, aber das muß jeder für sich selbst wissen, jeder reagiert auf Weed anders. Er kann da nur für sich persönlich sprechen, keine Empfehlung für andere geben.
Und da dachte ich mir gerade: Weiha, hat ihn da doch die Plattenfirma eingebremst, ihm quasi einen Maulkorb verpasst? Wo es doch fester Bestandteil seiner Show ist, einen Joint anzuzünden und für die Legalisierung zu voten!
Aber da kommt schon die nächste Frage/Antwort und ich revidiere meinen Verdacht:
Frage: Hat es eine besondere Bedeutung für Gentleman hier in Bayern aufzutreten, im Stoiber-Land?
Antwort: „Nein. Nein. Stoiber hat keine Bedeutung. Stoiber ist ein Wichser.“ Und dass er fest daran glaubt, dass die Menschen in Deutschland schlau genug sind Stoiber nicht zu wählen.
Maulkorb????

Gleich im Anschluß an Gentleman ist die PK von Overproof angesetzt. Die Jungs kommen rein und Schwupps, das Pressezelt ist quasi leer. Zwei, drei Rekorder-Bewaffnete bleiben übrig, eher gezwungenermaßen, weil die CRS-Presseleute an ihren Anstand appellieren, sitzen betreten da, allerdings lange nicht so betreten wie die Band, und wissen nicht, was sie sagen sollen. Ein Kollege für eine afrikanischee Zeitung stammelt dann irgend ein wirres Zeug. Hab’s nicht verstanden, nur dass dauernd „Gentleman“ drin vorkommt. 
Als er mitbekommt, dass er vor Overproof steht und die nichts mit Gentleman und seiner Band zu tun haben, trollt er sich.
Und hier mein zweites Statement: 
Was bildet ihr eingebildeten Presseaffen  euch eigentlich ein? Habt ich denn keinen Funken Anstand und Respekt für diese Musiker im Leib? Ihr sensationsgeiles Pack! Star im Kasten, noch schnell ein billiges Bier aus dem Zelt mitgenommen und ab durch die Mitte!
Na gut, zugegeben, dass Overproof auf der Hauptbühne spielt und zur Pressekonferenz kommt, war nicht abzusehen. Aber ist das nicht genau DIE Chance für einen Journalisten an neue Themen, Bands, Namen zu kommen? Wäre es nicht viel interessanter Hintergrundinfos zu einer jungen Band zu bekommen, als Gentleman zum 3000ten Mal die gleiche Frage zu stellen?
Ähnlich war die Situation übrigens auch am Sonntag bei der PK mit Luciano und Sixth Revelation im Anschluß.
 

 Um 17:30 geht’s aber musikalisch erst mal in einer ganz anderen Richtung weiter und das jamaikanische Ska-Urgestein Skatalites betritt die Bühne.
Da stehen in einer Linie aufgereiht: am Kontrabass mit Sonnenbrille, Hut und rot-gelb-grünen Schal, Lloyd Brevett, Lester Sterling, wie ein in die Jahre gekommener Pumuckl (nicht bös gemeint), mit seinem Sax und Dizzy Moore trompetet wie wild.
Ganz ehrlich, musikalisch ist dieser Ur-Ska mit einer gehörigen Portion Jazz nicht meins, aber trotzdem bleibt man stehen und guckt zu, was diese - mit Verlaub – alten Herren da aus ihren Instrumenten raushauen. Alle Achtung! Und auch wenn ich behaupte, diese Art von Musik wäre mir zu anstrengend, wippe und summe ich doch mit, einfach weil man das meiste schon 1000 mal gehört hat. 
Mit der Sängerin (Doreen Shaffer) wird’s ein bisschen souliger, wieder mehr was für mich, aber trotzdem gibt es bei einem solchen Festival noch jede Menge andere Dinge zu tun und ununterbrochen vor der Bühne stehen packt man auch nicht. Der Abend ist ja noch lang.

