Interview mit Luciano



 

>> Talk

Interview mit Luciano 

Köln, 26. November 1996 

Luciano auf Europa-Tour, glücklicherweise 

waren auch
drei Deutschlandtermine gebucht und natürlich durfte man einen Auftritt
nicht verpassen, und somit wurde die Gelegenheit beim Schopf gefaßt,
und wir baten um ein Interview. Gern wurde uns das zugestanden und wir
trafen Luciano in Köln. Noch vor seinem Auftritt war der angeblich
medienscheue Star zu einem ausführlichen Interview in seinem Hotel
bereit. Luciano, ließ ich es angehen, ist Jamaikas Nr. 1. Hier in
Deutschland kennen ihn noch nicht so viele Menschen. Wir sollten dieses
schleunigst ändern, damit er auch in Deutschland bekannter wird.

RootZ: Du bist Jamaikaner. Lebst Du auch auf Jamaika?

Luciano: Natürlich, ich bin in Manchester im Herzen von Jamaika
geboren. Ich habe acht Geschwister, fünf Schwestern und drei Brüder.
Mein Vater starb als ich elf Jahre alt war, und es war dann sehr schwierig
für meine Mutter, uns großzuziehen. Wir alle mußten arbeiten,
um die Familie finanziell zu unterstützten. Niemals allerdings haben
wir unseren Spirit verloren. Meine Familie ist sehr musikalisch, die selbstgebaute
Gitarre meines Vaters unterstützte mich bei meiner immer größer
werdenden Liebe zur Musik. Die Highschool habe ich abgeschlossen und ging
nach Kingston, um mir einen Job zu suchen. Leider war ich nicht erfolgreich
und ging wieder zurück nach Manchester. Ich verkaufte auf dem Markt
Früchte und gleichzeitig spielte ich auf meiner Gitarre. Schließlich
war ich fest entschlossen, meinen musikalischen Weg in Kingston zu machen.

RootZ: Ich möchte Dich jetzt ein paar Dinge fragen, die wir
noch nicht von Dir wissen. Zum Beispiel, wie alt bist Du?

Luciano: Weißt Du, Alter braucht man eigentlich nicht zu zählen.
Man sollte einen zeitlosen Geist haben, der in einem älter werdenden
Körper lebt. Mit einer gesunden Lebenseinstellung und einer gesunden
Ernährung kann man den körperlich Verfall sogar in Grenzen halten.

RootZ: Bist Du verheiratet?

Luciano: Im Moment bin ich nicht von dieser Institution überzeugt.
Heiraten sehe ich eher als eine Leistung an, die mit materialistischen
Hintergründen zwei Seelen gefangen hält. Bevor man heiratet war
da die Liebe und Liebe braucht keine Papiere. Für mich hat sich die
Situation zu heiraten noch nicht ergeben, doch das soll grundsätzlich
nicht heißen, das ich gegen Heirat bin. Ich gebe all meine Liebe
und meinen Respekt denjeniegen, die verheiratet sind. Ich hoffe, sie werden
all das finden, wonach sie sich gesehnt haben.

RootZ: Hast Du Kinder?

Luciano: Bis jetzt habe ich drei Kinder. Sie sind zwei Jahre, ein
Jahr und sieben Monate alt.

RootZ: Sprechen wir nun etwas über Deine Musik. Dein neues Album
hat mich total beeindruckt und ich denke, jeder, der Deine Musik hört,
wird dasselbe empfinden. Kannst Du mir sagen, was das Geheimnis Deiner
Musik ist?

Luciano (lachend): Ich denke, das Geheimnis meiner Musik ist die
Wahrheit und die Spiritualität, die mich so inspiriert. Ich präsentiere
meine Seele und meinen Geist. So, wer wirklich zuhört, wird die Wahrheit
meiner Seele fühlen und ich schätze, das ist alles, was passiert.

RootZ: Auf Deiner neuen CD ist ein Song, ich nenne ihn nur “My philosophy”,
der richtige Titel heißt “Friend in need”. Es ist mein liebstes Lied.
Ich weiß, das ist nun eine etwas verrückte Frage, aber kannst
Du mir sagen, warum gerade dieser Song mich so berührt?

Luciano: Klar, es ist ein Lied über Menschen, die sich etwas
verlassen fühlen, die ihre Liebe verloren haben oder die Freundschaften
haben aufgeben müssen. Meist aus zeitlichen oder räumlichen Gründen
und eigentlich wäre es doch so einfach, wenn man sich mehr Mühe
geben würde. Nun, dieser Song ist ein Aufruf, den gemeinsamen Weg
wieder aufzunehmen.

RootZ: Sowieso ist ein Song besser als der andere. Schreibst Du Deine
Texte selber und wenn ja, woher nimmst Du diese fantastischen Inspirationen?

Luciano: Ich habe sehr viel geschrieben in der Vergangenheit. Jetzt
ist es etwas anderes. Ich gehe ins Studio mit einem Team. Fatis Burell,
Chaka und viele andere sind um mich herum und wir erarbeiten gemeinsam
einen Song. Wenn die Vibes richtig sind, kommen einfach die Inspirationen
über mich, und ich füge sie als Part in die Teamarbeit ein. Ich
liebe diese Art zu arbeiten, weil es auf eine freie Art und Weise passiert,
und dann gibt es auch kein Limit mehr. Viele setzen sich hin und fangen
an zu schreiben, wir nicht. Wir lassen Jah´s Inspirationen über
uns kommen und unsere Seelen sprechen.

RootZ: Du bist noch nicht so lange im Geschäft und ich möchte
wissen, ob Du noch Lampenfieber hast?

