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Die
Rastafarians – Nach Babylon verschleppte Kinder Gottes
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Dies
ist fraglos ein Thema, an dem man sich rasend schnell die Finger verbrennen
kann. Und das aus ganz verschiedenen Gründen: ich bin selbst
kein Rasta, habe nicht den Hintergrund von sufferation und tribulation,
sympathisiere allerdings sehr stark mit dieser Gruppe Menschen. Womit die
Frage aufkommt: geht das überhaupt? Kann man diese, ich nenne es mal
„Lebensphilosophie“, die von Rastas völlig verinnerlicht wird, nur
teilweise für sich annehmen? Meine Antwort ist ja. Wer sich etwas
mit Rasta beschäftigt hat, weiß, daß eine Skala besteht,
vom Fashion Rasta, der sich beim Friseur seine Dreads anfertigen läßt,
bis zum spirituellen Idren, der vielleicht völlig unauffällig
ohne Löwenmähne daherkommt.
Womit
ich beim zweiten Problem bin. Was beschreibe ich eigentlich? Die ganze
Skala würde den Rahmen sprengen. Die Extreme? Schon eher, wobei ich
den Friseurbesucher weglasse, denn das nächste Mal läßt
er sich vielleicht schon nen Minipli machen und ich möchte keine Zeit
an ihn verschwenden.
Frage
Nummer drei: Welche Perspektive benutze ich? Die babylonische, beschreibende,
wissenschaftliche Sichtweise aus der sog. „Objektivität“, empirisch
und mit der Literatur des nächsten Buches, in dem etwas „Neues“ steht,
vielleicht schon überholt? Das geht nicht, Rasta läßt sich
nicht berechnen, in Statistiken stecken, ausmessen oder bewerten. Mit mathematischer
Logik wird man bei Rasta weiter im Dunklen tappen, Rasta ist Wissen! Benutze
ich also die innere Perspektive? Ich fühle zwar, daß ich weiß,
aber reicht die Menge des Wissens aus, um keinen Unsinn zu schreiben? Immerhin
habe ich eine bestimmte Ebene erreicht, auf der ich mich Anderen mitteilen
kann. Also werde ich es wagen, das Phänomen Rasta aus der Sicht zu
beschreiben, wie ich es selbst sehe. |
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Und
hier die letzte Frage: Wo setze ich bei einem Thema an, das mir immens
wichtig ist, das ich nicht in seiner Darstellung verzerren will und das
so komplex ist, daß alle Wissenschaftsdisziplinen Babylons nicht
ausreichen, um es in seiner Gesamtheit darzustellen? Das ist ein weiterer
Punkt, der zeigt, daß man hier mit Objektivität nicht weiterkommt,
es geht um MEIN Verständnis von Rasta. Ich betone direkt hier, am
Anfang, daß der nächste Leser ein anderes Verständnis haben
kann und wird. Das ist bei einer Lebensphilosophie nur legitim und normal.
Mein Vorschlag: anstelle zu sagen, „ich habe Recht, Du hast Unrecht“, laßt
uns zusammenkommen und unser Wissen gegenseitig ergänzen.
Die Wurzeln:
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Rasta
beginnt in Afrika, dem Mutterkontinent, dem Gelobten Land. Äthiopien
ist die älteste christliche Nation dieses Planeten mit einer biblisch
legitimierten Dynastie, die mit Haile Selassie (1974 von Sozialisten abgesetzt
und 1975 verstorben) ihren letzten Kaiser (Negusa Nagast = König der
Könige) hat.
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Haile Selassie I |
Es
wird angenommen, daß der erste Mensch aus Afrika kam, Afrika hatte
im fünften vorchristlichen Jahrtausend die ersten Zivilisationen,
die Staaten betrieben Fernhandel, es gab Universitäten und es wurden
Bauwerke errichtet, die uns heute in Erstaunen versetzen, wie sie damals
wohl entstanden sind.
Die
ersten Berührungen mit anderen Kontinenten hatten Nordostafrikaner
durch ihren Handel mit Griechenland. Es folgten Handelsbeziehungen mit
Arabern entlang der ostafrikanischen Küste und entlang einer Ost-Westachse
auf der Höhe der Südsahara. Dramatischer wurde es dann durch
die Begegnung mit dem weißen Mann. Die Portugiesen begannen im 15.
Jh. einen Seeweg nach Indien zu suchen und segelten entlang der westafrikanischen
Küste nach Süden. 1488 erreichten sie das Kap der Guten Hoffnung
und begannen, die ostafrikanische Küste, die zuvor arabische Sphäre
war, zu erforschen und für sich zu erschließen. |
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In
den alten portugiesischen Reiseberichten kann man nachlesen, wie erstaunt
die Seefahrer über die bestehenden afrikanischen Zivilisationen waren,
die sie während ihrer Kontakte an der Küste entdeckten. Was sie
sahen, stand dem europäischen Status Quo in nichts nach. Der innerafrikanische
Handel florierte, es gab diplomatische Kontakte zwischen den bestehenden
Königen, die i.d.R. Stadtstaaten regierten, der Kontinent besaß
eine unglaubliche Dynamik und war nicht, wie man häufig nachliest,
statisch, phlegmatisch. Es war nicht der wilde, dunkle Kontinent, wie er
den Europäern gerne bis heute vermittelt wird.
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Mit
den Portugiesen und anderen, ihnen folgenden europäischen Seemächten,
begann der Handel mit Afrika. Im Austausch für afrikanische Materialien
(Gold, Tierfelle, Elfenbein etc.) wurden von den Europäern Waffen,
Glasperlen und andere Fertigprodukte geliefert. Hinzu kamen neue, aus Europa
eingeschleppte Krankheiten und die Vermittlung von Wertesystemen, die den
afrikanischen Kulturen fremd waren. Die entstehende Diplomatie hinterließ
ihre Spuren. Europa handelte nach dem altrömischen Motto „divide et
impera“ und begann die afrikanischen Kräfteverhältnisse in seinem
Sinne zu beeinflußen.
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Segelschiff des 15. Jh. |
All
diese Faktoren hatten den langsamen Niedergang der afrikanischen Zivilisationen
zufolge. Die schlimmsten Spuren hat jedoch der Handel mit dem perversesten
„Produkt“ hinterlassen: die Sklaverei. Die Schätzungen über die
Anzahl der Opfer des Menschenhandels liegen zwischen 20 und 100 Millionen.
