Interview mit Sipho ‘Hotstix’ Mabuse, September 1998



 

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Interview mit Sipho
“Hotstix” Mabuse,
der südafrikanischen Jazzlegende


RootZ: Hallo Sipho, wir kommen vom Internet-Magazin

RootZ: Hauptsächlich beschäftigen wir uns mit Reggae
und World Music, manchmal auch mit neuer elektronischer Musik. Aber heute
befinden wir uns ganz offensichtlich in der World Music Szene. Als erstes
möchten wir wissen, wie Du an Deinen Spitznamen “Hotstix” gekommen
bist.

Sipho Mabuse: Ich wußte, daß die Frage kommt. Well, früher
war ich Schlagzeuger und trommele auch heute noch ab und zu. Eines Tages
hatten wir eine Show in Nataal, Südafrika. Plötzlich, während
wir spielten, war der Strom weg, aber mein natürlicher Instinkt ließ
mich einfach weitertrommeln. Also spielte ich ein Trommelsolo und in der
Zwischenzeit kümmerte sich die Crew darum, das Stromproblem zu lösen.
Das Solo ging währenddessen immer weiter und weiter und die Resonanz
des Publikums war so ermutigend, daß ich immer weiterspielte und
überhaupt nicht müde wurde. Ich glaube, das ging so für
eine dreiviertel Stunde und Konnie King, eines der Bandmitglieder sagte
nach der Show, ” du bist echt heiß, mein Bruder, du bist Hotstix”,
so bin ich an den Namen gekommen.

RootZ: Gib uns doch bitte einen kurzen Überblick über
Deine Karriere.

Sipho Mabuse: Kurz? Ich denke, ich müßte ein Buch darüber
schreiben. Mit der Musik habe ich in der Oberstufe angefangen. Das hat
sich so ergeben, denn eigentlich wollte ich Rechtsanwalt werden, als ich
noch in der Schule war. Weißt Du, da unterliegt man noch dem Einfluß
der Familie, die fordert, daß man am besten Akademiker wird. Egal,
das Schicksal leitete mich auf andere Wege. Der Direktor meiner Schule
fragte eines Tages in unserer Klasse nach Freiwilligen, die bei einem Wohltätigkeitsball
für mittellose Studenten mitmachen wollten. Ich war einer dieser Freiwilligen,
die einen musikalischen Beitrag dafür leisten wollten. Damals gründeten
wir eine Band namens “Peters” Wir wurden eine Schülerband, die auf
vielen Tanzveranstaltungen auftrat und dadurch hatten wir bald alle Schulen
im ganzen Land besucht. Und so kam eine Sache zur anderen, wir verdienten
schon Geld während wir noch auf der Schule waren und die akademische
Seite kam einfach zu kurz, so daß wir bis heute weiter Musik gemacht
haben.

RootZ: Wieviele Platten hast Du bisher gemacht?

Sipho Mabuse: Ich habe das Zählen aufgegeben. Ich denke, alles
in allem können es ungefähr 25 Alben sein. Das ist eine Menge
Musik und das Verrückteste daran ist, daß meine Band einige
Songs davon garnicht kennt. Und wenn ich diese Stücke dann spiele,
fragen sie mich, woher die Musik kommt und warum sie die Songs nicht kennen.
Meine Managerin hat heute auf der Fahrt hierhin eine Cassetten mit meiner
Musik gespielt, die “What about Mouth” heißt und alle haben mich
gefragt, wo die Musik denn herkommt. Ich meinte, “well, das ist alles Musik,
die ich über die Jahre eingespielt habe”. Das heißt ja nicht,
daß alles, was ich mache, sehr bekannt wird, einige Songs werden
offensichtlich nicht an Jedermanns Ohr dringen.

RootZ: Deine letzte Veröffentlichung ist das Album “Township
Child”, erzähl doch bitte den Lesern über dessen Produktion und
über den Inhalt Deiner Neuveröffentlichung.

Sipho Mabuse: Ich denke, daß “Township Child” für mich
eine Art von Katalyse darstellt, um mich für eine Veränderung
zu entscheiden. Von einem Stil zu einem neuen. Eigentlich habe ich mich
nie einem bestimmten Musikstil verschrieben. Ich entwickelte meine eigenen
Pläne und gleichzeitig haben die Musiker, mit denen mein Stil sich
entwickelt hatte, sich zurückgezogen und wollten nicht mehr mit mehr
auftreten. Und dann kam diese Musik, die man “Kwaito” nennt, auf die Szene.
Dieser Sound ist in Südafrika sehr beliebt. Ehrlich gesagt, konnte
ich es nicht absehen, daß ich ‘mal in dieser Szene mitmischen würde.
Eigentlich hatte ich immer gedacht, daß ich die verschiedenen Trends
in der Musik Südafrikas mitbekommen würde, denn bisher war ich
immer Teil dieser Entwicklung. Aber Kwaito wendet sich an die sehr jungen
Zuhörer und ich wollte nicht bei einem Spiel mitspielen, in dem ich
mich mit der jüngeren Generation messen mußte. Also schaute
ich nach vorne und “Township Child” war eine Art von Umwandlung für
mich. In der Art, daß die Leute meine Musik anders hörten und
erkannten, daß ich jetzt einen anderen Sound mache. Es war vielleicht
nicht die Musik, die man von mir erwartet. Sicherlich interpretiere ich
diese neue Musik anders, als die meisten Musiker, ich habe sie verjazzt,
ich habe ihr einen erwachsenen Touch gegeben. Ich wollt damit anerkennen,
daß es diese neuen Sounds gibt.

