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The
King
Creator
Rastafari
in Afrika
von
Utz Anhalt
mit
frdl. Genehmigung
von
S.O.P.O.S.
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Die Wirklichkeitsbegriffe
eines deutschen Geisteswissenschaftlers sind andere als die eines
Rastamans aus Sansibar,
Tansania oder Uganda.
Die Rastafarireligion zeigt
neben dem Kampf der entrechteten Schwarzen als emanzipatorisches Element
auch deutlich autoritäre Züge. Diese Ambivalenz wird hier beschrieben.
Zudem wurde in einigen Gesprächen in Ostafrika die individuelle Verschiedenheit
von Rastafari-Mentalitäten deutlich. Diese als europäischer Reisender
und Historiker zu kennzeichnen, ist schwierig, da die Wirklichkeitsbegriffe
eines deutschen Geisteswissenschaftlers andere sind als die eines Rastamans
aus Sansibar, Tansania oder
Uganda. So kann es hier
nur um eine Annäherung gehen.
Zur Geschichte: In den 1840ern
waren sogenannte Native Baptists in Jamaika zur eigenständigen Religionsgemeinschaft
neben dem weißen Christentum geworden. Sie vermischten christliche
Vorstellungen mit afrikanischer Spiritualität, indem sie etwa die
Inspiration durch den Heiligen Geist (analog zur animistischen Geistesbesessenheit)
zum Bestandteil ihrer Gottesdienste machten und Johannes den Täufer
als den Meister des Rituals über Jesus stellten (nach afrikanischen
Vorstellungen sind Flüsse Heim der Schutzgeister). Im jamaikanischen
Sklavenaufstand von 1831/32 diente die Bibel als Beleg für die Unchristlichkeit
der Sklaverei. Das synkretistische Element dieses schwarzen Baptismus zeigte
sich in der afro-jamaikanischen Interpretation, daß Sünde kein
Übergriff gegen Gott, sondern Schadenszauber von Menschen gegen menschliche
Gesellschaft, somit der Kampf gegen die
Sünde (Ausbeutung,
Manipulation, Machtmißbrauch, Versklavung) weltlich und nicht überirdisch
sei.
Die Vorstellung eines Schadenszaubers
durch Schwarzmagier, im Swahili mwombe genannt, findet sich in afrikanischen
Kulturen bis heute. Im Unterschied zur kirchlich ideologisierten europäischen
Hexenverfolgung der frühen Neuzeit bezieht sich diese Definition jedoch
nicht primär auf Angehörige unterpriveligierter und marginalisierter
Gruppen, sondern vor allem auf die Ausübung von Macht mittels Terror
und Manipulation durch undurchschaubare herrschende Institutionen und Individuen.
In Haiti wurden noch im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts die tontons
macoutes, die Angehörigen von Duvaliers Geheimpolizei als Schadenszauberer
angesehen.
Die Interpretation der Bibel,
welche in Jamaika das einzig verfügbare Buch im 19. Jahrhundert
war, führte zur Durchbrechung
des weißen Realitätsgefüges und ermöglichte eine
Kennzeichnung der afrikanischen
Ursprünge der entwurzelten Sklaven.[1] Da die europäischen
Sklavenhalter die Legitimation
ihrer Herrschaft wie auch die jahrhundertelangen Deportationen von Afrikanern,
den Geno- und Ethnozid in Amerika und die Kolonialisierung und Entrechtung
der nichteuropäischen Welt mit der Notwendigkeit zur Bekehrung der
"Ungläubigen" zum Christentum legitimiert hatten, schuf die Eigendefinition
der Entrechteten über die Bibel die Möglichkeit mittels des Instrumentariums
der Ausbeuter die eigene Entwurzelung aufzubrechen und Gegenmacht zur "weißen"
Geschichtsinterpretation aufzubauen. Dabei kann, abgesehen von einem strikt
säkularisierten Teil der Rastafaribewegung, das spirituelle System
der
Rastafari, welches wie auch
andere schwarze Glaubensrichtungen des 19. und 20. Jahrhunderts letztlich
auf dem Befreiungssynkretismus der amerikanisch-karibischen Schwarzenbewegungen
des 19. Jahrhunderts basierte, keinesfalls als instrumentell angesehen
werden. Eine selektive Übernahme christlicher Lehren verbunden mit
eigenen Interessen nach Befreiung von rassistischer Herrschaft durch Afro-Jamaikaner
bot den Vorzug der Zustimmung und Duldung durch die weißen Missionare.
Dabei wurde jedoch das weiße Wirklichkeitsverständnis abgelehnt
und durch den Äthiopianismus ersetzt, welcher wiederum biblisch begründet
werden konnte. Kern des jamaikanischen Bibelverständnisses wurde der
Psalm 68, 32: "(...) Äthiopien wird seine Hände zu Gott ausstrecken
(...)". Diese Zeile
wurde in Abessinien bereits
im 16. Jahrhundert als Hinweis darauf gesehen, daß die Urchristen
aus Äthiopien kamen.