Dazu muß bemerkt werden, daß hier nur die in der Neuen Welt
(Nord- und Südamerika und Karibik) angekommenen Menschen berücksichtigt
wurden. Niemand weiß, wie viele zusätzliche Millionen Menschen
beim innerafrikanischen Transport, in den Zwischenlagern an der westafrikanischen
Küste und auf dem Seeweg umkamen.
Die
Sklaverei war allerdings, wie häufig angenommen, keine europäische
Erfindung. Schon im Altertum, bspw. im alten Ägypten, wurden Menschen
zu Gegenständen degradiert und gegen ihren Willen ausgebeutet. Das
biblische Israel, Griechenland, das Römische Reich und die arabische
Welt hatten Sklaven. Ein typisches Charakteristikum ist, daß selten
Menschen des eigenen Volkes versklavt wurden, man bediente sich immer am
Nachbarn. Über Afrika liest man, daß die innerafrikanische Sklaverei
wohl noch relativ „human“ abgelaufen ist. Nicht selten wurde ein Sklave
als Mitglied des Herrenhaushaltes gesehen und konnte sogar zum Familienmitglied
aufsteigen, wenn er einheiratete und dadurch seine Freiheit erlangen. |
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Der
Europäer hat den Handel mit Menschen im transatlantischen Dreiecksverkehr
zwischen Europa, Afrika und der Neuen Welt ab Beginn des 16. Jh. unter
wirtschaftlichen Standpunkten perfektioniert und möglichst profitabel
gestaltet. Der Handel mit Sklaven, Rohstoffen und Fertigprodukten diente
zur Ankurbelung der europäischen Wirtschaft. Ab 1505 wurden die ersten
Sklaven aus Afrika in spanische Kolonien verschifft.
1494
wurde Jamaika von Christoph Columbus während seines Irrwegs auf der
Suche nach dem indischen Subkontinent „entdeckt“, 1509 wurde die Insel
spanische Kolonie. Die Ureinwohner, die Arawak Indianer sind Jahrhunderte
früher aus Südamerika eingewandert und müssen eigentlich
als Entdecker genannt werden. Den Kontakt mit Europa haben sie nicht lange
überlebt: Krankheiten, gegen die sie keine Abwehrkräfte hatten,
Mangelernährung und die brutale Kolonialpolitik forderten schnell
und massenhaft Opfer. |
Im
17. Jh. wurde die Insel von den Briten erobert. In der Folge kamen
zahlreiche Siedler und die Plantagenwirtschaft entwickelte sich rasant.
Damit stieg der Bedarf an Menschen, die auf den Plantagen schuften mußten.
Jamaika entwickelte sich zu einem weltweit bedeutenden Zentrum für
den Sklavenhandel, wobei bemerkt werden muß, daß auf der Insel
selbst wohl nur der „Ausschuß“, die meuternden, aufmüpfigen
und widerspenstigen Menschen verkauft wurden. 1692 kam ein göttliches
Zeichen: Port Royal, der größte Sklavenhandelsort der Insel,
mit dem Ruf, der „weltweit übelste Ort zu sein“, wurde innerhalb von
Minuten von einem Erdbeben zerstört und nie wieder aufgebaut. Infolgedessen
entstand einige Jahre später die heutige Hauptstadt Kingston.
Im
frühen 18. Jh. begannen der erste organisierte Widerstand gegen die
Sklaverei. Eine, nach einigen Quellen aus Äthiopien stämmige
Gruppe von Menschen lehnte sich gegen ihre Herren auf und lief von der
Plantage weg. Sie flohen in die Berge der Insel und gründeten dort
eigene Gemeinschaften, die sich am afrikanischen Erbe orientierten. |
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Die
unabhängigen Maroons entstanden und ihre Zahl wuchs in der Folgezeit
stark an. Sie lieferten sich immer wieder Schlachten mit der britischen
Kolonialmacht, wobei sie so erfolgreich waren, daß ein Friedensvertrag
ausgehandelt wurde, der den Maroons teilweise Autonomie zubilligte. Im
Gegenzug willigten sie ein, in Zukunft entflohene Sklaven auszuliefern.
Am
1.8.1838 wurde die Sklaverei offiziell abgeschafft, jedoch war die Struktur
der Wirtschaft so angelegt, daß sich an den Lebensumständen
der ehemaligen Sklaven nichts änderte. Auf der obersten Ebene hatte
man die Plantagenbesitzer und die Vertreter der Kolonialregierung, es folgten
die Mulatten, Mischprodukte aus schwarz und weiß, die oft genug zur
Unterdrückung der Massen instrumentalisiert wurden und ganz unten
standen die afrikastämmigen Menschen, mittellos, entwurzelt und ohne
Perspektive. Viele von ihnen ließen sich im bergigen Landesinneren
der Insel nieder und lebten ein einfaches Leben als Subsistenzbauern.
Die rezente Geschichte:
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Das
20. Jahrhundert brachte Persönlichkeiten hervor, die sich für
die Bürgerrechte aller unterdrückten Menschen einsetzten. Für
Jamaika ist hierbei in erster Linie Marcus Mosiah Garvey zu nennen, der
Ende des 19. Jh. auf der Insel geboren wurde. Er war ein sehr intelligenter
Mann, der die Wichtigkeit von Bildung und Organisationswesen für die
Verbesserung der Lebensumstände seiner schwarzen Leidensgenossen erkannte.
Garvey gründete 1914 die Universal Negro Improvement Association (UNIA)
und in Folge weitere Organisationen und Unternehmen, die den Lebensstandard
der Schwarzen weltweit verbessern helfen sollten. UNIA hatte zu Blütezeiten
mehrere Millionen Mitglieder, die hauptsächlich aus den USA stammten,
wohin er seinen Schaffensschwerpunkt verlegt hatte.
Garveys
erklärtes Ziel war es, den Mutterkontinent Afrika zu der Blüte
zurückzuführen, die er hatte, bevor der weiße Mann sein
Zerstörungswerk begann. Sein Werkzeug sah er in der Zurückführung,
Repatriierung von schwarzen Menschen aus der neuen Welt, die dort mit gebündeltem
Wissen eine neue Gesellschaft ins Leben rufen sollten. |
Eigens
dafür gründete er eine Schiffahrtsgesellschaft, die Black Star
Line, um die Menschen in ihre ursprüngliche Heimat zurück zu
bringen. Diese Idee scheiterte am Widerstand Liberias, wo Garvey Land bereitgestellt
bekommen wollte und an einer scheinbaren Verschwörung gegen seine
Gesellschaft auf wirtschaftlicher Ebene. Garvey wurde in den USA wegen
Veruntreuung von Geldern verurteilt, ins Gefängnis gesperrt und danach
in seine Heimat Jamaika deportiert.