Das Festivalgelände füllt und füllt sich, zweifellos bewegen wir uns auf den Höhepunkt für den Samstag zu. Als pünktlich um 19:30 Uhr Gentleman die Bühne betritt ist nirgends mehr ein Durchkommen. So viele Menschen auf einmal hat das CRS noch nicht erlebt. Aber angenehm ist das auch nicht mehr! Der Chiemsee Reggae Summer platzt aus allen Nähten.
Und Gentleman ist der Star des Festivals. Er macht aber auch wirklich eine tolle Show!
Natürlich gibt’s viel vom neuen Abum „Journey To Jah“, selbstverständlich inklusive dem Single-Hit „Dem Gone“.... Und die Mädls kreischen. Es ist wirklich unglaublich. Gentleman jumpt von einer Bühnenseite zur anderen, Tausende Arme schwingen 90 Minuten lang mit. Da erübrigt sich eigentlich die immer wieder in die Menge gebrüllte Frage „Are you alive?“. Und die Teenies hängen an der Absperrung und schreien „I love you“. Gerade, dass keine Teddybären und Unterhöschen auf die Bühne fliegen. Ich muß ehrlich gestehen, ich habe die Wirkung von Gentleman auf  die Kids bisher völlig unterschätzt. Ist aber ja auch ganz gut so. Auch wenn mir persönlich das manchmal zu wenig Singen und zu viel „Geschrei“ ist, was der Kölner so macht,  aber ich bin ja auch schon die nächste Generation. Wenn es solche wie Gentleman und Seeed nicht gäbe, würden ja die Besucher ebenso wie die Bands bei einem Reggaefestival in ein paar Jahren am Krückstock daherkommen.

Aber Gentleman schlägt inzwischen auch mal ruhigere Töne auf der Stage an, solche zum Feuerzeug-Mitschwenken. Sehr schön auch der Auftritt von Martin Jondo, Gentleman überlässt dem kleinen, eher unscheinbaren, schüchtern wirkenden Mann mit der Gitarre die grosse Festivalbühne mit dem Hinweis, genau auf diese Stimme zu achten.
Er singt „Crazy Balthead“ und „Rainbow Warrior“ nur zu seiner Gitarrenbegleitung und auf diese Weise muss man eine Bühne erst einmal akkustisch füllen! Respekt! Martin Jondo hatte ja in diesem Jahr schon mehrere Auftritte als special guest bei diversen Künstlern, und man wird sicher wieder von ihm hören.

Der traditionellen Part der Show, einen Joint anzuzünden ist diesmal dem Background-Sänger mit dem Dread-Turban vorbehalten. Denn was Gentleman in der Hand hält, als er nach dessen Song wieder auf die Bühne kommt, entpuppt sich als gaaanz normale Zigarette. 
Dafür fordert er die Crowd auf, ja nicht Stoiber zu wählen, und am Schluss gibt’s dann doch auch noch einen Zug vom feinen Weed.

Da konnten Steel Pulse auch nichts mehr draufsetzen.
Und wenn die glauben, dass man die Stimmung im Publikum aufheizen kann, indem man es eine halbe Stunde warten lässt, nachdem sie von den BR-Leuten Dagmar Golle und Markus Othmer bereits auf der Bühne groß angekündigt waren, haben sie sich aber geschnitten. Zum Glück ist die Reggae-Massive eh eine geduldige. Aber solche Aktionen sind auch gegenüber dem Veranstalter und den nachfolgenden Künstlern, in diesem Fall Alpha Blondy, unfair. Bis dahin lag man nämlich auf die Minute im Zeitplan und weil man am Chiemsee (zur Erinnerung: wir sind in Bayern) eine strenge Sperrstunde hat, hat man Alpha Blondy um 01:15 Uhr gnadenlos den Saft abgedreht.
Aber zurück zu Steel Pulse, und ich bin noch nicht fertig mit Wettern. Gerne hätte ich nämlich mehr vom Konzert berichtet und noch ein paar schöne Bilder gemacht.
Aber: Vorgabe von der Band war, Bilder nur während der ersten 5 und  beim letzten Song (????). Da steht der David Hinds also ganze 5 Songs mit seiner Gitarre wie festgenagelt hinter seinem Mikro und kaum sind alle aus dem Fotograben verscheucht, springt er nach vorne und zieht eine Show ab. Und hat man seinen zugegeben exklusiven Platz direkt vor der Bühne verloren, gibt es auf dem überfüllten Gelände quasi keine Möglichkeit, das Konzert mit einigermaßen guter Sicht oder Akkustik weiter zu verfolgen.
So bleibt mir nur zu schildern, das Steel Pulse mit dem Klassiker „Roller Skates“, einem meiner Lieblingssongs, die Show beginnt. Unter den ersten 5 Songs ist mit „Steppin’ Out“ noch ein weiterer Song vom Album „Earth Crisis“.
Ansonsten habe ich nichts wirklich Neues oder Spektakuläres gehört und nach 90 Minuten ist es dann auch genug mit ihrem typischen Steel Pulse-Sound.