Im Äthiopianismus des 19. Jahrhunderts veränderte sich der Gegenmythos
zur "weißen" Schöpfungsgeschichte als "Black Messianism" zu
einem Instrument schwarzen Widerstandes, der die Afrikaner, symbolisiert
durch die Pharaonen Altägyptens, zu den Trägern von Kultur und
Spiritualität in der Weltgeschichte erklärte. Dabei verband Edward
W. Blyden (1822-1912) als einflußreicher schwarzer Theoretiker der
Karibik jüdische Glaubens- und zionistische Elemente mit dem afrikanisierten
Bezug auf die Bedeutung Äthiopiens im Alten Testament. Politische
Bedeutung erhielt der Äthiopianismus zu Beginn des 20. Jahrhunderts
durch die Ereignisse in Afrika selbst. 1896 hatte der äthiopische
Kaiser Menelik II. bei Adua die italienischen Truppen geschlagen. Äthiopien
(Abessinien) blieb das einzige Land in Afrika, das nicht unter europäischer
Kolonialherrschaft stand. |

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Der Begriff Rastafari leitet
sich ab vom Fürsten (Ras) Tafari, der 1892 zum König (negus)
von
Äthiopien gekrönt
wurde und 1930 im Rahmen der Kaiserkrönung den Namen Haile Selassie
(Kraft der Dreifaltigkeit)
annahm. 1941 gelang es diesem mit Unterstützung Englands,
Äthiopien von den italienischen
Okkupatoren zurückzuerobern. Dies machte ihn bei vielen
Schwarzen in Afrika und
in der schwarzen Diaspora[2] zum Messias. Für die Entwicklung
der Rastafaribewegung ist
entscheidend, daß er einen Gottescharakter im Diesseits bekam.[3]
Auch wenn Haile Selassie
in Äthiopien das orthodoxe Christentum förderte, wäre es
verkürzt,
die Rastafaribewegung als
christliche Kirche oder Sekte anzusehen. Insbesondere in der
Karibik, wo die Rastas ihren
Ursprung haben, kommen diese zwar aus protestantischen und
katholischen Glaubenszusammenhängen,
betrachten sich selbst aber nicht (mehr) als Christen.
Die Basis ihrer religiösen
Definition ist vielmehr ein Synkretismus aus afrikanischer, jüdischer
und christlicher Tradition.
Dabei ist als christliches Element die Erlösungsvorstellung tragender
Pfeiler der Weltanschauung.
Im Unterschied zu den meisten "weißen" anglo-amerikanischen
Bibelinterpretationen greift
diese jedoch die Erfahrung von Unterdrückung und Widerstand der
ehemaligen schwarzen Sklaven
auf als Verheißung eines menschenwürdigen Lebens in dieser
Welt, womit vor allem die
Erlösung von Sklaverei und dem Leben in der Diaspora, verbunden
mit deHerkunft, Mystifizierung
und Spiritualisierung politischer Forderungen, Militarisierung,
Ablehnung von "Rassenmischungen"),
andererseits muß die Verwendung dieser Topoi auch in
Zusammenhang mit der real
erfahrenen Diskriminierung und den ideologischen Formationen
von rassistischer Herrschaft
des weißen Amerika gesehen werden. Dieser Aspekt ist
besonders sensibel zu betrachten,
da die jahrhundelange Hierarchisierung von Schwarzen
untereinander in den USA
und der Karibik gezielt über die Hautfarbe erfolgte und Farbige real
im Durchschnitt über
einen höheren sozialen Status verfügten als diejenigen mit tiefschwarzer
Hautfarbe. Auch heute noch
ist die Sozialstruktur in Jamaika pyramidal, mit einer winzigen
weißen Oberschicht,
einer farbigen Mittelschicht und einer schwarzen Unterschicht.[5]
Selbstredend war dies keine
Folge ihrer Charaktereigenschaften, sondern Effekt rassistischer
Integration und Absonderung
der Sklavenhalter. Diese Herrschaftsprinzipien bieten einen
idealen Nährboden für
einen mythischen umgekehrten Rassismus, welcher auch von den
meisten Rastafari abgelehnt
wird.
So nachvollziehbar das Bedürfnis
Garveys und seiner Anhänger aus der urbanen schwarzen
Unterschicht nach einer
Umkehrung der auf "Negros" projizierten rassistischen Stereotypen ins
Gegenteil im Sinne eines
"schwarzen Rassenstolzes" auch ist und Befreiungsnationalismus
unterdrückter Minderheiten
nicht mit dem Nationalismus imperialistischer Herrschaftseliten
gleichgesetzt werden kann,
so darf die Radikalität von Garvey auch keinesfalls als linksgerichtet
bewertet werden. Die soziale
Revolution und die soziale Frage tauchen als solches bei ihm nicht
auf. Staatliche Hierarchien
werden nicht abgelehnt, sondern afrikanisiert. Ziel der Afrikaner soll
die Rückkehr nach Afrika
sein. Es ließe sich argumentieren, daß Garvey sich lediglich
im
Geiste seiner Zeit über
gängige Begrifflichlichkeiten definierte. Das schließt allerdings
die
Berücksichtigung ein,
daß die 20er Jahre die aufkeimende Epoche des Faschismus war und
Mussolini oder Hitler ähnliche
Argumentationsmuster wie Garvey verwandten. Analoge
Glaubensbekenntnisse (Hitler
als "Messias der arischen Rasse") lassen sich auch in den
europäischen völkisch-faschistischen
und nationalsozialistischen Gesellschaftsentwürfen finden.
Andererseits war Garvey
schwarzer Jamaikaner und kein Europäer, was bei analogen Mustern
und Begriffen nicht unbedingt
auf eine Gleichartigkeit der Herrschaftsvorstellungen schließen
lassen muß.