Es
gelang ihm daraufhin nicht mehr, die UNIA zu ihrer alten Größe
zurück zu bringen. Allerdings hat er durch sein lebenslanges Schaffen
viele Folgeorganisationen initiiert, die in den schwarzen, nationalen Unabhängigkeitsbewegungen
der späten Fünfziger und frühen Sechziger Jahre des vergangenen
Jahrhunderts mündeten.
Wichtiger
für den Kontext dieses Beitrages ist allerdings der 1927 geäußerte
Satz Garveys „Look to Africa, where a black king shall be crowned, for
the day of deliverance is near.“
Als
dann am 2.4.1930 Ras Tafari zum äthiopischen Kaiser (Negusa Nagast)
erklärt und sieben Monate später in einer prunkvollen Zeremonie
als Haile Selassie I (Macht der Dreifaltigkeit) mit göttlicher Abstammung
und divinem Titel gekrönt wurde, galten Garveys Worte auf Jamaika
als Prophezeiung.
Wenige
Zeit später begannen mehrere Prediger der für Jamaika typischen
synkretistischen Kirchen unabhängig voneinander Haile Selassie als
den zurückgekehrten Messias zu sehen. Sie interpretierten die folgenden
Passagen aus der Offenbarung des Johannes:
Offb.
5 2,5: Und einer von den Ältesten spricht zu mir: Weine nicht! Siehe,
es hat überwunden der Löwe aus dem Stamm Juda, die Wurzel Davids,
um das Buch und seine sieben Siegel zu öffnen.
Offb.
19 19-20: Und ich sah das Tier und die Könige der Erde und ihre Heere
versammelt, um mit dem, der auf dem Pferd saß, und mit seinem Heer
Krieg zu führen Und es wurde ergriffen das Tier und der falsche Prophet
- der mit ihm war und die Zeichen vor ihm tat, durch die er die verführte,
die das Malzeichen des Tieres annahmen und sein Bild anbeteten -, lebendig
wurden die zwei in den Feuersee geworfen, der mit Schwefel brennt. |
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Diese
alten Worte, die im ersten nachchristlichen Jahrhundert als letztes Buch
der Bibel niedergeschrieben wurden, sind erstaunlich zutreffend. Haile
Selassie ist ein Herrscher der Solomoniden Dynastie, die vom israelitischen
König David I entstammt. In seinem kompletten Herrschertitel trägt
er den Zusatz „Löwe aus dem Stamm Juda“. Das Tier und die Könige
der Erde sind die Politiker, die sich mit dem Bösen vereint haben
und gegen Äthiopien vorgingen. Tatsächlich hat Italien zwei Kriege
gegen Äthiopien geführt, den ersten unter Menelik II verloren
und beim zweiten, der zur zeitweisen Exilierung von Selassie führte,
nur Teilerfolge erzielt.
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Zur
Zeit der Interpretation der Offenbarungspassagen rivialisierten gerade
England und Italien um das ostafrikanische Land und versuchten, ihre Interessen
aufzuteilen. Gerade Italien, als römisch katholisches Land, das aus
Sicht der jamaikanischen Prediger vom wahren Glauben abgefallen war, ist
als das Tier anzusehen. Der Feuersee mit Schwefel dürfte ein Symbol
für die zerstörerischen Waffen sein, die bei den Konflikten zum
Einsatz kam. Italien hat Gebiete in Äthiopien mit Senfgas bombardiert. |
Die
herausragendste und einflußreichste Persönlichkeit unter den
Priestern war ein Mann mit dem Namen Leonard Percival Howell. In Trinityville,
Parish of St. Thomas, Jamaika hielt er im Jahre 1933 eine Rede, daß
nicht der britische König, sondern Haile Selassie als König der
Schwarzen der Insel anzusehen sei. Howell wurde 1934 von der Kolonialverwaltung
wegen Aufruhrs gegen die englische Krone und wegen Betruges (er verteilte
Bilder mit Selassie, die nach seiner Erklärung Reisepässe für
die Rückkehr nach Äthiopien sind) zu einer zweijährigen
Gfängnisstrafe verurteilt.
Howells
Aufruf an die Jamaikaner, sich ihrer kulturellen Wurzeln zu besinnen, nach
Afrika zurückzukehren und dort eine neue Nation zu bauen, wurde von
der Kolonialmacht als Bedrohung gesehen. Nach seiner Freilassung aus der
Haft gründete er die Äthiopsche Heilsgesellschaft.
1940
vollzog der Prediger den fundamentalen Schritt zur Gründung der ersten
Rastagemeinde: in der Nähe von Spanishtown kaufte er eine alte Farm
in den Bergen und gründete dort Pinnacle, einen Ort, an dem im Laufe
der kommenden Zeit mehrere Hundert Rastas zusammenlebten. Dort wurden die
ersten Grundzüge der Rastaphilosophie entwickelt. Im Juli 1941 wurde
Howell erneut verhaftet, er soll seine Nachbarn bedroht haben und seine
Gemeinde wurde mit dem Charles Manson Kult verglichen. Es folgten erneut
zwei Jahre Haft.
Dann
kamen ungefähr eineinhalb Jahrzehnte Ruhe vor den britischen Behörden,
Zeit genug, um seinen Anhängern ein Selbstbewußtsein zu geben
und die begonnene Philosophie der Rastafarians zu festigen. 1954 (in anderen
Quellen 1958) wurde Pinnacle erneut von der Polizei überfallen und
es gab Massenverhaftungen, die das Ende der Kommune bedeuteten. Die meisten
von Howells Anhängern zogen nach Kingston, er selbst kam ins Irrenhaus
Jamaikas, ein unwürdiges Ende für einen der größten
Vordenker der Rastafarians. |
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Vier
Jahre später veranstaltete Prince Edward Emmanuel eine dreiwöchige
Veranstaltung in Back o Wall, einer Slumgegend in Kingston, die von vielen
Rastas bewohnt wurde. Ungefähr 3000 Leute haben an der Konvention
teilgenommen und sich auch von brutaler Polizeigewalt nicht vertreiben
lassen. Die Bobo Dreads, eine Untergruppe der Rastafarians, mit dem signifikanten
Turban, beruft sich auf Emmanuel als ihren Propheten.
