Jahre nach seinem Tod möchte ich das Interesse auf einen Mann lenken,
dessen Lebenswerk nicht nur den Umgang mit in der Gesellschaft kontrovers
gesehenen Drogen (Peyote) umfaßt, sondern der in der Völkerkunde
auch andere Wege gegangen ist, als man es von den ausgetrampelten Pfaden
von Ethnologen gewohnt ist. Beides hat ihm in der Welt der Wissenschaften
eher Kritik eingehandelt, in der Subkultur der Hippies und auch als Buchautor
war er recht anerkannt.
Im Juni 1961 fährt ein
ehrgeiziger Ethnologiestudent in die Wüste von Arizona. Sein Ziel:
Die Erforschung der Heilriten und -pflanzen indianischer Medizinmänner,
speziell die Nutzung und Bedeutung von mescalinhaltigen Peyotekakteen.
Tatsächlich nimmt ein Schamane mit ihm Kontakt auf, doch werden die
Studien ganz anderer Natur, als es sich der junge Mann je erträumt
hätte. Die Antworten , die er erhält, beantworten nur Fragen,
die ihn selbst betreffen, und er wird mit Erlebnissen konfrontiert, die
seinen Vorstellungen von Realität krass widersprechen.
Knapp fünf Jahre später
kehrt Carlos Castaneda nach Los Angeles zurück, weitere drei Jahre
braucht er um seine Erlebnisse zu seinem erstem Buch zu verarbeiten. 1968,
im ”summer of love”, erscheint ”The Teachings of Don Juan: A Yaqui Way
of Knowledge” (University of California Press, Berkley, 1968. deutsch:
Die Lehren des Don Juan: Ein Yaqui Wag des Wissens, Fischer Taschenbuch
1457) .
Das
Buch wird ein Riesenerfolg. Im Morgengrauen des ”new age of aquarius” (deutsch: Zeitalter des Wassermanns) sind alle auf der Suche nach neuen Antworten und Wahrheiten. Auch und gerade mit der Hilfe psychoaktiver Pflanzen. Doch die Lehren des Don Juan Matus besagen, daß es solche Wahrheiten nicht gibt. Fiktion oder Tatsachenbericht? Diese Frage stellt sich nicht mehr nicht mehr nach der Lektüre. Diejenigen, die sich nicht damit abfinden können oder nur den Klappentext gelesen haben, bedrängen nun Carlos Castaneda mit Fragen. Wie, wenn das alles wahr ist, warum, wenn das alles nicht wahr ist? Doch Castaneda lächelt nur und hüllt sich in Schweigen. |
Die Auflösung des Persönlichkeitsbildes,
welches man von sich selbst und andere von einem haben, ist ein wichtiges
Element der Unterbindung des inneren Dialogs. Durch Einstellung des inneren
Dialogs gelingt es dem Schamanen, die dauernde Interpretation und Re-Interpretation
von Wahrnehmungen zu unterbinden und sich statt dessen Sinneseindrücken
völlig unvoreingenommen zu stellen. Durch aktives Träumen durchlebt
der Schamane immer wieder die verschiedenen Erfahrungsräume. Da er
die Welt anders wahrnimmt, bewegt er sich auch anders darin: Don Juan lehrt
Nagual (C.Castanedas alter ego in Die Lehren des Don Juan – Ein Yaqui
Weg des Wissens) die Kunst des Pirschens. Weil ein Jäger auf der Jagd
möglichst geräuschlos sein muss, bewegt er sich in völliger
Harmonie mit der Natur. Damit ihm dies gelingt, muss er die Dinge sehen,
wie sie sind, und nicht, wie sie sein sollen.
Der Prozeß der Loslösung
von Angst vor der eigenen Wahrnenhmung ist eine Serie von Erfolgen und
Rückschritten. Castanedas erster Aufenthalt bei Don Juan Matus endet
mit Erlebnissen, die für ihn etwas endgültiges besitzen: ”But
as far as seeking his teaching, I don’t think I would. I sincerely think
that I don’t have the mechanics” (deutsch: ”Aber bezüglich der Suche
nach weiteren Belehrungen durch ihn, ich glaube nicht, daß ich dies
tun werde. I glaube ersthaft, daß ich nicht die notwendige Mechanik
hier für besitze.” Aus einem Radio-Interview mit Castaneda 1968).
Dennoch, der Kontakt bleibt bestehen, weitere längere Aufenthalte
und Bücher folgen.
1973
promoviert Carlos Castaneda an der University of California in Los Angeles in Anthropologie mit dem Werk: ”Sorcery: A Description of the World” (deutsch: Zauberei: Eine Beschreibung der Welt, UCLA-PhD-Thesis, 1973). Doch wissenschaftliche Anerkennung bleibt ihm vorenthalten. So kommt es nur zu einer einzigen Veröffentlichung in einer wissenschaftlichen Zeitschrift (The Art of Dreaming (deutsch: Die Kunst des Träumens) Psychology Today Dez. 1977). Obwohl Carlos Castaneda stets versucht hat einen wissenschaftlichen Blick wahren, ist Anerkennung nicht sein Ziel. Längst hat ihn die spirituelle Dimension der Wahrnehmungstudien erfasst. Denn die letzte große Sensation – nichts anderes bedeutet Wahrnehmung – der wir uns alle stellen müssen, ist der Tod. Letztendlich sind alle schamanistischen Riten und Praktiken nur Vorbereitungen auf dieses letzte große Erlebnis. Oder, wie Castaneda sein Lieblingsgraffiti zitiert: ”Death is the greatest kick of all. That’s why they saved it for the end.” (deutsch: Der Tod ist der größte Kick. Darum heben sie ihn bis zum Ende auf). |
Am 21. Juni 1998 verstarb
Carlos Castaneda. Nach Angaben von Clearing House, einer Firma, die Castaneda
in den letzten Jahren betreut hat, starb er wie ein Schamane. Im Bewußtsein
ein Mensch gewesen zu sein und lachend im Angesicht des eigenen Todes.
So wie es Don Juan ihm gelehrt und vorgelebt hat. Nicht den Tod mit Stärke
ertragend, sondern durch Selbstdisziplin des letzten Eindrucks gewahr werdend.
Veröffentlichungen von
Castaneda in deutsch:
Die Lehren des Don Juan –
Ein Yaqui Weg des Wissens (Fischer 1457)
Eine andere Wirklichkeit
– Neue Gespräche mit Don Juan (Fischer 1616)
Reise nach Ixtlan – Die
Lehre des Don Juan (Fischer 1809)
Der Ring der Kraft – Don
Juan in den Städten (Fischer 3370)
Der zweite Ring der Kraft
(Fischer 3035)
Die Kunst des Pirschens
(Fischer 3390)