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Isaan – ein gutes Leben mit wenig Kohle

Jetzt lebe ich schon einige Wochen im bäuerlichen Haushalt meiner Frau und dachte mir, ich kann es mal wagen, meine bisherigen Eindrücke festzuhalten. Denn ich habe hier einiges gelernt und möchte Euch die Country Livity dieses Agrargebietes in Thailand etwas näherbringen. 
 
Der Isaan ist eine fast völlig ebene Region und umfaßt die östliche Ausbuchtung zwischen Südlaos und Nordkambodscha. Diese drei genannten Gebiete gehörten historisch zusammen, heute noch sprechen sie die gleiche Sprache mit kleineren dialektischen Abwandlungen und haben die gleiche Kultur. Ein Mensch aus dem Isaan ist stolz auf seine Herkunft, er spricht nicht etwa Thai, sondern Isaan, einen der vier großen Dialekte Thailands. 

Bevor ich hierhin gegangen bin, hagelte es Warnungen von allen Seiten: „das ist das Armenhaus“ Thailands“, „die gehen zum scheißen noch mit der Schippe in den Wald“, „das Essen da wird dir nicht schmecken“ und ähnliche Verbalbrecher kamen auf mich zugebrandet. Egal, ich habe mich nicht beirren lassen, der Damm gegen die Wortflut hat gehalten und ich bin happy darüber, denn was ich hier erlebe, ist eine neue Lebenserfahrung, über die ich froh bin. 
 
Hier im Isaan ist der Thailandtourist Mangelware, ein Falang (Langnase, wie die Europäer hier liebevoll standardisiert werden) fällt auf. Und zwar positiv. Wenn ich mal über den Markt des kleinen, nächstgelegenen Regionalstädtchens Selaphum) laufe, bekomme ich allen Ernstes häufige Heiratsangebote, was meine Frau immer etwas abfuckt, soll mich laufend dazuhocken und mit den Leuten essen, wir bekommen unseren Einkauf nicht, wie man fast erwarten kann, teurer, denn ein Falang hat ja Kohle, sondern unheimlich oft etwas dazugeschenkt. 

 < Sonnenuntergang im Isaan

Der Isaan ist Thailand pur. Heimat des größten buddhistischen Tempels (in der Nähe von Selaphum) und der größten stehenden Buddhastatue (in Roi Et) des Landes. Ansonsten dominieren bäuerliche Landschaftsimpressionen. Wie schon bemerkt, ist das Land flach. Darauf befindet sich eine Landschaft, die mich immer wieder an Parks erinnert, offene, abgegrenzte Flächen, die mit Bäumen aufgelockert oder umrandet sind. Dazu kommen kleine Wasserläufe und jeden Menge seerosenbewachsene Teiche. 
 
Das hört sich jetzt an, als hätte sich hier ein Landschaftsarchitekt ausgetobt, so ist das nicht. Ich beschreibe es mal aus Agrarperspektive: Man sieht Felder, die größtenteils mit einem vielleicht 20 cm hohen Erdwall umgrenzt sind, um sie effektiver bewässern zu können, große Bäume sind stehengelassen worden, dazu kommen Obstplantagen und kleine, wiederaufgeforstete Gebiete. Dazwischen schlängeln sich meist unbegradigte Flüßchen durch die Gegend, ein Netz von Wasserläufen, das von einem Kanalsystem zur Bewässerung der Agrarflächen in der Trockenzeit ergänzt wird. Wassertümpel dienen als zusätzlicher Speicher der wertvollen Flüssigkeit oder werden zur Fischzucht genutzt. 

 < Der stehende Buddha in Burapapiram, Roi Et

Auf den Feldern werden hauptsächlich Tabak, Mais und Reis angebaut. Der Reis ist speziell, nicht der übliche, körnige Reis, den wir kennen, sondern eine klebrigere, fett- und kalorienhaltigere Angelegenheit, als das bekannte Grundnahrungsmittel Asiens. An Früchten findet man alles, was das Klima hergibt: Mangos, Ananas, Bananen, Melonen, Kürbisse und viele Sachen, deren Thainame euch eh nix sagen würde. Das Gleiche gilt im Übrigen für die Gemüsepalette, bei der allerdings aus europäischer Sicht die immense Menge unterschiedlicher Blattgemüse auffällt. 
 
Das zweite Standbein, der Proteinlieferant, sind die Tümpel, in denen Fische gezüchtet werden bzw. das Fischen in den kleinen, mäandrierenden Flußläufen. Dort werden zunächst ein paar Wochen vor der eigentlichen Aktion aus Zweigen und Ästen kleine Hindernisse gebaut, hinter denen sich die Fische sammeln. Dann wird ein Areal mit Netzen abgetrennt und anschließend innerhalb mit Wurfnetzen abgefischt. Eine mühsame Aktion, die aber Spaß macht, weil die gesamte Familie sich daran beteiligt. 