Ein
weiterer Prediger, Claudius Henry, verteilte 1959 Tausende von Karten,
die von den Rastas fälschlicherweise als Passierschein nach Äthiopien
gesehen wurden. Viele verkauften ihr weniges Hab und Gut und versammelten
sich am 5.10.59, dem großen Tag vor Henrys Kirche, aber keines der
versprochenen Schiffe für die Passage ins Gelobte Land, und auch der
Priester tauchten nicht auf. Henry wurde 1960 verhaftet, nachdem man in
seiner Kirche Waffen gefunden hatte. In einer lebhaften Gerichtsverhandlung
sind er und viele seiner Komplizen zu langen Gefängnisstrafen verurteilt
worden. Es heißt, daß Ende des gleichen Jahres Henrys Sohn
in Begleitung einiger Schwarzer aus den USA nach Jamaika zurückgekehrt
ist und in den bergen ein Guerillacamp aufgebaut hat. Sie wurden gefangengenommen
und viele von ihnen erhielten die Todesstrafe.
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Im
Laufe von drei Jahrzehnten hatten sich die der Rastafarians von einer beäugten
Kommune in den Bergen zu einer inselweiten Bewegung mit urbanen Gemeinschaften
und dörflichen Vertretungen gewandelt. Die ständig steigende
Beliebtheit dieser schwarzen Interpretation der biblischen Geschichte und
historischen Ereignisse resultierte in einem stetigen Zulauf zur Bewegung
der Rastafarians, sie wurde zu einer Lebensphilosophie, die Wurzeln, Würde,
Selbstbewußtsein und Kraft vermittelte.
Von
außen wurden die Rastas beäugt, Argwohn und Angst dominierten,
sobald es in der Gesellschaft der Insel um die Dreads ging, die in ihrer
Mehrheit friedlich leben wollten. Einige Rasta Elders forderten eine Studie,
um ihr negatives Image in der Gesellschaft zu revidieren und Informationen
bereitzustellen, daß es sich um eine Gruppe handelt, die mit friedlichen
Mitteln versucht, ihre Ziele zu erreichen. |
Drei
Wissenschaftler der Universität in Kingston haben daraufhin in einer
zweiwöchigen Feldstudie Informationen gesammelt, die in einem vierzigseitigen
Bericht mündete. Dort kann man hauptsächlich Positives nachlesen
und es werden ein paar Empfehlungen ausgesprochen, wie man den Dreads helfen
könnte. Es folgte die Reise einer Delegation nach Äthiopien und
in vier andere afrikanische Länder, an der drei Rastafarian Elders
teilnahmen. Es sollte ausgelotet werden, ob man Jamaikanern tatsächlich
die Möglichkeit der Heimkehr auf den Kontinent ihrer Vorfahren anbieten
könne.
Im
April 1966 kam Haile Selassie nach Jamaika. Für die Rastas der Insel
war es das größte Ereignis, denn der lebendige Gott kam zu ihnen.
Zehntausende Jamaikaner und wahrscheinlich jeder Rasta waren auf den Beinen,
um den Negusa Nagast zu begrüßen. Liest man Augenzeugenberichte
über dieses Ereignis, wird einem die Bedeutung Selassies für
die Dreads auf der Stelle klar: als sein Flugzeug landete, konnte man Donner
hören, ein Regenbogen war zu sehen, seine Hände versprühten
Blitze, er stellte spirituelle und göttliche Kontakte mit der Bevölkerung
her. |
Rede Haile Selassies
vor Jamaikas Parlament
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Faktum
ist, daß die Rollbahn des Palisadoes Flughafens von Kingston bei
der Landung der kaiserlichen Maschine voller Menschen war, die jamaikanischen
Sicherheitskräfte konnten den Druck der Massen nicht halten. Selassie
zögerte circa eine Stunde seinen Flieger zu verlassen, bevor er die
Anweisung gab, die Kabinentür zu öffnen. Es heißt, daß
er von dem Empfang, den das jamaikanische Volk ihm bereitet hat, überwältigt
war.
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Die Menschemassen auf dem Rollfeld bei Selassies Landung |
1969
eröffnete die Äthiopisch Orthodoxe Kirche, die Kirche des Negusa
Nagast, eine Mission auf der Insel. Viele Rastafarians ließen sich
taufen und begannen Ge’ez, die liturgische Sprache Äthiopiens, bzw.
Amharisch, die moderne, daraus hervor gegangene Variante der Sprache zu
lernen.
In
den Siebziger Jahren begann Bob Marley mit seiner Gruppe, den Wailers,
über den Reggae, die Ideen der Rastafarians mit seinen Songs in die
ganze Welt zu tragen. Viele Musiker dieser Zeit begannen über das
Vehikel Musik ihre Message von Love and Peace, den spirituellen Gedanken
der Dreads und ihre politischen Forderungen nach einer Heimführung
nach Afrika zu formulieren. Dadurch wurde erreicht, daß diese vorher
rein schwarze Bewegung einem weißen Publikum nahegebracht wurde und
immer mehr Menschen anderer Hautfarben begannen, sich mit den Gedanken
der jamaikanischen Rastafarians zu beschäftigen.
Man
könnte annehmen, daß die Absetzung Haile Selassies 1974 und
sein Tod ein Jahr später, am 27.8.1975 eine Krise unter den Leuten
hervorrufen würde. Dem war nicht so! |
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Die
Nachricht über den Tod des Negusa Nagast wurde kommentiert, daß
die Kolonialphilosophie behaupten würde, er sei tot. Die Rastafarians
wüßten, daß JAH in seiner Manifestation als Haile Selassie,
Seine Imperiale Majestät (His Imperial Majesty, H.I.M.) in seiner
Macht für immer bestehen würde. Gott könne und würde
niemals sterben.
Am
4.10.1975 spielte Bob Marley in Kingston vor einem mehrere tausend Menschen
umfassenden Publikum und lieferte eine gesungene Erklärung zu dem
Ereignis:
„JAH
Live, children.
The
truth is an offence, but not a sin.
Is
he who laughs last, is he who win.
Is
a foolish dog barks at a flying bird.
One
sheep must learn, to respect the shepherd.
JAH
Live, children.
Fools
say in their hearts, “Rasta, your God is dead”.
But
I’n’I know JAH JAH dread, it shall be dreader dread.
JAH
Live, children.
Let
JAH arise, now that the enemies are scattered.
Let
JAH arise, the enemies, the enemies are scattered.
JAH
Live, children” |
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Das
physische Dahinscheiden des Negusa Nagast ist nur ein weiterer Schritt
für die Rastas. Im folgenden Abschnitt ist eine Zusammenfassung
ihrer Sichtweise über Selassies Tod:
JAH
kommt in 72 verschiedenen Erscheinungsformen. Um seine Mission der Befreiung
der Menschheit zu vollenden, ist ein physischer Körper nicht mehr
nötig. Denn JAH hat seine geheime Wohnung im Herzen des lebenden Menschen.