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Die Vorstellung des Gottkönigs
Ras Tafari stammt nicht von Garvey, der am pragmatischen Ziel einer Rückkehr
nach Afrika arbeitete. Nach der Königstitulatur Haile Selassies wurde
diese Lehre von schwarzen Predigern (Garvey war vor allem politischer Aktivist)
wie Howell, Hibbert und Dunkley vertreten, die den König Äthiopiens
mit dem endzeitlichen Christus gleichsetzten. Von ihnen wurde die Weltregierung
der Schwarzen verkündet, die Schwarzen galten als Reinkarnationen
der alten Israeliten und sie würden sich an den Weißen rächen.
Haile Selassie galt hier
als materieller lebendiger Gott und Kaiser der Welt, wobei dieses Gottestum
durchaus militärisch und kriegerisch bestimmt war. Die göttliche
Gegenwart konnte jeder Mensch prinzipiell erreichen. Besagter Howell ist
der eigentliche Gründungsvater der Rastafari. Seine Anhänger
ließen sich die ersten Furchtlocken (Dreadlocks) wachsen, inspiriert
von Lev 21,5, wonach Priester ihr Haar nicht schneiden sollen, möglicherweise
auch von Bildern der Massai und Somali. Howell verband außerdem die
Rastafarikultur mit der aus den "Native Baptists" hervorgegangenen Black
Power Bewegung. Hier mischten sich religiöser
schwarzer Nationalismus
und afro-jamaikanische Volksreligiösität mit dem Widerstand der
landlosen schwarzen Bauern und Bäuerinnen gegen die Pflanzeroligarchie,
wobei letzterer auf einen sozialrevolutionären Charakter hindeutet.
Der italienische Angriff auf Äthiopien 1935 stärkte die junge
Rastafaribewegung. L.F.C. Mantle von der "Ethiopian World Federation" stellte
die Theorie auf, daß die Wissenschaften in Äthiopien entstanden
seien. Von enormer Bedeutung für das Selbstverständnis der Rastafari
ist seine These, daß die ursprünglichen ("echten" oder "wahren")
Juden in Äthiopien leben würden und schwarz wären, wobei
die Anglo-Juden Resultat späterer Vermischung seien. Auch diese These
bleibt im Aufbau eines National-(Afrika-)Mythos einer potentiell rassistischen
Argumentation verhaftet. Haile Selassie fungierte als Symbol für einen
kompromißlosen Krieg der "schwarzen Rasse" gegen Kolonialismus und
Unterdrückung, der die gesamte bestehende Welt transformieren würde.
Dabei lag die Hoffnung dieses
Kampfes eben nicht in einem Klassenkampf mit dem Ziel der
Zerstörung von ausbeuterischen
Herrschaftsstrukturen an sich, sondern in der Glorifizierung absoluter
Herrschaft eines irdischen Gottes, wenn er denn nur der "eigenen Rasse"
entsprang.
Ziel ist, bei allen Teilen
der Rastabewegung, keinesfalls die Aufhebung von Herrschaft, sondern die
Rückkehr nach Afrika und das Leben unter afrikanischer Herrschaft.
Einschränkend muß dazu gesagt werden, daß diese Vergöttlichung
in der Rastafarikultur auch beinhaltete, der eigenen Existenz als Proletarier
und ehemaliger Sklave zumindest mystisch in eine andere Seinsordnung entfliehen
zu können. Diese "Einheit mit Gott" kann somit auch dem Wissen um
die Möglichkeit einer sozialen Veränderung dienen, bzw. dem Aufbau
von konkreten Utopien, in denen Kolonialismus und Sklaverei nicht als Gottesgesetz
dienen. |
Diese "feinstoffliche" Zusammengehörigkeit
war gerade für die Schwarzen in der Sklaverei, die aus verschiedensten
Ethnien stammten und unterschiedlichste Sprachen hatten, extrem wichtig.
Das Bindeglied stellte die Religion her. In diesem Zusammenhang hat der
Mythos der afrikanischen Schöpfung als Hoffnung der Entrechteten auf
ein besseres Leben durchaus emanzipatorischen Charakter. Zudem beinhaltet
die religiöse Identifikation die Möglichkeit der Identifikation
untereinander, die Gemeinschaftlichkeit einer "schwarzen Familie".
Die Religion: Nur ein kleiner
Teil der Rastafarikultur ist religiös, andere Gruppierungen erklären
ihren Rastafarianismus aus der Geschichte der Sklaverei. Die Religion der
Rasta-Brüder unterscheidet sich elementar vom europäischen Christentum.
Zwar hatten auch die Rastas als Diener und Sklaven von Puritanern die Bibel
als Basis ihres Glaubensbekenntnisses, doch wird diese als von den Sklavenhaltern
manipuliert angesehen, weshalb nur bestimmte Teile, vor allem Moses und
Jesaja, von ihnen akzeptiert werden. Gott ist in Haile Selassie Mensch
geworden und lebt in dieser Welt und in diesem Leben, zu dem es keine Alternative
gibt, da dies die beste aller Welten sei. So besteht Leben aus Reinkarnationen,
was stark an die Ahnenkulte der Yoruba in Westafrika erinnert, die einen
Großteil der Sklavenbevölkerung Jamaikas stellten. Zion sei
gleichbedeutend mit Äthiopien und von Gott als
auserwählt betrachtet
worden, nachdem Israel Babylon verfiel.
Es ist unmöglich, die
Geschichte der afrikanischen Deportation und die Kolonialherrschaft von
der biblischen Tradition der Rastafari zu trennen, da in ihren eigenen
Beschreibungen Literatur, Geschichte und Religion miteinander verschmelzen.
