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Interview mit Big Mountain
Köln, Summer Jam, 06.Juli 1997

Summer Jam 1997 war es nun endlich soweit, daß Big Mountain ihr Stelldichein haben sollten. Lange habe ich darauf gewartet. Wer kennt nicht den Song "Baby I love your way", diesen Riesenhit aus dem Jahre 1994. Regelrecht neugierig meldete ich mich zum Interview an. Es wurde mir gern bewilligt, sogar noch vor der Show. 16.30 Uhr sollte ich dann einfach in den Backstage-Umkleideraum eintreten und mich selber vorstellen. Mit heftigem Herzklopfen betrat ich die Höhle des Big Mountain. Stotternd erzählte ich was von U2 und GROW und war spontan umringt von Big Mountains (die sind alle so riesig). Stühle wurden gerückt, die Band zusammengetrommelt, und man guckte mich erwartungsvoll an. Irgendwie kam kein Interview so recht zustande, alle plauderten drauf los und bei so vielen Members, wußte ich manchmal nicht, wem ich zuerst zuhören sollte. Trotz aller Konfusion, waren die wärmsten Vibes zu fühlen.

RootZ: Big Mountain, Ihr seid uns auf das herzlichste willkommen in Deutschland. Seid Ihr das erste Mal in Deutschland oder sogar Europa?

Big Mountain: Ja, wir sind das erste Mal hier in Deutschland. Wir sind echt überrascht so freundliche Menschen hier vorzufinden. Vor allem ist es für uns erstaunlich, wieviele Reggae-Fans es hier gibt und noch viel mehr erstaunt sind wir, daß wir hier doch so populär sind.

RootZ: Also, das ist eigentlich kein Wunder nach Eurem Mega-Hit "Baby I love your way". Seitdem haben wir allerdings nichts mehr von Euch gehört. Was ist in den vergangenen Jahren geschehen?

Big Mountain (lachend): Wir haben gearbeitet. Wir haben eine neue CD produziert. Sie heißt "Free up". Du müßtest sie eigentlich schon haben.

RootZ: Was ich Euch jetzt erzähle, ist nicht so angenehm. Ich habe mit Eurer Plattenfirma Kontakt aufgenommen. Diese ist allerdings nicht in der Lage gewesen, mir Informationen, geschweige denn Eure CD zur Verfügung zu stellen. Die wußten noch nicht einmal, daß Ihr auf Tour nach Deutschland kommt.

Big Mountain: Das kann doch nicht wahr sein.

RootZ: Doch Ihr könnt es mir glauben, auch der Summer Jam Veranstalter verfügt über keine Informationen.

Big Mountain: Das ist wirklich traurig. Weißt Du, wir haben uns so auf Deutschland gefreut und wir haben uns so angestrengt, die CD rechtzeitig zu produzieren und nun scheitert es an der Promotion. Doch was soll es. Das ist nicht das erste Mal, daß wir Probleme auf unserem langen Weg haben. Jetzt sind wir hier und wir machen Direktwerbung.

RootZ: Der lange Weg, von dem Ihr sprecht, handelt es sich darum, daß Ihr als weiße Amerikaner genauso viel Steine in den Weg gelegt bekommen habt, wie es weißen Deutschen geht, die Reggaemusik machen?

Big Mountain: Wie, Du kennst das Problem? Dann erzählen wir Dir gerne über diese Art von Rassismus. Für uns war das wie ein "gegen Wände laufen". Wir mußten teilweise Geld mitbringen, um überhaupt irgendwo spielen zu dürfen. Reggaemusik hat auch in Amerika schwarz zu sein. Nur mit Jahs Hilfe konnten wir die Zähne zusammenbeißen und uns über diese Art von Babylon hinwegsetzen. Gott hat uns erhört. We give thanks and praise!

RootZ: Ihr seid die einzige Band, die ich kenne, die auch in spanisch singt. Wer ist der Sänger?

Big Mountain: Das bin ich, Quino. Ich bin im mexikanischen Teil von San Diego aufgewachsen. Mit dreizehn habe ich einen Bericht über Bob Marley gesehen. Das war ausschlaggebend für meinen musikalischen Werdegang. Nie werde ich diesen Tag vergessen.

RootZ: Wie ist der Name Big Mountain entstanden?