Auch nichts wiklich Neues hatte Alpha Blondy im Gepäck. Aber er zeigte eine souveräne Show, körperlich fit, ohne Perücke (glaub ich wenigsten, weil da scheint es etwas licht durch die Dreads) und bot der Audience einen schönen Abschluß für den 2. Festivaltag. Seine Show hat schon alleine durch die mehrsprachigen Texte, zu Beginn der Psalm auf Französisch und natürlich die Lyrics auf Hebräisch, seinen ganz eigenen Charakter.
Wie schon erwähnt musste er seine Show mit einer halbstündigen Verspätung beginnen und wurde um die letzten 15 Minuten gebracht. Trotzdem gab es keinen Stress mit dem Mann von der Elfenbeinküste, der ja als recht exzentrischer und schwieriger Künstler bekannt ist, aber am Chiemsee wie bei den anderen Festivals in Europa ganz moderat und umgänglich auftrat.
Ich hatte das selbe Problem wie schon bei Steel Pulse. Die Security weist dich aus dem Fotograben (mit der Begründung, damit die andern Leute auch was sehen!! Anm.: Ich bin 1,68 m gross!) und du stehst das restliche Konzert völlig abseits. Was heisst das für mich? Zeit für’s Bettchen.

Sonntag, 25.08.02
Wenn man so mittags übers Gelände läuft, sieht man erst wie sehr die wiese nach 2 Tagen Festival gelitten hat. Nach den vielen Regenfällen in den Wochen zuvor war der Boden zwar trocken aber sehr sehr weich (Jeder Regentropfen an diesem Wochenende wäre sofort zu einer Schlammschlacht geworden). Und so war am Sonntag auch der allerletzte Grashalm tief in die Erde getrampelt.

Den undankbaren Mittagsjob am 3. Tag des CRS hat in diesem Jahr Fôô Fanick.
Das ist namentlich Fanick Marie Verger aus dem Benin mit einer Berliner Band.
Der Afrikaner lebt seit über 10 Jahren in Berlin und ist dort sehr engagiert in Projekten für die Kultur Benins in Deutschland.
Er bringt ein Kunststück fertig, das ich nie verstehen werde, er spielt Schlagzeug, macht die Percussion – und singt dazu. Faszinierend, auch wenn ich streckenweise das Gefühl hatte, versucht seine eigenen Drums zu übertönen.
Fanick Marie Verger macht einen schönen, rootsigen Afro-Reggae. Das macht richtig Stimmung am Sonntag Mittag beim schönsten Sonnenschein.

Dass Fanick Verger, der übrigens sehr gut deutsch spricht, ein beeindruckender Mann ist, hat er auch in der anschließenden Pressekonferenz gezeigt.
Auf die Frage, was er von der deutschen Reggae- und Musikszene überhaupt halte, hat er ein Statement abgegeben, das ich so nur unterschreiben kann.

Er fragte, warum man in Deutschland – nicht nur, aber hier besonders – Amateure und „Freizeitmusiker“ in einen Topf mit den Profis wirft. Fanick ist seit über 20 Jahren Profimusiker und muss sich bei Clubs und Festivals in der Gage mit Amateurbands messen. Doch wer misst ihn zu den anderen in der Qualität seiner Musik. Für die meisten Booker zählt doch überhaupt nicht, was eine Band an Erfahrung, Routine und Können mitbringt, sondern nur, dass sie möglichst billig hergeht. Das Publikum kennt den Qualitätsunterschied eh nicht (denkt zumindest der Booker. Aber ich leider auch manchmal!).
Warum wird nicht, wie im Fussball, in zwei Klassen oder Leagen getrennt. Und danach richtet sich dann auch die Nachfrage und das Einkommen. Ein Olly Kahn würde all sein Geld auch nicht bei einem Profiverein wie Bayern verdienen, wenn er spielen würde wie einer aus der Regionalliga. Und der wiederum muss sich seinen Erfolg bis zum Profi erst erarbeiten. Der kommt auch nicht direkt aus der Kreisliga zu Bayern.
Ein guter Vergleich, finde ich, den kann doch jetzt wirklich jeder verstehen!