Symbol der Rastafari ist
der Löwe. Die Dreadlocks einiger von ihnen sollen an dessen Mähne
erinnern, gleichzeitig symbolisiert er Afrika. Das Löwenemblem zeichnet
das äthiopische Kaisertum aus. Zugleich ist das Lamm "Symbol des Königs
der Könige", das von den auserwählten Löwenmännern,
den Rastafari geschützt wird. Durch die Selbstdefinition über
die Bibel gelang es den Rastafari, sich aus der Fremddefinition als Sklaven
zu befreien und ihr Leid in dieser Welt als Babylon, als Leben im Exil
zu erklären. Dabei ist es unmöglich, die Geschichte der afrikanischen
Deportation und die Kolonialherrschaft von der biblischen Tradition der
Rastafari zu trennen, da in ihren eigenen Beschreibungen Literatur, Geschichte
und Religion miteinander verschmelzen. Emanzipatorisch ist daran, daß
der afrikanische Gott auf eine Veränderung der Verhältnisse in
dieser Welt geradezu drängt. Der Papst ist für Rastafari der
Teufel, wohingegen JAH (Gott) mit dem Kaiser von Äthiopien verschmilzt.
Auch wenn die Rastafari mit den Juden den Bezug auf Zion, das Alte Testament
und die Diaspora teilen, hat der mythische Bezug auf Äthiopien niemals
zu einem konkreten Nationalismus geführt, nachdem Marcus Garvey mit
seiner Rückbringung scheiterte. Heute wird als Heimat
der Rastafari eher Jamaika
als Afrika angesehen. Durch die Betonung einer individuellen Gotteserfahrung,
eng verbunden mit Marihuanagenuß, bleibt der Rastafarianismus
im Vergleich zum klassischen Christentum undogmatisch und entspricht eher
afrikanischen Traditionen.
Zudem fehlt den Rasta-Brüdern
in ihrer auf das Diesseits ausgerichteten Religion die Transzendenz, weshalb
sie sich selbst eher als Wissende denn als Gläubige betrachten. Als
Bezugssystem ehemaliger Sklaven ist Rasta stark auf die Handhabung der
(materiellen)
Realität bezogen. Ras
bedeutet Fürst. Da aber jeder Rastabruder vor seinen Namen das Prefix
Ras stellt, ist auch jeder von ihnen ein Fürst in dieser Welt. Religiöse
Rastafari betrachten sich, verbunden durch die göttliche Einheit,
als eine große Familie: sie sollen sich untereinander helfen, gegenseitig
unterstützen, ihre materiellen Güter miteinander teilen. Die
modernen
Rastafari vertreten dabei
nicht den Ausgrenzungsmechanismus von Marcus Garvey, sondern auch Weiße
haben die Möglichkeit zur Erlösung, wenn sie Babylon abschwören.
Sie sind tiefreligiös und viele verbringen den Großteil ihrer
Zeit mit dem Bibelstudium. Abgesehen vom Kraut der Bibel, dem heiligen
ganja (Marihuana), dürfen sie keine Drogen zu sich nehmen, insbesondere
keinen Alkohol, kein Nikotin und kein ungesundes Essen, wozu auch Konservenbüchsen
zählen. Rastafari dürfen nicht stehlen und kein Lebewesen ohne
Grund töten. |

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Rastafari in Tansania und Uganda
Im folgenden Teil berichte
ich von persönlichen Erfahrungen mit Rastafari in Ostafrika. Da
diese in "ihrem" Kontinent
leben, also nicht im Exil, ist es besonders interessant zu sehen,
worüber sich ihr individueller
Rastafarianismus definiert. Interessanter Aspekt ihrer
Lebensphilosophien ist es
insbesondere, daß nicht mehr Afrika, wo sie selbst leben, in ihrer
Vorstellung als "gelobtes
Land" erscheint (auch wenn sie die Verehrung von Haile Selassie und
Äthiopien durchaus
teilen), sondern sie sich in ihrer Selbstdefinition auf Jamaika beziehen.
Es
hat ein Paradigmenwechsel
stattgefunden. Ging es in der Entstehung des Rastafarikultes in
Jamaika darum, die Rückkehr
nach Afrika zu ermöglichen, erfolgt die Selbstverortung
ostafrikanischer Rastafari
über religiöse und kulturelle Inhalte, als deren Ursprung Jamaika
erkannt wird. Sie definieren
sich somit nicht mehr primär über den Ort Afrika, wo außer
ihnen
noch unterschiedlichste
andere Glaubens- und Kulturgemeinschaften existieren, sondern über
ihre Zugehörigkeit
zur Rasta-family. Während die spirituelle Basis der Rastafaribewegung
in
Jamaika vor allem auf westafrikanischen
Bezugssystemen basiert, finden hier Synkretismen mit
ostafrikanischen Glaubensvorstellungen
statt.
Die Identifikation mit Äthiopien
ist eine mythologische; das jetzige politische System in
Äthiopien spielt bei
den Rastafari, die ich kennenlernte, keine Rolle. Im Gegenteil zeigten
einige
sogar ausgeprägte Sympathie
für den eritreischen Befreiungskampf und die Unabhängigkeit
Eritreias. In der keineswegs
homogenen jamaikanischen Rastafaribewegung stammen die
Furchtlocken als äußerliches
Element nicht aus West- sondern aus Ostafrika, was deren
Popularität in Tansania
und Uganda möglicherweise erklärt und sind Kennzeichen des
radikalsten Teils der Rastakultur.