Somit ist Er bei allen Aktivitäten des aufrechten Individuums präsent.
JAH, als der Schöpfer lebt für immer und ewig, wie die Sonne,
der Mond und die Sterne, die Er geschaffen hat. Die Rastas sind der gepflanzte
Baum, der seine Früchte hervorbringt, wenn die Zeit reif ist. Wenn
JAH tatsächlich gegangen wäre, gäbe es keine Sonne, Mond
und Sterne mehr, um den Menschen den Weg zu weisen. Die gleichen Leute,
die Jesus gekreuzigt haben, sagen 2000 Jahre später, in der Zeit,
die in der Bibel als die Rückkehr des Messias genannt wird, daß
JAH tot ist. Sie sollen ihr Werk tun. Sie sollen an den heiligen Geist
glauben und in den Himmel starren, wie vor 2000 Jahren. JAH sagt, man soll
nirgendwo nach Ihm schauen, sondern in sich selbst suchen. Wenn der Conquering
Lion of the tribe of Juda, the Elect of God, the Light of this world sterben
könnte, wer würde dann diese Welt regieren? Und wer würde
dann diesen Herrscher regieren? Diese Welt würde nicht mehr existieren.
Es wird behauptet, der König ist tot, aber niemand kann sagen, wo
er begraben ist, wie er begraben wurde und wann es stattgefunden hat (er
ist vom sozialistischen Dergue Regime Äthiopiens in aller Heimlichkeit
bestattet worden), aber sie behaupten, JAH ist tot. Es gibt niemanden,
der auf einem 3000 Jahre alten Thron sitzt, der drei Jahrtausende Tradition
vereint. Der weiße Mann redet vom Vater, dem Sohn und dem Heiligen
Geist. JAH hat keine Begleiter, wer sind die anderen beiden? JAH nimmt
das Herz des Menschen, welches Sein Thron ist. Die Menschen, die sagen,
daß Selassie tot ist, sind nicht erleuchtet. Rastas glauben nicht.
Sie WISSEN, daß Haile Selassie der wiedergekehrte Messias ist. Nur
Er ist es wert, das Buch mit den sieben Siegeln zu öffnen.
Das
Rastakonzept wird weiter unten noch ausführlicher behandelt.
JAH Music:
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Der
Tod von Bob Marley, der 1981 mit nur 36 Jahren sehr jung an Krebs starb,
hat der internationalen Verbreitung von Reggae und damit der Rastamessage
erst mal einen Rückschlag verpaßt. Zwar gab es andere Bands,
die sich um die Verbreitung der Dreadphilosophie bemühten und es entstanden
sogar weiße Reggaebands. Die Entwicklung ging jedoch weg von spirituellem
Sound hin zu tanzbarer Unterhaltungsmusik mit Texten, die eher etwas über
den rauen Lebensstil in den jamaikanischen Gettos, über sexuelle Vorlieben
oder über das Bacardi Feeling an karibischen Stränden erzählten.
Das
Wiederaufleben von conscious Music, das Roots Revival, Anfang der Neunziger
Jahre des 20. Jh., hat man vor allem den Bands zu verdanken, die die „Slacknesszeiten“
der Achtziger Jahre überlebt hatten und ihrer Message treu geblieben
sind. Diese Musiker und Bob Marley haben eine ganze Generation neuer Musiker
inspiriert, sich wieder mehr um die Urmessages der Rastafarians zu kümmern
und sie in eine durch Globalisierung und Satellitenkommunikation zusammenschrumpfende
Welt zu tragen. |
Leider
muß man gleichzeitig festhalten, daß außerhalb von Jamaika
nur wenige sich mit der Message der Musik auseinandersetzen. Vielerorts
ist Reggae zu einem tanzbaren Sound verkommen, mit dem man stundenweise
in der Dancehall Spaß haben kann. Und die Sänger, die sich heute
in verschiedenen Ländern mit Reggae befassen, wollen von mit ursprünglichen,
spirituellen Bedeutung des Reggae meist wenig zu tun haben.
Trotzdem
wird die neue Reggaemusik einige Zuhörer zu den Wurzeln zurückführen
und eins ist schon erreicht: JAH Music ist auf dem ganzen Planeten bekannt,
sie ist wahrhaft outernational geworden. Denn Reggae befällt das Stammhirn,
wo die Gefühle erzeugt werden. Bevor das restliche Hirn mithalten
kann, hypnotisiert der treibende Rhythmus den Zuhörer und befreit
sein Ich. Reggae ist der Ausdruck von zerschundenen Seelen der in Babylons
Gefangenschaft lebenden Afrikaner.
Die israelitische
Befreiung der unterdrückten Afrikastämmigen:
Wir
haben gelesen, daß Marcus Garvey die Krönung von Ras Tafari
vorhergesehen und Leute, wie Leonard Howell Selassies Göttlichkeit
mithilfe der Bibel erklärt haben. In den folgenden Abschnitten möchte
ich den Versuch starten, die Vorstellungen der Rastafarians zu beschreiben.
Schon in der Einleitung habe ich bemerkt, daß ich es für sehr
schwierig halte, diesem Anspruch gerecht zu werden.
Haile
Selassie ist der wiedergekehrte Messias. Hierbei ist es wichtig zu wissen,
daß Rastas NICHT an die Dreifaltigkeit (Vater, Sohn, Heiliger Geist)
glauben, sondern die göttliche Kraft in einer Person vereint sehen.
Frappierenderweise bedeutet „Haile Selassie“ I der Name, den Ras Tafari
bei seiner Krönung zum Negusa Nagast 1930 angenommen hat übersetzt
„die Macht der Dreifaltigkeit“. Aus Sicht der Dreads steht in der Bibel
(Offenbarung 5 und 19 – 20), daß Haile Selassie alle Voraussetzungen
erfüllt, die Inkarnation von JAH zu sein. Hinzu kommt seine Abstammung
von König David I von Israel. Selassie ist die 225. Wiedergeburt von
König Salomo, der mit der Königin von Saba (Äthiopien) einen
Sohn hatte und die Wurzel der solomonidischen Dynastie des Landes war.
