Asian Dub Foundation Summer Jam, Köln 03. Juli 1998



 

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Asian Dub Foundation

Summer Jam, Köln

03. Juli 1998

RootZ Sprach mit zwei Mitgliedern, “Master D” und “Das”, der fünfköpfigen
Band aus London.

RootZ: Vom neuen Albumtitel “Rafi’s Revenge” ausgehend, wer ist dieser
Rafi?

Master D: Mohammed
Rafi ist ein berühmter indischer Sänger aus der Filmszene. Und
wir hatten letztes Jahr eine Veröffentlichung in Frankeich, die sich
“R.A.F.I.” nennt. Das steht für “Real Areas For Investigation”. Weil
das Album nicht außerhalb von Frankreich veröffentlicht wurde,
haben wir es neu aufgenommen und abgemischt, haben Remixe gemacht und es
ist so eine Art von “Rafi’s Rache” geworden. Die Rache des ersten Albums,
endlich gehört, erhältlich und beworben.

RootZ: Wie können wir mit einem Internet-Magazin eine Kampagne
für die Befreiung von Satpal Ram unterstützen?

Master D: Wie ihr in anderen Ländern wirklich helfen könnt
ist, die Fakten dieser Fälle unter die Leute zu bringen. Was aber
noch viel besser wäre, ist Fälle von Rassismus aufzudecken, Informationen
darüber zu verbreiten und die Opfer zu unterstützen. Im Fall
Satpal Ram gibt es nicht viel, das ihr tun könnt, denn das hat etwas
mit dem britischen Rechtssystem zu tun. Aber wir wissen von einer Menge
von Fällen schwarzer oder nicht-weißer Menschen, die durch die
Hände eines rassistischen kommunalen Rechtssystems besonders in diesem
Land leiden. Beispielsweise dadurch, daß sie keine deutsche Staatsbürgershaft
erhalten können. In solchen Fällen könnt ihr helfen.

RootZ: Erzählt uns etwas über die Kampagne für Satpal
Ram.

Master D: Well, was wirklich gut an der Kampagne war, daß das
Album das Interesse vieler Leute geweckt hat. Sie kamen zu unseren Gigs
und viele haben die Petition unterschrieben, die wir zu Satpal ins Gefängnis
geschickt haben. Die nationalen Nachrichten von Channel 4, einem großen
Fernsehsender, haben einen Beitrag gesendet und wir hatten mehrere Artikel
in Sonntagszeitungen und auch in landesweit erscheinenden Blättern.
Das zeigt, wie gut die Musik eine Kampagne unter die Leute bringen kann.
Wir haben es tatsächlich geschafft, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit
auf die Kampagne zu lenken und damit ihre Bedeutung zu erhöhen und
sogar noch achttausend Pfund zur Unterstützung einzuspielen. Das war
der Teil, den wir zu dieser Sache beigetragen haben.

Das: Satpal geht es im Knast nicht gut. Er ist von Gefängniswärtern
zusammengeschlagen worden. Aber wenn viele Leute an ihn schreiben, wird
es den Schließern klar, daß die Leute draußen wissen,
was los ist und sie lassen ihn, sie fassen ihn nicht mehr an. Es hat ihn
also beschützt, die erste Hauptauswirkung der Kampagne ist der Schutz
von Satpal.

Master D: Aber um zu dem Punkt zurückzukommen, wie ihr helfen
könnt: findet raus, was in diesem Land passiert und seid nicht apathisch
gegenüber den Mechanismen der Unterdrückung.

Das: Es sieht so aus, als wäre diese ganze Sache nämlich
international organisiert.

RootZ: Gibt es bei diesen Sachen denn wenigstens Veränderungen,
seit Tony Blair an der Macht ist?

Master D: Nein, nicht wirklich. Well, es gibt Veränderungen,
aber es gibt auch Sachen, die schlimmer geworden sind. Der Schlüssel
zu allem ist doch die Präsentation einer Angelegenheit. Weißt
Du, jetzt haben wir eine Regierung, die medienorientiert ist, die Leute
glauben machen kann, daß sich die Dinge verbessern, sie vermitteln
ein smarteres, jüngeres Image. Tatsächlich werden die Dinge schlimmer,
wie zum Beispiel das Stipendiensystem für Studenten. Dann ist da noch
das “Law against crime and disorder”, das auch kommt und die Idee wird
diskutiert, daß Jugendliche unter fünfzehn Jahren abends eine
Ausgangssperre bekommen sollen, diese komischen, aus Amerika stammenden
Ideen. Das Ding ist, daß die Blair-Regierung sehr gut darin ist,
sich zu präsentieren und viele Leute darauf reinfallen.

RootZ: Genug der Politik, kommen wir zur Musik. Beschreibt bitte
‘mal den musikalischen Mix, der ADF ausmacht.