Während sich alle Rastas darüber einig sind, daß Schwarze
als Folge der Sklaverei
in der westlichen Welt entrechtet sind, was entweder säkulär-historisch
oder religiös begründet
wird, gehen die Lockenträger einen Schritt weiter und definieren sich
über eigene mythologisierte
"Kriegertugenden" historischer ostafrikanischer Völker. Letzteres
wird vom Großteil
der jamaikanischen Rastafari abgelehnt, könnte aber ein Hinweis auf
die
Verbreitung des Rastafarianismus
in ostafrikanischen Gesellschaften sein. Die Dreadlocks
können als Teil einer
Gegenbewegung innerhalb der Rastafarikultur angesehen werden. Viele
Rastafarianer tragen einen
Kahlkopf und nur wenige äußere Attribute Afrikas, andere
gemäßigte Rastafari
tragen zwar einen Bart und langes Haar, achten aber darauf, dieses zu
pflegen und unter einer
Mütze zu tragen. Eine andere Fraktion trägt die Dreadlocks ungezähmt
als Zeichen ihres biblisch
interpretierten Fluchs, als Auserwählte in der Diaspora leben und
das
Kreuz tragen zu müssen.
Diese Lockenträger fühlen sich nicht den Normen der (schwarzen)
jamaikanischen Gesellschaft
verpflichtet, sondern haben ihre eigenen und werden deshalb von
gemäßigteren
Rastafari abgelehnt, da diese sie der Diskreditierung der Rastafarikultur
durch
(verbale) Gewalt, ungepflegtes
Auftreten und Drogenkonsum bezichtigen. Es gibt hier durchaus
Überschneidungen zwischen
alttestamentarischer Orthodoxie und (sozial-) revoltierendem
Verhalten jugendlicher Schwarzer.
In Tansania hat Rastafarianismus nicht den Charakter einer
Kultur, sondern eher den
einer Subkultur. Rasta zu sein ist eher als eine Selbstverortung
außerhalb der herrschenden
Kulturen zu begreifen, denn als gesamtgesellschaftliche Bewegung
- im Gegensatz zu Jamaika,
wo die Rastakultur die Lebensverhältnisse der jamaikanischen
Gesellschaft widerspiegelt.
Ein Unterschied liegt in Tansania auch darin, daß die Definition
über
eine family, über die
Rückkehr nach Äthiopien, als verbindendes Element der aus
unterschiedlichsten afrikanischen
ethnischen Zusammenhängen herausgerissenen Schwarzen in
der Karibik notwendig war,
während sie in Ostafrika nicht solch eine zentrale Bedeutung hat,
da hier die kulturellen
Strukturen vieler Ethnien sehr festgefügt sind. Rastafarianismus wird
somit in Ostafrika nicht
im Sinne einer nationalen Identitätsbildung in der Isolation begriffen,
sondern als Bezugssystem
außerhalb der bestehenden ethnischen Strukturen und sie ergänzend.
Vorherrschende Religionen
wie der Islam in Sansibar oder die katholische Kirche in
Nordtansania stehen den
Rastafari eher ablehnend gegenüber, was für verschiedene Ethnien
wie die Massai oder Sukuma
ebenfalls gilt. Dies läßt sich allerdings nicht verallgemeinern.
Rastafarianismus ist in
Tansania und Uganda eine Außenseiterkultur.

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Omir, ein RasMuslim:
Die Lebensphilosophie Omirs
ist ein hervorragendes Beispiel für die Religions- und Kulturmischungen
in Stone Town auf der Insel Sansibar. Zur Zeit des sansibarischen Sultanats,
das Drehpunkt des arabischen Sklavenhandels über Jahrhunderte und
Basis der späteren europäischen Kolonisation Ostafrikas war,
siedelten sich hier Perser, Inder, Araber, Engländer, Holländer
und Deutsche als Herrschende und Geschäftsleute an. Der Großteil
der Bevölkerung kommt ursprünglich aus Ostafrika. Dementsprechend
vielfältig sind auch die Religionen und kulturellen Gemeinschaften
in Stone Town. Neben dem islamischen Gros der Bevölkerung mit seinen
Moscheen existieren Hindu-Tempel, katholische und protestantische
Kirchen; außerdem leben hier buddhistische Gemeinschaften, Juden
und Rastafari.
Omir sieht sich selbst nur
halb als Rastafari an. Von seiner leiblichen Familie aus ist er
sunnitischer Muslim. Wenn
er sich als Muslim bezeichnet, dann bedeutet das für ihn heute
Achtung seiner Kultur gegenüber,
wohingegen Rastafarianismus seine Lebensphilosophie
beinhaltet. Islam erscheint
hier als Tradition, Rastafarianismus als Revolte gegen die
bestehenden gesellschaftlichen
Verhältnisse, wobei seine Furchtlocken analog zum
Irokesenschnitt der Punks
zu werten sind. Omir wußte nichts von Marcus Garvey. Rasta zu sein
bedeutet für ihn "Peace, Love and Harmony." Dazu paßt nicht,
daß er sich seinen Lebensunterhalt teilweise durch Überfälle
sichert. Das Gebot, keinen Alkohol zu trinken, nimmt er weder als Rasta
noch als Muslim ernst. Er trägt Dreadlocks und redet andere Rastafari
mit "brother" an. Er betrachtet sich als Teil der Rastafarifamilie von
Sansibar. Alle Rastafari auf Sansibar kennen sich, alle helfen sich. Das
erzählte Omir zumindest.