„Christos“ bedeutet in der griechischen Übersetzung „Erlöser“,
Selassie ist der wiedergeborene Erlöser. Auf ihn trifft zu, was bei
den Philistern 2, Römern 14, Jesus 45 und im Psalm 97 steht: Ihm muß
sich jedes Knie beugen. |
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Viele
Rastas glauben, daß die Afrikaner von einem verlorenen Stamm Israels
abstammen. In Jeremia 12 ist geschrieben, daß JAH das Haus Juda aus
Israel herausreißen wird und es wieder in die Heimat zurückführen
wird. Die Schwarzen Jamaikas haben schon immer eine Verbindung zu den versklavten
Hebräern der Geschichte gespürt.
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Wie
müssen solche Zeichen auf Menschen wirken, die Jahrhunderte,
zuerst durch Sklaverei und dann durch Kolonialismus, unterdrückt wurden,
die ihrer Heimat entrissen wurden und ein wurzelloses Volk sind, denen
gesagt wird, sie seien nichts wert und müßten einem weißen
König, einer weißen Königin folgen?
Dann
wird ein schwarzer, afrikanischer Mann mit einem uralten, divinen Stammbaum
gekrönt, alle Augen sind nach Afrika gerichtet, viele Nationen schicken
ihm Abgesandte und huldigen ihm. Sein Name vereint drei in der weißen
Kirche getrennte Funktionen der Göttlichkeit und seine Krönung
wurde von Garvey vorhergesagt. Das mächtigste Wesen dieses Planeten
ist ein Afrikaner. Das Alte Testament wird studiert und unter den neuen
Ereignissen völlig anders wahrgenommen. Der weiße Mann hat die
Bibel gefälscht, hat Passagen ausgelassen, um die Abstammung der Schwarzen
von den Israeliten zu verheimlichen. Tatsächlich sind einige Schriften,
die man im Kebra Nagast (Die Herrlichkeit der Könige), einer uralten
Chronik Äthiopiens, finden kann, nicht in die Bibel gelangt. |
Warum
sollten alle Heiligen weiß sein? Warum sollte die Gotteskraft geteilt
sein? Warum soll man in den Himmel schauen (skygazing), wenn Gott offensichtlich
wieder unter den Menschen wandelt? Bibelpassagen, die auf Haile Selassie
als den Erwarteten zutreffen, gibt es zuhauf. Eine schwarze Sicht des bisher
weißen Missionierungsinstrumentes, wird geboren. Der geschichtslose
schwarze Jamaikaner hat plötzlich Wurzeln, die auf die divinen Könige
Israels deuten und 3000 Jahre zurückgehen. Selbstbewußtsein!
Existentielle
Philosophie:
Die
Bibel hat es enthüllt: der Afrikaner ist der wahrhafte Herrscher der
Erde. Denjenigen, die diese Doktrin auf den Straßen und in den Kirchen
Jamaikas vertreten, wird gerne zugehört, sie bilden ein Gefolge und
fangen an, sich zu Gemeinschaften zu organisieren. Sie nennen sich Rastafarians
und erhalten eine heilige Verwandtschaft mit Gott über Adam, Salomo
und Haile Selassie mit einer spirituellen Geburt durch die Anerkennung
von JAH in der Personifizierung von Selassie als biblischen König
Israels. Sie brauchen keine Kirchen und Gottesdienste, um Gottes Wort zu
vernehmen oder Ihm zu huldigen, denn im Ersten Buch der Könige steht,
daß JAH im Herzen der Menschen wohnt. Gottes Handeln findet im Menschen
statt und der Ort jederart Veränderung liegt im Herzen des Menschen.
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Um
Ihm näher zu sein, wird das Heilige Kraut, Ganja, Marihuana geraucht,
wie es im Psalm 104, 14 geschrieben steht. Ganja führt zu Higher I-tes,
zu einer höheren Bewußtseinsebene. So stößt das Individuum
zu JAH in seinem Herzen vor und man erkennt das immer-schon-da-Gewesene.
Man kann den Menschen nicht ändern. Aber der Mensch kann sich selbst
durch den Gebrauch von Ganja ändern. Wenn man dadurch göttlicher
wird, dann geht man dadurch mit den Mitmenschen um, als wäre man JAH.
Wenn viele Individuen diesen Weg gehen, dann schaffen sie gemeinsam einen
Zustand, der JAH näher ist. Ganja ist „the healing of the nation“,
die Heilkraft, die alle Übel auf der Welt beseitigen kann.
Am
Anfang war das Wort. JAHs Wort hat alles geschaffen. Word, Sound und Power
sind die Waffen eines Rastafarians. Hat man Higher I-tes erreicht, dann
ist der Ausdruck, das Wort eine mächtige Waffe. Und das besonders
bei Menschen, die sagen, daß sie nicht glauben, sondern wissen. |
Auf
den Grounations, den spirituellen Zusammenkünften der Rastas, wird
dem Wort Klang verliehen: Nyahbinghi. Diese Musik geht zurück auf
die in der neuen Welt verschmolzenen afrikanischen Kulturen, auf Burro
und Revivalism. Es sind Gesänge, meist Bibelrezitationen, die von
Trommeln begleitet werden und nacjh einem festen Muster ablaufen. Es gibt
die Fundeh, sie spielt den Grundrhythmus, die Lifeline, die Bassdrum, die
Basis, die mit ihrer spirituellen Bedeutung – death to evil forces – die
von der Fundeh generierte Lifeline beschützt und den Repeater, auf
dem die Melodielinie gespielt wird, die einen Lebensweg erzeugt. Eine Grounation
befreit die Sinne, hilft das eigene Selbst zu erkennen. Befreiung: Beat
down opression. Death to all white and black opressors. Live if you want
to Live. Power!
Für
das System der Unterdrückung, die Unterdrücker der Schwarzen
und ihre Herkunft gibt es ein Wort: Babylon. Die Bedeutung des Wortes geht
auf die historische Stadt zurück. Babylon bedeutet auf babylonisch
Gottespforte, auf hebräisch Verwirrung. Es war eine der wichtigsten
Städte der Antike, circa 90 Kilometer südlich von Bagdad im Irak
gelegen. Babylon war im 2. und 1. Jahrtausend v. Chr. die Hauptstadt von
Babylonien. Die babylonische Sprache war als Sprache der Wissenschaft im
Altertum lange Zeit von Bedeutung.
In
Genesis 11, 1-9 kann man nachlesen, wie die Bewohner der Stadt bei Gott
in Ungnade gefallen sind: Ein Turm, wurde auf der Ebene im Land Sinear
in Babylonien errichtet. Der Turm sollte bis in den Himmel reichen, doch
Gott war über diese Anmaßung erzürnt und unterbrach den
Bau, indem er eine Sprachverwirrung bewirkte. Daraufhin verstreuten sich
die Menschen, die nun verschiedene Sprachen redeten, über die ganze
Erde.