RootZ: Kannst Du uns Deine Musik kurz definieren?

Sipho Mabuse: Es ist alles, was Musik ist.

RootZ: Und noch ein paar weitere Definitionsfragen: wie würdest
Du Mbaqanga definieren?

Sipho Mabuse: Meiner Meinung nach ist Mbaqanga die Grundlage, aus
der sich ein großer Teil der Popkultur Südafrikas entwickelt
hat. Auf die eine oder andere Art haben wir all diese Musik entwickelt
und gespielt, um den Sound zu erzeugen, den wir haben wollten. Es ist das
Fundament unserer Popkultur.

RootZ:Was ist mit Kwaito, wie würdest Du den definieren?

Sipho Mabuse: Kwaito ist eine neue Erscheinung. Man kann fast sagen,
daß es populärer, amerikanisch orientierter, internationaler
Rap ist, aber sich doch aus einem Fundament von Mbaqanga entwickelt hat.
Es ist nach wie vor Township Music und es ist anders als alles, was auf
der ganzen Welt produziert wird. Darum hat es seine eigene Identität
und wird Kwaito genannt.

RootZ: Und wo liegt der Unterschied zu “Di Gong”?

Sipho Mabuse: Ehrlich gesagt, hat es Di Gong noch nicht weit gebracht.
Ich meine, daß das immer noch Kwaito ist. Nur wird Kwaito mit einigen
bestimmten Musikern in Verbindung gebracht und die anderen Bands dachten,
aus diesem Grunde einen neuen Namen für ihren eigenen Sound einzuführen,
um sic etwas aus der Masse abzuheben. So wurden sie nicht als Nachahmer
anderer Stile oder Musiker gesehen, sondern konnten sagen, daß sie
etwas Neues entwickelt hatten. Hier verläuft die Linie, aber ehrlich
gesagt, ist das alles das Gleiche.

RootZ: In Deinem Song “Nelson Mandela” benutzt Du ein Sample von
einer seiner Reden…

Sipho Mabuse: Eigentlich ist das kein Sample, denn er war da und
wir haben mit ihm zusammen im Studio aufgenommen.

RootZ: Also war es eigentlich gar keine Ansprache oder so etwas?

Sipho Mabuse: Doch, es war eine Rede. Wir haben ihn danach gefragt
und er hat sie für das Album geschrieben. Das war vor den Wahlen .
Ich hatte den Auftrag, ein Stück für den Wahlkampagne des ANC
(African National Congress – Mandelas Partei) zu schreiben. Unser Kampf
für Unabhängigkeit hat so viel Musik hervorgebracht, und trotdem
wissen viele Leute noch nicht einmal, daß diese Lieder existieren,
also werden sie auch nicht für politische Zwecke verwendet. Beispielsweise
gibt es so viele Arbeiterlieder, die man auf Versammlungen singen kann.
Ich sagte den Leuten vom ANC, daß die Musik, die sie suchten, schon
längst existiert und daß ich gar nichts Neues zu schreiben bräuchte.
Ich brauchte diese Songs nur zu überarbeiten, die so populär
sind, daß die Leute sie eh immer singen. Was aber wichtig war, ist
den zukünftigen Generationen zu erklären, warum Nelson Mandela
in den Knast gegangen ist. Viele Leute kennen diese Rede, über die
wir hier sprechen, gar nicht. Es war ein Wendepunkt in der Politik des
Widerstandes gegen das Apartheidregime in Südafrika. Diese Männer
wurden damals angeklagt, gingen in den Knast und warteten auf die Vollstreckung
ihres Todsurteils. Diese Worte waren eine Rede für all die Männer,
die in den Knast geangen waren. Mandela hat diese Zeilen für mich
noch einmal geschrieben, denn es war uns sehr wichtig, dieses Thema wieder
aufzugreifen.

RootZ: Wie ist Dein Verhältnis zu Mandela?

Sipho Mabuse: Er ist unser Führer. Nelson Mandelas Beziehung
mit uns allen ist festgelegt, wie ein Kompass. Keiner kann behaupten, daß
er nicht zu diesem Erbe dazugehört.

RootZ: Sipho, wir danken Dir für dieses Interview.


Copyright : Dr. Igüz 1999

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