Omir ist bitterarm und hat
nichts außer einer Matraze in einem fensterlosen Haus in der Altstadt
von Stone Town, wo er mit seinem Freund Fejsal lebt, der nicht zu den Rastabrüdern
gehört. Omir raucht selbst viel ganja, tut dies jedoch nicht in ritualisierter
Form. Er ist bei den islamischen Händlern und Barbesitzern, wie auch
seine Nicht-Rasta Freunde, sehr verschrien. Sie warnen mich davor, daß
er mich ausrauben könnte.
Dies geschieht allerdings
nur indirekt, da Omir mich durchgehend anschnorrt. Darin ist er auch sehr
geschickt. Am zweiten Abend wird Omir in eine Schlägerei verwickelt,
als er einem Muslim die Mütze vom Kopf reißt, um sie mir zu
schenken. Als Gefühl der Verbundenheit, da er meint, ich würde
mich wie ein Araber verhalten. Er erläutert das alles nicht näher.
Ich verbringe in Stone Town drei Tage mit Omir.
Omirs Weltbild ist eher ein
"irgendwie freundlich sein" als eine tiefergehende Identifikation mit der
Rastafarireligion. Er lehnt die allgegenwärtige Zuhälterei in
Stone Town ab und findet, daß Männer und Frauen gleichberechtigt
miteinander umgehen sollten. Alles in allem erinnert er mich, nicht objektiv,
sondern assoziativ, eher an einen Punkrocker als an einen tiefreligiösen
Rastafari. Er lebt in Stone Town in einer Außenseiter- und Underdogstellung.
Omir läßt seinen Bart nicht wachsen.
Kurz darauf teilt er mir
mit, daß er die Deutschen bewundere, weil sie Hitler gehabt hätten. |
Nungwi-Beach: Der
zweite Rastafari, den ich kennenlerne, lebt in einer banda, einer Hütte,
am Strand von Nungwi im
Norden von Sansibar. Er ist ungefähr Mitte 20, sehr schlank, trägt
einen Vollbart und Dreadlocks
bis zum Rücken, ansonsten nur eine weiße Shorts und bemüht
sich, sich sehr sportlich
zu bewegen. Selbstverständlich weiß er von Omir, da sie den
gleichen
Vater, Haile Selassie, haben
und der gleichen Familie angehören. Seiner Meinung nach
bedeutet Rastabruder zu
sein, mit nichts zu leben, als dem, was die Erde gibt; natürlich und
angeblich hat er auch kein
Eigentum. (Das kann nicht ganz stimmen, da er den Großteil des
Nachmittags in einer sehr
teuren Strandbar verbringt). Von ihm erfahre ich, daß auf der Insel
Sansibar besonders viele
Rastafari leben, da hier das Zentrum des Sklavenhandels war und das
Bewußtsein über
"freedom" groß wäre. Ich erwidere, daß dies auch daran
liegen könne, daß
Sansibar sowieso einen sehr
offenen Charakter habe, in dem sich verschiedenste Religionen
nebeneinander entwickeln.
Als er mitbekommt, daß ich Deutscher bin, versichert er mir, daß
sie, die Deutschen, seine
Freunde wären, aber daß er die Italiener haßt und auch
die Engländer,
wegen des Überfalls
auf Äthiopien und der Sklaverei. Dann erklärt er, daß die
Rastafari
"brothers in spirit with
the jewish people" wären, da sie beide in der Diaspora lebten. Als
ich ihn frage, ob er an
Gott glaubt, sagt er mir, daß sie nicht an Gott, sondern an Haile
Selassie,
den king creator glauben
würden, den Weltenschöpfer. Kurz darauf teilt er mir mit, daß
er die
Deutschen bewundere, weil
sie Hitler gehabt hätten. Ich erzähle vom Holocaust und vom
Rassismus Schwarzen gegenüber.
Er erklärt, daß sie dies alles wissen würden, aber Hitler
wäre der king creator
gewesen, der Pharao. Hitler mußte es tun. Danach fährt er fort,
daß er
mit allen Lebewesen im Einklang
leben würde, mit den Delphinen, mit den Fischen, mit den
Vögeln in der Luft.
Auffällig ist, im positiven Sinne, daß er mit seinen Freunden,
die keine
Rastafari sind, alles gemeinsam
macht, sehr hilfsbereit ist, sehr freundlich, liebenswürdig und
aufgeschlossen und sich
tatsächlich sehr frei bewegt. Sansibar ist das Zentrum des
Rastafarianismus in Ostafrika.
Dies läßt sich damit erklären, daß hier die Erinnerung
an den
Sklavenhandel noch sehr
lebendig ist und die sozialen Strukturen auf ähnlich ethnisch
hierarchisiert sind wie
in Jamaika. So sind die Kapitaleigner, die Geschäftsleute hauptsächlich
Inder und Araber, wobei
sich aus letzteren auch der Großteil der Oberschicht zusammensetzt.
Die Afrikaner stellen die
Unterschicht. Dies ist als Tendenz zu betrachten, wobei seit der
tansanischen Unabhängigkeit
die Vermischung der sozialen Hierarchien zugenommen hat.
Jamaica-Corner: Eine
Seitenstraße in Kampala, der Hauptstadt von Uganda und eine der
geschäftigsten Städte
Afrikas. An einer Ecke sprechen mich zwei junge Männer, beide ca.