Big Mountain: Das ist ein Berg im Navajo-Land. Er hat eine große Bedeutung für die Indianer, und wir haben großen Respekt vor den Indianern.

RootZ: Was versteht Ihr unter Reggae?

Big Mountain: Es gibt im Reggae keine Grenzen, solange er aus dem Herzen kommt. Wir glauben, daß der Reggae ein Medium ist, um miteinander zu kommunizieren. Reggaekonzerte haben die Aura von Frieden, Liebe und Brüderlichkeit und sprechen alle Menschen an, ganz gleich welcher Klasse, Hautfarbe, Religion oder Generation sie angehören. Diese Musik erlaubt uns für einen Moment innezuhalten, um zu sagen: ich akzeptiere Dich wie Du bist, laß uns die Zeit gemeinsam genießen.

RootZ: Maximum respect, das sind genau die richtigen Worte. Für mich ist es oft schlecht um die Anerkennung als weiße Frau in einem schwarzen Geschäft gestellt. Die meisten von Euch sind auch weiß, wie geht Ihr damit um?

Big Mountain: Wir nehmen an, nicht anders als Du auch. Man muß viel Überzeugungsarbeit leisten, und dann stellt sich der Respekt ein. Wir haben das große Glück gehabt, als Newcomer mit all unseren Vorbildern und Idolen auf großen Festivals auftreten und unser Können und unsere Einstellung unter Beweis stellen zu können. Heute haben wir fast keine Schwierigkeiten mehr. Unser größter Respektbeweis war die Einladung zum jamaikanischen Sun Splash. Da wußten wir, daß wir es geschafft haben. Wir haben den allergrößten Berg bezwungen.

RootZ: Ich möchte Euren jamaikanischen Drummer Santa Davis fragen, wie er sich in einer weißen Band fühlt?

Santa Davis: You know, wie Schokolade in der Milch. Doch Scherz beiseite, ich habe natürlich oft mitbekommen, wie wir Schwarzen die weißen Musiker behandeln. Und speziell Du als Frau wirst noch oft Lehrgeld bezahlen. Doch ich finde, die Zeit ist endgültig reif für eine Gleichbehandlung. Mehr und mehr denkende Schwarze kapieren, daß Reggae nicht nur "schwarz" ist und sein sollte.

RootZ: Vielen Dank Santa Davis, Du machst nicht nur mir Mut. Man munkelt, daß Ihr eventuell sogar im September schon eine Deutschland-Tour im Sinn habt. Ist da was Wahres dran?

Big Mountain: Es ist unser Wunsch so schnell wie möglich wieder in dieses Land zu kommen, das uns so freundlich empfangen hat. Ja, die Gerüchte sind wahr. Es geht nur noch um die Durchführbarkeit.

RootZ: Na, da drücke ich doch alle Daumen. Toi, toi, toi für Euren heutigen Auftritt. Ich bedanke mich für dieses Interview, das eigentlich mehr ein Plausch unter Freunden als ein Frage-Antwort-Ding war. Ich bin einfach überrascht und überwältigt von Euren Vibes.

Big Mountain: Ja, wir haben schon mitbekommen, daß hier andere Regeln gelten. Diese gefallen uns super gut und von uns aus können wir ja noch etwas reden.

RootZ: Leute, Ihr müßt bald auf die Stage und die zigtausend Reggaefans dort draußen von Eurem außergewöhnlichen Können überzeugen. Außerdem warten draußen MTV und VIVA noch auf ein Interview mit Euch.

Big Mountain: Du hast Recht , wir sind hier, um zu arbeiten, das hatten wir gerade für einen Moment vergessen. Vielen lieben Dank U2 und grüße alle Deine Leser von uns und sage Ihnen, wie gut es uns hier gefällt.

Dieses soll hiermit geschehen. Big Mountain grüßt Euch alle. Eine Woche später traf ich diese Band am Chiemsee wieder. Sie haben mich begrüßt, gedrückt und geküßt, als wenn sie mich seit Jahr und Tag kennen würden. Total beeindruckt von dieser Band, lege ich sie nun Euch ans Herz. Denkt dran, sie kommen bald wieder. Laßt sie uns mit den besten Vibes willkommen heißen.
U2


Copyright Text / Photos: U2 1997 / Layout: Dr. Igüz 1998