Master D: Alles dreht sich um das Universum, um das, was in der Musik
universell ist. Was für unterschiedliche Musikstile sich entwickelt
haben. Für uns ist das selbstverständlich. Die Leute scheinen
zu denken, daß es “anders” ist, wenn man Stile zusammenfügt.
Wir betrachten das gar nicht so, wir machen einfach Musik, von der wir
denken, daß sie anderen Leuten gefallen kann. Die Musikindustrie
möchte Grenzen in die Musik ziehen, aber das ist eine Frage, mit der
wir uns nicht beschäftigen möchten. Wir denken daß man
andere Musiker fragen sollte, warum sie denn nur die eine Musikrichtung
vertreten.

RootZ: Wodurch wurde Euer immenser Pupularitätsschub in Belgien,
Frankreich und Holland gezündet?

Master D: In Frankreich lag es einfach daran, daß die Plattenfirma
uns eine Chance gegeben hat. Sie sagte,”okay, wir denken, diese Band ist
gut, also geben wir ihnen eine Chance und machen Werbung für ihre
Gigs, bringen ihre Platten ins Radio und in die Plattenläden.”

Das: Und wir hatten harte Tourneen, wir spielten mehr oder weniger
überall, an jeder Art von unterschiedlichen Orten. Und wir ermutigen
die Zuschauer bei unseren Konzerten zum Mitmachen.

Master D: Und wir geben gute Vorstellungen. Das ist auch ganz normal
für uns. Weißt Du, man geht auf die Bühne, die Leute haben
dafür gezahlt, Dich zu sehen und man muß seine “energy performance”
abliefern. Das ist wieder so eine Frage, die anderen Bands ‘mal gestellt
werden sollte: “Warum geht ihr auf die Bühne und starrt auf eure Schuhe,
warum denkt ihr, daß ihr etwas Besseres, als das Publikum seid?”
Wir machen einfach das, was wir denken, das Musiker tun sollten, wir geben
eine gute Show und versuchen, das Publikum mit einzubeziehen.

RootZ: Wenn man sich die Konzert- und Festivalhinweise anschaut,
sieht man, daß ADF in dieser Saison auf fast jedem großen Festival
spielt. Wie fühlt es sich an, jeden Tag größer zu werden?

Das: Größer, na dann muß ich mir wohl bald ein Paar
neue Schuhe kaufen.

Master D: Ernsthaft jetzt, es ist immer noch eine Menge Arbeit, die
da auf uns zu kommt und wir nehmen die Liveauftritte immer als eine Quelle
für Inspirationen. Und wir sehen den Weg nach oben als eine langen
Kampf, aber das ist uns nicht ‘mal das wichtigste, beispielsweise wollen
wir lieber eine Menge neuer, junger Künstler aufbauen und ihnen eine
Möglichkeit für eine Karriere geben, als selbst nur oben auf
unserer Topposition zu glucken.

RootZ: Wie breschreibt ihr das neue Album “Rafi’s Revenge”?

Master D: (zu Dr. Igüz) Vielleicht solltest besser Du diese
Frage beantworten – aufregend, “maximum impact”, musikalisches Neuland
aus einer Grassroots-Perspektive anstelle aus abgehobenen Positionen.

Das: Ein hochenergetisches Experiment mit einer starken Message.
Musik für alle möglichen Geschmäcker.

Master D: Es ist eine Reflektion der Musik aus London oder Britannien,
weißt Du.

RootZ: Mögt ihr das Wort “Crossover”?

Master D: “No, it’s stupid.”

Das: “Crossover” und “Fusion” sind dumme Worte. Was wir machen, ist
doch offensichtlich: Was ein guter Sound ist, wird von uns benutzt, aber
noch einmal, es gibt da die Leute, die Grenzen einziehen. Eigentlich sollte
man denen diese Frage stellen und nicht mir.

RootZ: Wollt Ihr den Lesern noch etwas sagen?

Master D: Ragga war für ADF eine wichtige Quelle der Inspiration.
In den Achtzigern waren es hauptsächlich “slackness” und “gun lyrics”
und es hat sich lange nichts getan. In letzter Zeit beschäftigen sich
die Leute wieder mehr mit der Musik von vor dreißig Jahren, Studio
One undsoweiter und die Labels, X-Terminator und wie sie alle heißen,
nehmen die Ideen und bauen sie in die Riddims oder Drumpatterns ein oder
kopieren die Technologie von damals. So hat sich eine neue Art von Ragga
entwickelt, wozu obendrein noch die “conscious MCs”, wie Sizzla, Capleton
und Buju kommen, die die radikalsten musikalischen Waffen geschaffen haben,
daß es eine Freude ist. All diese Leute waren für uns eine große
Inspiration und wir wünschen dem Ragga einen guten Erfolg.

Das: Und was wolltest Du den Lesern sagen?

Master D: “Yeah, kauft mehr Conscious Ragga.”


Copyright Text: Holger / Dr. Igüz
/ Layout: Dr. Igüz 1999

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