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Die Schneekuppel
Studie bringt deutsches Parlament in Verdacht

Bundestag: „Wir werden Vorwürfe prüfen“

Salondroge Kokain – nicht nur im Fall Daum, auch im Reichstag finden sich Spuren des weißen Schnees.
Ein heikler Test der SAT.1 Sendung „Akte 2000“ ergab: Von 28 Toiletten im Reichstag wiesen 22 Kokain-Spuren auf. „Akte“-Chef Ulrich Meyer gestern: Es handele sich um Mengen, „bei denen ein Drogenhund anschlagen würde“. Zu den negativen Proben hätten drei Besuchertoiletten gehört, so Magazin-Sprecherin Eva Bons.
Da fragt man sich: Sind etwa auch unsere Politiker abhängig? Vergangene Woche wischten die Reporter die Toiletten mit sterilen Tüchern ab. Die Proben gingen ans Nürnberger Institut für biomedizinische und pharmazeutische Forschung, das auch im Fall des wegen Doping gesperrten Läufers Dieter Baumann die Untersuchungen vorgenommen hatte.
Sind die Analysen seriös? Eva Bons: „Wir haben nichts getürkt und haben extra ein renommiertes Institut ausgesucht.“ Zustimmung gestern vom Instituts-Leiter, Professor Fritz Sörgel: „Dass wir Null-Werte gefunden haben, ist ein guter Beweis dafür, dass sowohl die Akte-Wischtest zuverlässig sind, der Akte-Reporter nicht kontaminiert hat, als auch dafür, dass auch im Labor keine Kontamination dieser Proben stattgefunden haben kann.“ Anders sieht dies der Sprecher von Bundestagspräsident Thierse, Hans Hotter: „Alles sehr unwahrscheinlich. Die Toiletten werden zwei mal täglich gründlich gereinigt. Wir haben bereits Fachleute befragt. Sie halten die ganze Sache für problematisch, besonders die angeblich hohe Spurendosis, bei denen ein Drogenhund anschlagen würde.“
Hotter zweifelt auch, dass man Politiker jetzt als Kokser überführen kann: „Im Reichstag bewegen sich täglich Hunderte von Menschen. Nicht nur Politiker – auch Besucher, Journalisten, Lobbyisten.“ Entsetzen  auch bei Bundestags-Sprecherin Annette Sach: „Diese Kokain-Anschuldigungen sind unglaublich. Wir werden sie prüfen.“
Eva Bons dazu: „Uns gings jetzt nicht darum zu zeigen, Abgeordneter X ist kokainabhängig, sondern darum, dass sich das Thema durch alle Bevölkerungskreise zieht, und das ist uns eindrucksvoll gelungen.“ Die Reporter hatten auch im Abgeordnetenhaus des Landes Berlin, in einem Nobelhotel, an der Börse und in Bürogebäuden Proben genommen – und überall gabs Spuren, so Eva Bons.
Express: 02/11/00

Brisantes Ergebnis und viele Fragen

Haben wir ein Parlament von Koksern? Nein. Sicher haben die Reporter von SAT.1 so gründlich wie möglich recherchiert. Die Toiletten im Reichstag stehen jedoch nicht nur Abgeordneten offen – sondern auch Hunderten von Lobbyisten, Journalisten, Kameraleuten, Parlamentsmitarbeitern, Securities.
Für die Parlamentarier hat also die Unschuldvermutung zu gelten. Aber mit einem Dementi des Bundestagspräsidenten ist es trotzdem nicht getan. Da muss mehr Aufklärung geleistet werden. Schließlich geht es um das Ansehen des Parlaments.
Express 02/11/00

Die Drogenbeauftragte
Fragwürdige Aktion

Christa Nickels, Drogenbeauftragte der Bundesregierung:
„Fest steht: Es gibt keine drogen- und suchfreien Bereiche in der Gesellschaft.
Und richtig ist auch: Gefährdet sind die Menschen gerade dort, wo so unter Druck gearbeitet wird – wie im Show-Business, im Spitzensport, im Management, Journalismus und der Politik.
Doch zu der SAT.1-Aktion kann ich nur sagen: Sie ist fragwürdig und unseriös und galt wohl dem Zweck, sinkende Einschaltquoten anzuheben.
Die Akteure müssten jetzt eigentlich in letzter Konsequenz getrennte Toiletten für Journalisten verlangen, um auszuschließen, dass sie selbst die Verursacher sind.
Bundestagspräsident Wolfganz Thierse wird als besonnener Hausherr die Aktion schon richtig einschätzen.“
Express 02/11/00