Eine
weitere Geschichte rankt sich um den babylonischen König Nebukadnezar
II. Im Jahre 597 v. Chr. griff er Israel das erste Mal an, eroberte Jerusalem
und verschleppte zahlreiche Juden in babylonische Gefangenschaft. 588/87
v. Chr. zerstörte er Jerusalem nach einem Aufstand gegen ihn und verschleppte
die restlichen Juden ins babylonische Exil, das bis 538 v. Chr. ging.
In
der Offenbarung des Johannes ist Babylon das Symbol für Unzucht, die
Mutter der Huren und der Greuel, die Behausung der Dämonen und das
Gefängnis der unreinen Geister.
Wenn
man zusammenfaßt, ist das historische Babylon ein Symbol für
die Geburtsstätte einer auf Theorie und Nichtglauben basierenden Wissenschaft,
der Arroganz und Anmaßung, der Verwirrung, des Unverständnisses,
der Gewalt, Unterdrückung und Entwurzelung und die Heimat einer verkommenen
Gesellschaft. Wenn man die Zustände in der heute bestehenden „westlichen
Zivilisation“ analysiert, muß man feststellen, daß sich über
die knapp 3000 Jahre sehr wenig daran geändert hat.
Babylon
beschreibt alles, was einen Rastafarian davon abhält, seinen Lebensstil
zu leben, die Menschen, die ihn davon abhalten – bspw. die jamaikanische
Polizei – und die Welt außerhalb des Mutterkontinentes Afrika, von
dem ihre Vorfahren geraubt wurden. Symbole Babylons sind der Vatikan mit
dem Pabst, der das Mal des Teufels (die Zahl 666) trägt, die Königin
von England (the bitch), der US-Dollar stellvertretend für das ausbeuterische
Geldsystem des Kapitalismus, die empirische Wissenschaft mit ihrem System
der letzten Erkenntnis, die morgen schon wieder überholt ist, den
gottlosen Produkten (Gentechnik, Klonen, Atomspaltung etc.) der Technologie,
die Anwendung von Waffen in Konflikten, die mit Gewalt und nicht durch
die Überzeugungskraft des Wortes ausgetragen werden und vieles mehr.
Babylon
hat eine schwache Stimme, es besitzt nicht die Kraft des Wortes, es produziert
eine Kakophonie ohne Sinn. Das Blabla der Politiker führt zu nichts,
als zu Kriegen und zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Die Wissenschaft
widerspricht sich permanent gegenseitig. Die oberflächliche Kultur
besitzt einen schalen Unterhaltungswert des Scheinbaren. Seine Bevölkerung
besteht aus unbewußt lebenden, verfluchten Individuen ohne Erbe,
Identität oder Zukunft. Die Menschen leben wie Vieh, das irgendeinen
wirtschaftlichen Zweck erfüllen soll. Sie fröhnen dem Ego, dem
Intellekt, haben kein Gefühl für Gemeinschaft.
JAH
wohnt jedoch im Herzen jedes Menschen, auch in denen der Babylonier. Nur
daß diese Ihn in ihrer Oberflächlichkeit, in ihrem Egodenken,
in ihrer Existenz des Hörensagens, in ihrer technologischen, auf Erfahrung
beruhenden Lebensweise nicht erkennen. Sie können die notwendigen
Higher I-tes nicht erreichen, so daß die göttliche Kraft in
ihnen nicht aufblüht. Die Babylonier kommen mit ihrer empirischen
Perspektive nicht weiter und existieren als Untote in ihrer Ignoranz. Wer
die Kraft von JAH spürt, überwindet die Maschinerie Babylons
durch die macht der urprünglichen Schöpfungskraft. |
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Afrika Inna I:
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Trotz
der Verschleppung und der folgenden Jahrhunderte der Sklaverei, trotz systematischer
Gehirnwäsche, Degradierung, Missionierung und Europäisierung,
haben es die Rastas Jamaikas geschafft, Teile ihrer afrikanischen Kultur,
des Denkkonzeptes, der Sprache, der Religion, der Bräuche und Sitten,
bis heute am Leben zu halten. Ohne Afrika in ihnen wären die meisten
Menschen wohl zu Zombies geworden, aber sie haben es geschafft, nach vier
Jahrhunderten aus einer zerschundenen Seele eine Bewegung zu schaffen,
die ohne jeden Missionseifer tagtäglich und weltweit neue Anhänger
findet.
Der
Grund dafür ist ihre positive Denkweise. Es ist eine Energie, die
aus ursächlicher Wirksamkeit und kreativer Lebenskraft besteht und
von den afrikanischen Ahnen und Göttern stammt. Ihre Kraft kommt aus
dem Erbe der Sklaverei und aus den Lebensumständen und Konflikten
des Jetzt. Man liest die verschiedensten Bezeichnungen für diese Energie:
Seele, Ka, Lebenskraft, Soul Force, Yin und Jang.... Sie hält Körper
und Geist im gesunden Gleichgewicht, sie hält die üble Energie
fern, sie läßt das Individuum Gutes tun.
Diese
Energie hat die Afrikaner die Greuel der Sklaverei überleben lassen.
Sie läßt die Rastas das harte Leben in den Gettos Jamaikas mit
einem Lächeln ertragen. Sie ermöglicht das Erkennen von Zwangslagen
und gibt die Kraft, daraus zu entkommen. Sie verwandelt negative Schwingung
in positive Vibrationen, Traurigkeit in Freude, Weinen in Lachen, Niederlage
in Sieg. Sie liefert die Geduld das Leiden zu ertragen und die Hoffnung
in der Aussichtslosigkeit und Enttäuschung. Ihre Ausdrucksformen,
Wandlungen und Kombinationen sind so unendlich, wie die menschlichen Gefühle.
Diese Energie entsteht nicht im Kopf, sie kommt aus dem Bauch, sie ist
irrational, nicht faßbar oder reproduzierbar, sie ist mit Logik nicht
zu beschreiben, sondern nur zu erfühlen – entweder man hat sie, oder
man wird es nicht verstehen.