22
Jahre alt, an und fragen,
ob ich ganja kaufen wolle. Beide tragen Jeansjacken, den typischen
Kampalakurzhaarschnitt und
Sandalen aus Gummi. Ich sage nein, da ich sie nicht kenne und
kein Interesse habe, in
Scherereien mit der schlecht bezahlten örtlichen Polizei zu kommen.
Dann sehe ich über
einem Laden das Schild "Jamaika-Corner". Ich frage sie, ob sie Rastafari
sind, was sie bejahen. Sie
würden überhaupt nicht so aussehen, erwähne ich. Sie wären
Rastafari im Kopf, geben
die beiden zurück. Es wäre in Kampala zu gefährlich, öffentlich
als
Rastafari herumzulaufen.
Als ich frage warum das so wäre, antworten sie, es hieße, die
Rastafari würden die
Kultur zerstören und die jungen Leute mit Drogen vergiften. Außerdem
würden ihnen Prostitution
und Zuhälterei vorgeworfen. Ich frage sie, ob das stimmt, was sie
vehement verneinen. Zuletzt
erwähnen sie noch, daß häufig Touristen hierher kommen
und
ganja kaufen.
Alles in allem erinnert mich
die Jamaika-Corner eher an einen halblegalen Headshop als an
einen Treffpunkt für
Angehörige der Rastafarireligion. Außer Jamaika und Marihuanakonsum
deutet auch nichts auf Rastafarikultur
hin.
Auch in seiner Kunst hält
er sich eher an Traditionen aus Tansania und Mozambique, vor allem
der Makondekultur (Tierskulpturen,
Geister) denn an Rastafarisymbolik wie Löwen oder
Äthiopien. Das ist
von Bedeutung, da Kunst in Ostafrika niemals nur reine Abbildung von
dinglicher Wirklichkeit
ist, sondern Handhabbarmachung spiritueller Welten.
Ras Mwiri: Meine letzte
Begegnung mit einem Rastafari in Ostafrika findet in Bagamoyo, der
alten Hauptstadt von Deutsch-Ostafrika
(nach dem ersten Weltkrieg, britisches Protektorat)
statt. In Richtung Strand
liegt der deutsche Soldatenfriedhof, auf dem ich photografiere als aus
einem überdachten langgezogenen
Holzbau, dem college of arts, ein junger Mann mit einer
großen Wollmütze
auf dem Kopf herauskommt. Er meint, ich solle mir doch die Skulpturen
anschauen. Das würde
auch kein Geld kosten. Es stellt sich heraus, daß er assistent teacher
auf der Schule ist. Er ist
aus Nordmozambique geflohen und stammt aus der Ethnie der
Makonde, die für ihre
Holzschnitzereien in ganz Ostafrika berühmt sind. Im Unterschied zum
Rasta von Nungwi glaubt
Mwiri an Gott. Viele seiner Sätze enden mit den Worten: "So god
will."
In den nächsten Tagen
sehe ich ihm bei seinen Schnitzereien zu, in denen er vor allem
Tiergeistsymbole aus der
spirituellen Welt der Makonde darstellt, aber auch Totenköpfe.
Außerdem modelliert
Mwiri ähnliche Figuren aus Ton. Eine Schnitzerei aus Kokosholz stellt
einen Elefantengeist da, mit Doppelgesicht, einem Schlangenschwanz (die
Schlange ist bei den
Makonde das Symbol der Heilung)
und dem geschwollenen Bauch einer schwangeren Frau (der starke Elefant
ist gleichzeitig Geist der Fruchtbarkeit). Mwiri bezeichnet sich selbst
als
Christ: ein Rastafari, der
gleichzeitig Christ ist und in der spirituellen Welt der Makonde lebt.[6]
Er tritt für die absolute
Gleichberechtigung von Männern und Frauen ein. Der Umgang in der
Kunstschule ist denn auch
ziemlich egalitär ist. Mwiri hat einen sehr engen Kontakt zu seiner
leiblichen Familie und bezeichnet
mich als Bruder, das heißt, er nimmt mich von Anfang an in seine
Rastafamilie auf. In seiner Kunst thematisiert er verschiedenste natürliche
und gesellschaftliche Begebenheiten;bei Darstellungen von Menschen steht
meistens das Ujamaakonzept[7] im Mittelpunkt. Seine religiösen Vorstellungen
leitet Mwiri vor allem aus der Makondetradtion in Nordmozambique ab, wobei
Rastafari zu sein sich auf eine weltliche Verortung bezieht. |

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Dies wird nicht allzu deutlich,
da er über diese Zusammenhänge ungerne spricht. Viele seiner
Vorstellungen wie etwa die Tierverwandlung der Leopardenzauberer sind in
Tansania verbreitet und stammen nicht aus dem karibischen Raum, sondern
aus magischen Traditionen Ostafrikas. Auch in seiner Kunst hält er
sich eher an Traditionen aus Tansania und Mozambique, vor allem der Makondekultur
(Tierskulpturen, Geister) denn an Rastafarisymbolik wie Löwen oder
Äthiopien. Das ist von Bedeutung, da Kunst in Ostafrika niemals nur
reine Abbildung von dinglicher Wirklichkeit ist, sondern Handhabbarmachung
spiritueller Welten.
Hier definiert sich Mwiri
eindeutig nicht über Rastafarianismus, sondern über die Kultur,
aus der er kommt (Makonde).[8] Er ist als Rastabruder auch nicht dogmatisch,
was sich schon darin zeigt, daß er mich in seine family einbezieht,
als er eine geistige Verbundenheit zwischen uns zu erkennen glaubt. Mwiri
weiß über Garvey, sieht diesen aber nicht positiv. In Bagamoyo
leben auch noch andere Rastafari, die keine Lockenträger sind. Mwiri
kennt diese, ist aber nicht mit ihnen befreundet. Rastafari sind wegen
ihres Marihuanakonsums in Bagamoyo nicht gerne gesehen.
