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Der Reggae-Ambassador bittet zur Audienz in seinem Hotelzimmer im Rema Plaza Hotel in Essen. Es ist halb zwölf, noch eineinhalb Stunden bis zur Show im Cafe Cuba. Frisch geduscht, einen Duft aufgelegt, der meine Frau Evi sofort betört, und sich gleich für eventuellen Knoblauch-Mundgeruch durch die gerade verspeiste Pizza entschuldigend, öffnet David Rodigan die Tür. Im Fernsehen läuft Eurosport,
doch der höfliche Engländer schaltet den Apparat sofort aus.
Obwohl ich ihn schon etliche Male on Stage erlebt habe – wenn mir David
Rodigan gegenübersitzt, ist es immer noch schwer zu glauben,
dass dieser Mann den Reggae in Europa beeinflusst und nach vorne gebracht
hat, wie kein anderer. Er wirkt eher wie jemand, der einem gleich einen
Antrag auf Steuerrückerstattung über den Tisch schiebt.
David Rodigan hat die Geschichte des Reggae von Anfang an erlebt: „Ich bin in den 50er Jahren geboren. So war ich in den 60ern als die Musik, Bluebeat und Ska, geboren und modern wurde ein Teenager und begeisterte mich sofort dafür. Ich begann Platten zu sammeln.“ Der langhaarige Jugendliche gab sein gesamtes Taschengeld, das Geld aus seinen Sonntagsjobs und das Geld, das er durch Zeitung austragen verdiente, jede Woche für die neuesten Scheiben aus: „Ska ,Bluebeat und American Urban Music, das heißt Soul. So wurde ich ein Plattensammler und bin es heute immer noch. In den 35 Jahren habe ich das Glück gehabt, meine Freude an der Musik mit gleichgesinnten Seelen zu teilen.“ Sein Medium war das Radio: „Ich liebe Radio. Schon als Kind habe ich den Tuner-Knopf rauf und runter gedreht, habe mir die Länder aus denen die Sendungen kamen und Leute vorgestellt, die die Sendungen machten.“ Und genau das hat ihn auch
fasziniert als er 1978 selber auf Sendung ging: „Bei der BBC habe ich Sonntag
eine Lunch-Time Show bekommen, die hieß „The Reggae Time“. 1979 fing
ich bei Capitol Radio an, wo ich elf Jahre blieb. Jeden Samstag gab es
dann „Roots Rockers. Während diese Zeit bin ich nach Jamaika geflogen
und habe dort im Radio Clashes mit Barry G. gemacht. Nach BFBS ging ich
1984 um da eine Reggae Sendung zu machen.“ Rodigans Rockers war zu Beginn
eine reine Reggae-Sendung. Mitte der 90er entschied das Management aber
das Programm zu ändern: „Die Musik sollte vielfältiger werden
mit R&B und Soul . Ich war mit der Entscheidung einverstanden. Die
Reggae-Fans, besonders die in Deutschland, waren damit aber überhaupt
nicht einverstanden. Wenn ich das aber nicht gemacht hätte, gäbe
es überhaupt keine Reggae mehr.“
Schnell wurde er, wegen seiner berüchtigten Vinyl-Sammlung, auf Geburtstagsparty eingeladen um dort den DJ zu spielen: „Ich stand dann in der Ecke und spielte meine Musik. Es war die allein die Freude und die Gelegenheit, meinen Spaß an der Musik mit anderen zu teilen. Wenn ich nur die halbe Chance hatte, habe ich jeden zu Tode gelangweilt.“ Anfang der 70er, als David zum College ging, war es dann schwieriger, sich als Reggae-Fan zu outen: „Die Skinheads hatten damals die Musik übernommen. Deren faschistischen Element, Rassismus gegen Pakistani und Inder, brachte ein Imageproblem für die Musik. Als langhaariger, bärtiger Student Reggae zu mögen, war überhaupt nicht mehr im Trend, sondern super uncool.“ Das änderte sich aber alles 1973 als das „Catch a Fire“-Album von Bob Marley herauskam: Reggae war wieder cool, hip und der Guardian schrieb darüber. Ich hatte meine riesige Plattensammlung und spielte wieder überall mit meinem tragbaren Plattenspieler.“ Fast wäre er aber doch
nicht der Reggae-DJ geworden, den heute die Welt bewundert: „Ich habe im
Theater als Schauspieler gearbeitet. Und mir wurde ein 1974 Job als Lehrer
in einer Schule angenommen. Ich hätte Sicherheit gehabt, ein regelmäßiges
Einkommen, Urlaub und ein Auto. Doch las 24-Jähriger war mir das zuviel
Sicherheit und in letzter Minute habe ich mich dagegen entschieden“
David Rodigan spielte unter anderem auch eine Rolle in der Kultserie Dr. Who, während der Colin Baker-Ära. In der Geschichte „Trial of a Time Lord” mimte er den Bösewicht Broken Tooth: „Ich wollte unbedingt auch einmal diese langen Korridore entlang lauf und erschossen werden. Am Ende wurde ich auch erschossen und das Blut lief mir über das Gesicht.“ Einen gravierendende Änderung gab es dann Mitte der 80er: „Mein Agent hat mich vor die Wahl gestellt, entweder Schauspieler oder Radiosprecher.“ Er hatte gerade über ein Jahr eine vierteilige Serie über den Polarforscher Shackleton abgedreht, in dem er den Offizier Frank Wild spielte abgedreht. Während des Drehs musste er immer wieder Freitagnachmittags nach London um seine Show bei Capitol-Radio zu machen. „Wir drehten in Edinburgh und um vier habe ich dann den Regisseur gesagt, dass ich nach London müsste. Der hat fast einen Nervenzusammenbruch gekriegt. Ich habe mich fast wie Woody Allen gefühlt, der auch immer für seinen Jazz-Club in New York die Dreharbeiten unterbrochen hat.“ Es war der Rhythmus, der
bei David Rodigan die Begeisterung für die Reggae Musik geweckt hat:
„Es war das Um-Tschaka-Um-Tschaka, das mich begeistert hat. Ich habe auch
immer versucht, den Drum Roll mit den Rim Shots nachzumachen. Wenn in der
Schule ein Schlagzeug in der Nähe war, habe ich dann immer getrommelt.“
Zur Demonstration trommelt er mit beiden Händen auf seinem Lederhocker.
„Außerdem hat mich fasziniert, wie die Saxophonisten so lange konstant
den Rhythmus halten konnten.“
Für die jungen deutschen Soundsystems, hat er einen wichtigen Rat parat: „Haltet die Musik pur, haltet Reggae pur. Ganz wichtig ist, dass die Sounds nicht das spielen, was sie selber mögen, sondern das, was das Publikum mag. Ich spiele auch manchmal Lieder, die ich nicht mag, doch wenn die Leute es mögen und tanzen ist das gut.“ David Rodigan ist vor kurzem 50 Jahre alt geworden, ein halbes Jahrhundert. Ist das ein Anlass über die Zukunft nachzudenken? „Ich würde gerne selber einmal Platten veröffentlichen, das war bisher nicht möglich.“ Das sei bisher bisher noch nicht möglich gewesen, als DJ könne ja nicht Sachen von seinem eigenen Label spielen. „Es passiert auch immer öfter,
dass meine Frau mich während des Essens fragt `Sag mal, wann willst
Du dir eigentlich mal einen richtigen Job suchen?"
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Copyright Text: Ralf Weihrauch / Photos: Evi Weihrauch / Doc Highüz / Layout: Doc Highüz 2002 | ![]() |