Reisfelder

Am Ufer brennt ein Feuer, an dem nach dem Aufenthalt im Wasser aufgewärmt wird, denn ein Thai friert ab 25° C. Und der frische Fang wird darüber geröstet. Mit einer Methode, die jedem westlichen Tierschützer wahrscheinlich die Haare zu Berge stehen läßt: Der noch zappelnde Fisch wird auf einen Stock gespießt, etwas mit Würzsalz eingerieben und haucht dann sein Leben über der heißen Glut des Feuers aus. 
 
Womit wir beim Essen wären. Gegessen wird fast alles mit den Fingern, bis auf solche Sachen, wie Suppen natürlich. Alles wird frisch zubereitet und die Küche ist sehr vielseitig. Gekocht wird auf einem Holzfeuer in kleinen, tönernen Öfen in der Küchenecke des Hauses. Gundnahrung ist der Isaanreis. Er ist so klebrig, daß es keine Umstände macht, ihn mit der Hand in kleine Bällchen zu formen und damit die andere Nahrung aufzunehmen. 

 < Lelai in der elterlichen Küche

Es werden meist mehrere Tunken für den Reis angeboten, dazu gibt es am häufigsten gerösteten oder gekochten Fisch, manchmal auch Geflügel oder Fleisch. Das alles ist in der Regel mit Chilis gemacht, also sehr würzig. Und immer gibt es als Beilagen rohe Blattgemüse oder Pflanzenteile, die direkt in der umliegenden Natur gesammelt werden. Der Großteil der Nahrung stammt aus dem eigenen Garten der Eltern oder wird in geldlosen Geschäften, bei denen der eigene Überschuß gehandelt wird, bei den Nachbarn eingetauscht. Exotisch ist übrigens auch eine weitere Proteinquelle: jede Menge verschiedenster Insekten in ihren diversen Metamorphosestadien, Das exotischste, was ich bisher essen sollte, war jedoch der frische Mutterkuchen nach der Geburt eines Büffelbabys, eine Speise, die im Isaan sehr hoch im Kurs steht. 
 
Was dann beim Essen übrigbleibt, wird an die Hunde, Hühner oder Büffel verfüttert. Bei letzteren schließt sich der Kreislauf wieder: Der Dung aus ihrem Stall wird auf den Gemüsefeldern ausgebracht und ist ein phantastischer Dünger, der die Pflanzen immens schnell wachsen läßt. 
 
Das Haus von Lelais Eltern > 

 
Überhaupt ist diese Gesellschaft fast geldlos, weil fast alles über die erwähnten Tauschgeschäfte abläuft oder direkt von der Natur produziert wird. Das Wasser bspw. kommt nicht, wie bei uns normal, aus der Leitung, sondern wird erst mal in zwei Kategorien geteilt. das Wasch- und Klowasser wird mit einer Pumpe direkt neben dem Haus gefördert und per Schlauch in die entsprechenden Behälter gepumpt. 

 < Der Trinkwassertank


 
Das sind in der Küche große Tongefäße, aus denen der Bedarf abgeschöpft wird und in Klo und Dusche zwei separate Zementbecken, eins für die Waschzwecke und eins für die Klospülung. I letzterem lebt ein Fisch, der sich von den eventuell in das Becken geratenen Fäkalresten ernährt. Das Trinkwasser ist in der Regenzeit aufgefangenes Wasser, das über das Dach und Regenrinnen in einen großen, runden Zementbehälter geleitet wird, der einmal jährlich gereinigt wird. 

Der Klofisch

Dort wird der entsprechende Bedarf dann entnommen. Wenn man nicht einfach einen Hahn aufdreht und das kühle Naß in den gewünschten Mengen sprudelt, bekommt man einen ganz anderen Bezug zu dieser bei uns zur Selbstverständlichkeit gewordenen Flüssigkeit. Mein eigener Verbrauch liegt hier bei weniger als 20 Liter pro Tag, also der Menge, die bei uns mit einer Klospülung verbraucht werden. Die Abwässer übrigens werden direkt in den Garten geleitet, denn Seife und Waschmittel sind nichts anderes als Dünger. Das Fäkalwasser geht natürlich in eine unterirdische Auffangkammer. 

Kohle braucht man für diejenigen Sachen, die nicht selbst hergestellt werden können: Seife, Benzin (Thailand ist eine supermobileGesellschaft), Kleidung, Strom, Werkzeuge und Baumaterial.


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