Nachrede: Unterschiede
zwischen den einzelnen Individuen konnte ich insofern feststellen,
daß für einige
Rastafarianismus eher einen Lebensstil darstellt, der sich durch
Marihuanarauchen und "außerhalb
der Gesellschaft leben" kennzeichnet, während andere (wie
Mwiri) eine religiöse
Verbindung und Verankerung in der Rastafamilie haben. Es ist
bezeichnend, daß besonders
viele Rastafari in den Stationen des historischen Sklavenhandels
leben (Bagamoyo und Sansibar).
Gerade Sansibar hat eine große, verbindliche Rastafamilie, die
in ganz Tansania bekannt
ist und auf der gesamten Insel Netzwerke bildet. Fraglich ist, ob die
Basis dieser family Sansibars
Stellung im Sklavenhandel war oder ob nicht auch die
Weltoffenheit des Handelsstützpunkts
die Verbreitung karibischer Ideen auf der Insel
begünstigte. Im Hinterland
Tansanias findet man kaum Rastafari, in Uganda noch weniger.
Auch wirken die Rastafari
an der tansanischen Küste und auf Sansibar wesentlich
"authentischer" als im Inland
von Tansania und in Kampala. Die kampalischen Rastas scheinen
eher Rastamänner nachzuahmen,
als selbst welche zu sein. Dies resultiert aus der Anglisierung
Ugandas während des
britischen Kolonialismus. In Uganda ist die "innere Kolonisation" noch
heute offensichtlich. Viele
Menschen in Uganda versuchen, sich in Kleidung und Verhalten als
"schwarze Briten" zu zeigen.
Möglicherweise begünstigt auch die ethnische und kulturelle
Vielfalt und Eigenständigkeit
der tansanischen Küstengebiete und Sansibars eine selbstständige
Rastakultur. Die Rastabrüder
von der Küste und aus Sansibar sind sehr in der Rastafaritradition
verankert. Ähnliches
gilt auch für die ostafrikanischen Rastas in ihrer sehr individuellen
Weltsicht.
Anmerkungen
[1] Die ursprüngliche
Bedeutung des Wortes Sklave ist Heimatloser.
[2] Viele Rastafari sehen
sich, ähnlich wie die Juden, als Volk Gottes in der Diaspora und beziehen
sich
dabei vor allem auf Moses,
wie generell in der Religion das Alte Testament einen höheren Stellenwert
als das Neue Testament hat.
[3] Dieser Punkt ist insofern
erwähnenswert, als die Vorstellung eines Demiurgen, eines vergöttlichten
Menschen, der die schlechte
Welt befreit, nicht primär dem christlichen Erlösungsgedanken
verwandt ist, sondern sich auch in den neuheidnischen Konstrukten antichristlicher
Alt- und Neofaschisten findet,
wobei der wichtigste Unterschied
zu verschiedenen christlichen Glaubensrichtungen die Leugnung der
Gleichheit der Menschen
vor Gott ist. Rein weltlich könnte der Demiurg auch als Weltverbesserer
betrachtet, somit auch links
interpretiert werden. Hier scheint die individuelle Vorstellung einzelner
Rastafari von Bedeutung
zu sein.
[4] Vgl. dazu: Maya Deren:
Der Tanz des Himmels mit der Erde. Die Götter des haitianischen Vaudou.
Wien 1992.
[5] Heinz-Jürgen Loth:
Rastafari. Bibel und afrikanische Spiritualität. Kölner Veröffentlichungen
zur
Religionsgeschichte. Bd.
20. Köln-Wien 1991. Ich beziehe mich im gesamten Artikel auf dieses
Buch.
[6] Mwiri, ein höchstbegabter
Künstler, möchte gerne eine Ausstellung in Europa organisieren.
Da er
aber weder die Mittel noch
die Kontakte hat, würde ich mich freuen, wenn Leser und Leserinnen,
die
interkulturelle Ausstellungsprojekte
planen oder Kontakte haben, sich mit mir in Verbindung setzen.
Meine Adresse lautet: Utz
Anhalt, Ungerstr. 18, 30451 Hannover, 0511-9215304, [email protected]
[7] Ujamaa war das vom tansanischen
Ministerpräsidenten Julius Nyere in den 1960er Jahren
durchgesetzte sozialistische
Konzept, in dem verschiedene Ethnien in der großfamilienähnlichen
traditionellen ostafrikanischen
Dorfstruktur zusammenleben mußten.
[8] Tansanias Kunst hat noch
nicht den internationalen Stellenwert wie die zimbabwischen Steinarbeiten
oder westafrikanische Kunst. Die Schnitzereien der Makonde sind in ganz
Ostafrika populär und werden zunehmend auch für Touristen hergestellt.
So finden sich neben spirituellen Motiven immer mehr Coca
Cola Flaschen oder andere
Motive, für die sich Reisende interessieren. Die Makonde leben in
Mozambique und im südlichen
Tansania, haben ihr künstlerisches Zentrum (Mwenge handcraft center)
jedoch in Dar Es Salaam.
Einige von ihnen arbeiten in Bagamoyo, wobei die Studenten des college
of arts nur zum kleinen Teil aus der Makondetradition kommen. |