Luciano: Ich will Dir die Wahrheit sagen. Als ich anfing und die
Leute vor der Bühne sah, wurde mir manches Mal Angst und Bange. Nach
einiger Zeit realisierte ich, daß die Menschen, die da draußen
stehen und auf mich warten, ein Teil von mir sind. Heute ist es für
mich die schönste Aufgabe, diesen Menschen mich und meine Musik zu
geben. Außerdem, wenn ich da raus gehe, sehe ich da immer so wunderschöne
Ladies.

U2 (laut lachend): Du wärest kein Jamaikaner, wenn Du das nicht
sagen würdest. Laß uns nun zu Deinen Meinungen kommen. Wie siehst
Du in dieser Zeit das Reggaegeschäft?

Luciano: Ich sehe Reggae nicht als Geschäft an, da muß
ich ganz ehrlich sein. Ich sehe Reggae als ein Phänomen an, wo man
sich mitteilen kann. Auf Jamaika dominieren die Rastafarians mit ihrer
Philisophie, und die Musik ist ihr Sprachrohr. In den letzten Jahren hat
sich Reggae kommerzialisiert, und als Ergebnis haben die Leute Respekt
und Spiritualität verloren. Viele Sänger haben sich verkaufen
lassen. Die Menschen aber haben die Messages vermißt. Nun, ein paar
von uns, wie Buju Banton, Garnett Silk oder auch ich selber versuchen es
nun wieder dem Positiven zuzuführen. Gewissenhaft und sorgsam wollen
wir Reggae wieder ins rechte Licht bringen.

RootZ: Ist Geld wichtig für Dich?

Luciano: Wichtig mit einem Fragezeichen. Wichtig, weil wir haben
Flüge zu kaufen oder Hotels zu bezahlen. Ich sehe Geld als ein Muß
in einer materialistischen Welt und betone, Geld sollte nur an zweiter
Stelle stehen. Für mich ist Geld eine gefährliche Sache, und
viele haben schon für Geld ihre Seele verkauft. Ich achte sehr darauf,
daß Geld mich nicht krank macht.

RootZ: Welche Wünsche hast Du für die Zukunft?

Luciano: Mein Wunsch ist es, mich immer singend und tanzend in Eigenharmonie
zu sehen. Respekt von Menschen zu Menschen, zwischen Borthers and Sisters,
das hat Gott uns aufgetragen, und die Unehrlichen auf dieser Welt sollten
endlich bekehrt werden. Die Führer dieser Welt sollten das Leid dieser
Welt endlich beseitigen. Wir sollten uns selber betrachten. Wir leben auf
einer Welt, so, wie kann man dann sagen, mein Land oder dein Land. Warum
hassen wir uns so? Warum machen wir unsere Welt kaputt? Ist das der Grund,
warum wir im Weltraum nach neuen Plätzen suchen? Ich sehe die Erde
als ein Klassenzimmer, wo wir uns zumindest den gegenseitigen Respekt geben
sollten.

RootZ: Ist Jamaika für Dich ein Dritte-Welt-Land?

Luciano: Für mich ist Jamaika immer noch eine Kolonie. Manipuliert
von einem Monopol. Es ist immer noch eine Wolke über Jamaika. Die
meisten jungen Leute wollen leben wie die Amerikaner oder andere Ausländer.
Es kommt soweit, daß manche sich ihre Haut bleichen und ihre Identität
verlieren. Es ist eine andere Art von Sklaverei, jedoch nicht besser. Wir
sehen die Chance in unserer Musik, die Menschen wieder back to the roots
zu sensitivieren.

RootZ: Viele Paare auf dieser Welt leiden unter Disrespekt, weil
es sich um schwarz-weiße Paare handelt. Kannst Du einen Rat geben,
wie man das ändern kann?

Luciano: Es ist eins der 10 Gebote. Liebe Deinen Nächsten, Deinen
Bruder, Deine Schwester, egal welche Hautfarbe. Wir alle sind Kinder Gottes,
und wenn wir bereit sind, dieses anzuerkennen, werden wir Happiness und
Togetherness haben.

RootZ: Ich möchte jetzt noch wissen, was sind Deine Hobbys?

Luciano: Mein größtes Hobby ist das Treffen von Menschen.
Manchmal fühlt man sich in einer neuen höchst interessanten Welt,
wenn man auf neue Menschen trifft. Also ich liebe wirklich die Menschheit
und ganz besonders meine Fans.

RootZ: Kommen wir zur letzten, etwas seriöseren Frage. Glaubst
Du an Gott?

Luciano: Mein Leben ist in Gottes Hand.

RootZ: Vielen Dank Luciano, ich weiß, kein Interview kann Dich
besser beschreiben, als Deine Musik es sowieso schon tut.

Luciano: Vielen Dank U2, für ein schönes Interview mit
interessanten Fragen. Zu meinen Brüdern und Schwestern möchte
ich noch sagen, haltet Ausschau nach Gott, und alles wird einen guten Weg
gehen. Alles, was Ihr Euch wünscht, geht in Erfüllung, wenn Ihr
Euch gefestigt habt. Rastafari!

Luciano, ein Mann, der sich mit Meditation und Atemübungen konzentriert
und sich damit auf jedes einzelne Konzert vorbereitet, hinterließ
einen derartig souveränen Eindruck, daß man es nur noch als
mystisch bezeichnen kann. Der Hinweis, daß wir dieses Interview als
Geschenk ansehen und wir uns so gefreut haben, ihn in Deutschland begrüßen
zu dürfen, ließ ihn versprechen, bald wiederzukommen.

Maximum Respect to Luciano. U2 


Copyright Text / Photo: U2 1996 / Layout:
Dr. Igüz 1998

Scroll to Top