13:30 Uhr, nach Afrika, wird es jetzt wirklich exotisch. Ich glaube aus Neuseeland war noch keine Band beim CRS. Moana & The Tribe haben einen spektakulären Auftritt. Maori-Krieger in Lendenschutz und symbolhaften Tattoos stapfen schreiend, grimmig mit den Augen rollend und eine Axt schwingend auf die Bühne. Nicht weniger beeindruckend ist Moana, die Sängerin. Sie tut dies aber nicht durch Lautstärke, sondern eine Wahnsinns-Ausstrahlung. Ihre Songs sind gefühlvoll, in ihren Texten setzt sie sich für die Rechte und Traditionen der Maori, der Ureinwohner Neuseelands ein.
Ein schönes Programm, eine ganz eigene Mischung aus Pop, Reggae und Pazifik, aus traditionell und modern, mit teilweise fast mystischen Klängen, und eben einer Message, die zum Nachdenken anregt. 
Fast ein bisschen zu schade für ein müdes, müdes Reggaepublikum am frühen Sonntag Nachmittag.

Und dann war programmtechnisch die Verwirrung perfekt. Dass Gregory Isaaks nicht kommt, hatte sich weitgehend schon rumgesprochen, dass man dafür im wahrsten Sinne des Wortes in letzter Minute Sixth Revelation verpflichtet hatte, wussten schon viel Weniger. Jetzt war aber auch noch Eek-A-Mouse zu spät aus Hamm weggefahren, wo er tags zuvor gespielt hatte, und so holte man die Jungs von Sixth Revelation direkt aus dem Proberaum schon um15:30 Uhr auf die Bühne.
Und schon wieder ein Statement:
Es ist natürlich für den Veranstalter ganz angenehm, wenn er schnell eine jamaikanische Reggaeband aus dem Hut zaubern kann, weil die ihre Sommerbase ausgerechnet genau am Chiemsee hat. Aber 3 Jahre hintereinander? Ist das fair, eine Band die Jahr für Jahr für tolle Stimmung beim CRS sorgt, und nach der immer wieder Viele beim CRS fragen (siehe das Forum auf der Festivalhomepage), schon zum dritten Mal in Folge als Ersatzband ohne jede Werbung zu präsentieren?
Hätten die nicht mal einen ANGEKÜNDIGTEN Spot im Abendprogramm verdient?

Denn natürlich waren es auch in diesem Jahr wieder Sixth Revelation, die die Crowd aus ihrem Nachmittagsschläfchen aufrütteln und vor die Bühne zum Abtanzen bugsieren konnten.

Die Besetzung war gegenüber letztem Jahr leicht verändert. Diesmal kam Sixth Revelation anstatt dem Gitarristen mit einem zweiten Keyboarder, wovon der Sound vor allem bei den DJ-Parts von Tolla profitiert.

Die Show beginnt mit einem ihrer älteren Songs „We Come From Jamaica“. Obligatorisch sind natürlich der Sommersong „Cool Vibration“ und – logisch –  „Chiemsee Reggae Summer Festival“. Und Papa D springt noch wilder auf der Bühne und den Boxen hin und her wie 2001.

Und mit 2 Stunden Verspätung: Eek-A-Mouse .
Eek-A-Mouse ist auf jeden Fall eine imposante Erscheinung, mit seinen 2 Metern Grösse und wie meistens ganz in Schwarz mit Netzhemd.
Aber so richtig will der Funke auf das Publikum nicht überspringen. Die Mouse spult sein Programm runter, natürlich mit einigen Songs aus dem letzten Album Eeksperience. Aber es fehlt an Spritzigkeit und Elan und dass da jede Menge Leute vor der Bühne stehen, scheint Da Mouse wohl ganz zu übersehen. Und dann geht er schon nach einer Stunde nach einem Mouse-typischen Silbengewitter von der Bühne, eine halbe Stunden zu früh, ohne Zugabe. Nichts! Dafür spaziert er wenig später lieber mit seinen beiden magersüchtigen Backgroundsängerinnen übers Festival. 
Erst 2 Stunden zu spät kommen und dann zu früh aufhören. Man kann einen Programmablauf auch mit Gewalt durcheinander bringen. Muss man nicht verstehen!!!!