Kritik an TV-Sendung
Kokainfunde im Reichstag bezweifelt

Die angeblichen Kokainfunde in 22 Toiletten des Reichstagsgebäudes beschäftigen nun den Ältestenrat des Bundestages und die Berliner Staatsanwaltschaft. Das Magazin „Akte 2000“ des Fernsehsenders Sat.1, das eine Untersuchung zu den Drogenspuren vorgelegt hatte, geriet in die Kritik. Es hatte berichtet, bei einem Test seien Kokainspuren in 22 von 28 Toiletten im Reichstagsgebäude sowohl in den Bereichen der Fraktionen als auch in der Präsidialebene festgestellt worden.
Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) sagte: „Man kann nur die Berliner Staatsanwaltschaft bitten, sich dieser Sache anzunehmen.“ Gleichzeitig kritisierte er aber den Bericht. Ein Justizsprecher sagte, es gebe noch kein Ermittlungsverfahren. Es werde geprüft, ob ein Anfangsverdacht begründet sei.
Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Christa Nickels (Grüne) warf der Redaktion von „Akte 2000“ vor, in erster Linie ein Interesse an der Erhöhung von Einschaltquoten zu haben. Die Art der Recherche mit der Probenentnahme durch einen Journalisten sei problematisch und unseriös.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Manfred Grund, meinte: „Der deutsche Journalismus ist auf der Latrine angekommen.“ Es sei unglaublich, wenn nun mit Läppchen auf Toiletten herumgewischt werde. Der Parlamentarische FDP-Fraktionsgeschäftsführer Jürgen Koppelin meinte: „Das Fernsehteam von Sat.1 hat vermutlich das Reinigungsmittel Ata mit Kokain verwechselt.“ Der SPD-Politiker Handjörg Schäfer erklärte: „Es kann nicht angehen, dass von der Jagd nach Quote getriebene Berichterstatter Volksvertreter pauschal an den Drogenpranger stellen.“
„Akte 2000“-Chef Ulrich Meyer wies den Vorwurf der Unseriosität zurück. Jede Probe lasse sich nachvollziehen. „Bei dem Test ist nicht gepfuscht worden. Warum sollten wir das tun?“
KStA, 03/11/00

Der Tag danach: Gejammer unter der „Schnee“-Kuppel

Der Reichstag am Tag nach dem Koks-Skandal. Touristen stehen Schlange, wollen das gläserne Halbrund auf dem Reichstag besichtigen, das seit gestern den Spitznamen „Schnee“-Kuppel trägt.
Drinnen setzt das große Jammern ein. Express-Reporter wollen im Reichstag auf Spurensuche gehen und fotografieren. Geht nicht! Nur Journalisten, die einen Termin mit einem Abgeordneten haben, dürfen rein. „Alle anderen Dreh- und Fotogenehmigungen wurden abgesagt“, mauert die Bundestags- Pressestelle. Das Hohe Haus gibt sich ganz zugeknöpft.
Klagen auch bei den Politikern. „Der deutsche Journalismus ist auf der Latrine angekommen“, schimpft Manfred Grund, parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Fraktion.
SPD-Drogenexperte Hansjörg Schäfer: „Demnächst würden wohl noch Haare von Abgeordnetenstühlen geklaubt.“ Am meisten empört ihn, dass „von der Quotenjagt getriebene Journalisten“ Politiker pauschal an den Pranger stellen.
Überrascht über das Ergebnis ist Wolfgang Bosbach, Vize-Fraktionschef der Union: „Es ist abenteuerlich, wenn der Eindruck entstehen würde, dass das Parlament eine Versammlung von Koksern wäre. Das ist absurd.“
Zweifel auch beim Düsseldorfer Michael Müller, Vize-SPD-Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, an der Seriosität der Klo-Untersuchung.
Müller hält allerdings auch für richtig: „Durch die Geschichte mit Christoph Daum kommt jetzt eine lang verdrängte Wirklichkeit zu Tage. Deshalb muss der Umgang mit Drogen sehr viel glaubwürdiger und offener debattiert werden.“
Koks im Wischwasser der Putzfrauen?
Der Koks-Fall im Reichstag: Inzwischen beschäftigt sich die Berliner Staatsanwaltschaft damit.
„Wir haben von der „Akte“-Redaktion Beweismaterial erbeten. Wir entscheiden nach der Durchsicht, ob ermittelt wird“, bestätigte gestern der Berliner Justizsprecher Sascha Daue.
Gegen Abend gabs dann auch noch ganz andere Hinweise: Das Kokain sei möglicherweise über das Wischwasser von Putzfrauen verteilt worden. Heute soll ein abschließendes Gutachten vorgelegt werden. (Express 03.11.2000)


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