Afrika
hat auf allen Ebenen überlebt, in der Sprache, in der Nahrung, in
der Musik und im Lebenskonzept. Was zählt, ist die Gemeinschaft, der
Einzelne zählt erst etwas in der Gemeinsamkeit mit Anderen. Das manifestiert
sich im Patois, dem Englischdialekt Jamaikas und dem Sprachkonzept der
Rastas mannigfaltig. Nicht nur direkt aus Afrika stammende Wörter,
wie njam für Essen haben die Jahrhunderte überlebt. Die Sprache
wird positiviert, so wird dedication, Widmung zu livication, sie wird entzerrt,
so wird oppressor, Unterdrücker zu downpressor, oder gun, Waffe zu
dun (down). Sie wird sozialisiert, so ist das isolierte Ich durch das Objektivpronomen
me bezeichnet. Ich, als Subjekt kommt erst im Kontakt zu Weiteren, als
I’n’I, wir zur Bedeutung. Das I durchzieht die gesamte Sprache, unity,
Einheit, wird zu I-nity, ever, immer zu I-ver, brethren, Bruder zu I-dren, |
I-Spektive:
Ein
Rasta sieht sich als Afrikaner, egal, wo er geboren wurde und lebt. Er
sieht nicht nur eine afrikanische Kultur, sondern eine kulturelle Achse,
von der der ganze Kontinent profitieren wird. Das Konzept der Rastafarians
reißt die von den europäischen Kolonialmächten 1884 in
der Berliner Konferenz gezogenen Grenzen ein und ersetzt sie durch eine
panafrikanische Idee. Denn Rasta ist mehr, als eine Religion, es ist eine
Lebensweise nach den in der Bibel überlieferten Regeln des Altertums.
Sie möchten im Mutterland leben, wenn die Repatriierung vollzogen
wurde. Sie wollen eine Kultur etablieren, die Natur und Umwelt achten und
in Harmonie miteinander leben.
Rastas
achten die Frauen, sie sind die Mütter der Schöpfung, gebären
den Nachwuchs. Sie achten die Alten, denn sie liefern Ratschläge,
sind eine Quelle des Wissens und dienen als Lehrer. |
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Wer
die Rastas auf ihrem Weg ins gelobte Land aufhält, handelt gegen JAH.
Sie sind gegen jede Form der Unterdrückung, friedliebende Menschen,
denen Gemeinschaft, Liebe, Gerechtigkeit und Freiheit wichtig sind. Um
diese Werte zu verteidigen und ihren Weg gehen zu können, sind sie
jedoch bereit, wenn nötig, auch militant vorzugehen.
Livity:
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Rastas
leben häufig zurückgezogen in den Bergen, in Kommunen oder in
größeren Gemeinschaften in den Gettos von Jamaika. Sie versuchen,
ohne ein Anstellungsverhältnis, ohne einen Boss zu überleben.
Geld wird durch Hustling, durch kleine Geschäfte, verdient. Die Bobo
Dreads zum Beispielverkaufen selbst hergestellte Besen an den Straßenecken.
Viele stellen ihre Nahrung, das I-tal selbst her, leben als Subsistenzbauern,
wobei der produzierte Überschuß in Tauschgeschäften gehandelt
wird. |
Zigaretten,
Alkohol, Salz, Gewürze und Schweinefleisch sind verpönt. Ein
orthodoxer Rasta ißt nur Nahrung, die von Rastas produziert und gekocht
wurde. Viele essen aus Respekt vor der Schöpfung überhaupt kein
Fleisch, denn man muß Gewalt anwenden, wenn man die Tiere schlachtet.
Das entspricht nicht ihrem Verständnis mit der Umwelt in Harmonie
zu leben.
Viele
Regeln der Rasta Livity werden aus dem Alten Testament abgeleitet. Die
Dreadlocks z.B. gehen auf das 3. Buch Mose zurück, genau so, wie die
Ablehnung von Operationen oder Amputationen. Die Regeln des Zusammenlebens
stammen aus der gleichen Quelle. So gilt bspw. eine menstruierende Frau
als unrein und muß in einer separaten Hütte schlafen.
Organisationen
und Prinzipien:
Obwohl
Rasta weltweit als eine sehr unorganisierte Bewegung gilt, haben sich auf
Jamaika vier Organisationen gebildet: Nyahbinghi, 12 Tribes, Orthodox und
Bobo Shanti. Weiterhin existiert die äthiopisch orthodoxe Kirche,
die als Kirche Selassies und als ehemalige Staatskirche Äthiopiens
großen Zulauf hat, was allerdings mit einer Mitgliedschaft in einer
der vier Organisationen nicht kollidiert.
Rasta
hat weniger mit Doktrinen und Prinzipien zu tun und trotzdem haben die
Mitglieder der vier Rastaorganisationen und auch die vielen Unorganisierten
auf der ganzen Welt einige Gemeinsamkeiten.
Das
verbindendste Element ist der Glaube an Haile Selassie als spiritueller
Herrscher und an Marcus Garvey als Vorkämpfer der Bewegung. Sie lesen
die Bibel und leben nach ihren Regeln. Rastas kämpfen gegen Unterdrückung,
versuchen gesund zu essen und zu leben. Sie machen keine Kompromisse, sprechen
die Wahrheit, tun nichts Unrechtes, denken und handeln positiv, sie streben
nach Informationen, denn Wissen ist Macht. Sie sind JAHs Krieger, heilig,
nichts kann sie verletzen. |
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Symbolik:
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Das
auffallendste Symbol der Rastafarians ist ihre Mähne. Weder Schere,
noch Kamm berühren Haupt- oder Barthaare. So entwickelt sich über
die Zeit eine verfilzte Haarpracht, die oft unter der Strickmütze
oder im Turban getragen wird. Oft tragen sie Portraits von Haile Selassie
als Kettenanhänger oder als Plakette an ihrer Kleidung. Die meistgetragenen
Farben sind Schwarz für ihr Selbstverständnis und die Farben
der äthiopischen Nationalflagge, rot, gold und grün (rot steht
für das Blut, Gold für die in Afrika gestohlenen Reichtümer
und grün für die Hoffnung auf ein besseres Leben). Patois hat
mit der Anwendung des I eine symbolische Bedeutung für die Kommunikation
untereinander, genauso, wie der Gruß „one love“, der ausdrücken
soll, daß man Andere genau so lieben soll, wie sich selbst. Oft sieht
man auch das Zeichen der Dreifaltigkeit, die Hände bilden ein nach
unten gerichtetes Dreieck.
Bestimmt
sind in diesem Beitrag Elemente der Rastafarians verzerrt dargestellt,
zu kurz gekommen oder sogar vergessen worden. Dafür möchte ich
mich an dieser Stelle entschuldigen. Für Ergänzungen, Korrekturen
und Hinweise bin ich dankbar: Mail |
JAH live on in
the heart of Man. |