Luciano kann auf die Schnelle auch nicht mehr vorgezogen werden, da er noch seine Pressekonferenz geben muss, aber dafür gehts dann um19:30 Uhr pünktlich weiter.
Die Luciano war mein persönlicher Höhepunkt beim CRS 2002. Das war eine der tollsten Liveshows, die ich je gesehen habe. Mann, steckt in dem ein Power. Luciano rennt 90 Minuten quasi pausenlos immer am Bühnenrand entlang von ganz links nach ganz rechts inklusive Handstand Überschlag und Spagat. Springt bei „He’s My Friens“ auf die Lautsprecher bis die gefährlich wackeln, hüpft in den Fotograben und steigt auf die Absperrungen, sucht immer wieder den direkten Kontakt zur Audience. Und flirtet auch wie wild! Und trotzdem sitzt jeder Ton, hat Luciano immer alles unter Kontrolle. Ich muss zugeben, bei all dieser Power und Präsenz bleibt mir der Mund offen stehen und ich könnte noch nicht einmal sagen, welche Songs Luciano noch gesungen hat. Bis auf die wunderschöne Ballade „Guess What’s Happening“ und den „Old Pirat“ („Redemption Song“), den er BoB Marley zu Ehren nur zu eigener Gitarrenbegleitung singt. Wenn Luciano nicht so geschwitzt hätte, würde ich ja schwören, dass ihm dabei ein paar Tränchen runtergekullert sind.
Am Schluss bin ich die Einzige im Fotograben und glotze phasziniert, was da auf der Bühne passiert, bis mich die Security aus dem Graben schmeißt.
Luciano gibt sich aber auch hinter der Bühne so kontaktfreudig. Er grüßt jeden freundlich, gibt bereitwillig Autogramme. 
Der „Messenger“ geht mit seiner Botschaft von Liebe und Gerechtigkeit wirklich auf die Menschen zu und predigt sie nicht nur von der Bühne herab.

Auf UB40 als letzte Band des diesjährigen CRS habe ich nur noch einen kurzen Blick geworfen. 1. weil, ich vor dem großen Stau schon weg sein wollte und 2. weil mich die Starallüren der Engländer schon den ganzen Nachmittag genervt haben.
Die haben sich doch glatt um ihre Garderobencontainer eine Mauer aus ihren Cases gebaut und haben sich dahinter verschanzt (vielleicht damit ihnen keiner keim K..... zusieht???)
Außerdem musste eigens ein anderes Backdrop aufgezogen werden, auch wenn zugegebenermaßen ein besonders schönes war.
Aber mal ganz ehrlich. UB40 hat die besten Zeiten schon hinter sich. Die sind vor 15 Jahren musikalisch stehen geblieben und leben von ihren alten Hits.
Und die bringen auch mit doppelt so viel Leuten auf der Bühne nicht halb so viel Power her wie Luciano.

Alles in allem war ein schönes Chiemsse Reggae Summer 2002, da ist ja das Wetter schon die halbe Miete!
Kritisiert habe ich in meinem Bericht eh schon genug. Nur noch mal kurz zusammenfassend:
Wenn die Besucherzahlen für 2003 nochmal so ansteigen wie gegenüber dem Vorjahr gibt es wirklich ein Problem. Mehr Volk packt das Gelände wohl nicht mehr, von den sanitären Einrichtungen ganz zu schweigen.
Versorgungstechnisch hat alles ganz gut geklappt, zumindest soweit ich das mitbekommen habe. Es war wohl ein Glück, dass man am Donnerstag noch einen Polen auf der Autobahn abgefangen hat, der mit fettigen Pfannen und abgelaufenen Fleisch in Richtung Festival unterwegs war. Bei der Auswahl der „Essensbuden“ sollten die Veranstalter drauf achten, dass nicht noch mehr HotDog-, Döner- Pommes- und Bratwurststände dazukommen.

Eine gute Idee fand ich die Geschichte mit den Mülltüten. Alle Camper mussten sich gegen 5 EUR Pfand eine Mülltüte besorgen. Gibt man am Ende die Mülltüte (hoffentlich voll) wieder zurück, bekommt man auch seinen Einsatz wieder. Ich bilde mir ein, dass dieses Jahr nicht gar so viel Müll rumgelegen hat,  allerdings kann ich  auch nichts darüber sagen, ob das Organisatorische dabei wirklich geklappt hat.

Und alles andere.... na ja, wie schon gesagt!

Dann bis zum CRS 2003 mit einem schönen Container mit Internetzugang für eine Live- Berichterstattung..... (Träum!)


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