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Andreas Kräber
Interview mit
Syndicate Sound
April 2002 per Mail

Holger Retzlaff

RootZ: Seit wann gibt es und wer ist Syndicate Sound?

Syndicate Sound: Syndicate Sound ist ein in Köln stationiertes Soundsystem. Der erste offizielle Auftritt war 1998 unter der Regie von Holger Retzlaff, der noch heute als Selecta bei Syndicate fungiert. Zuwachs erfuhr der Sound vor einem halben Jahr durch Andreas Kräber, der nun mit an den Plattentellern dreht. Zu den Tunes der Selectas kommen frei nach jamaikanischer Tradition die Vocals von Courtney Byrd aka Doctor Bird (Jamaica), dem Sänger und Mc bei Syndicate Sound.

RootZ: Wie seid ihr zum Reggae gekommen?

Holger Retzlaff: Ich habe 1990 angefangen, Bob Marley zu hören, ein Jahr später hat mir der Bruder eines Bekannten Burning Spear und Eek A Mouse aufgenommen, damit war der Virus bei mir gelegt. Ich hatte in den Folgejahren noch lange keinen Schimmer davon, was Dancehall, die Musik und die Kultur drumherum, ist, habe mich dafür mehr mit Rastafari beschäftigt und viel Prince Far I und Dub gehört. Klar hatte ich schon Chaka Demus oder Shabba Ranks gehört, allerdings war mir vieler Dancehall, den ich heutzutage prächtig finde, zu poppig. Irgendwann habe ich mich dann auch da reingehört. Ich habe also eigentlich die jamaikanische Musikgeschichte von hinten aufgerollt.
 
Andreas Kräber: Ich durch meine Ma an Bob Marley rangekommen und an diverse andere Interpreten auf kommerziellen Reggaesamplern. Durch Freunde aus der Nachbarschaft hab ich dann immer mehr gehört, meistens alten Dancehallkram. Irgendwann war ich dann auch infiziert und hab angefangen, mir selbst Musik zu kaufen. Vor allem die scheißteuren 7 inches, ohne die ich jetzt nicht so Geldprobleme hätte.

RootZ: Was für einen Sound legt ihr auf?

Syndicate Sound: Im großen und ganzen legen wir in der Dancehall auf, deshalb mit Schwerpunkt "Tanzbarkeit". Das kann sich von einem kleinen Ska-Set über Rocksteady, 70'S Roots, frühem Jammy's Sound, Bogle, Lovers und 2000er Rootz zu Ragga bewegen. Schwerpunkt ist bei uns Dancehall, allerdings legen wir uns ungerne in Ketten.

RootZ: Rechnet ihr Euch eher dem Roots- oder dem Partylager zu?

Syndicate Sound: Schade, dass es tatsächlich so ne Trennung gibt.
Versteht man Roots jetzt mal im musikalischen Sinne (und schlägt vielleicht
den großen Bogen zum Dub noch mit), dann gibt es bestimmt einige Sachen,
die eher Sofa- als Dancehalltauglich sind; was nicht heißen soll, daß das
schlechte Musik ist!. Es werden viel zu viele (vor allem alte) Rootssachen
entweder unterschätzt oder von den Selectas nicht gekannt, zumindest aber
nicht gespielt. Wer glaubt, daß ein Black Uhuru - oder ein Gladiators -
Tune nicht rocken kann, hat weit gefehlt.
Versteht man Roots nun lyrically, dann bemühen wir uns schon, den allzu
großen Schrott mal außen vor zu lassen, auch wenn wir finden, daß auch im
sogenannten ach so "concious" Roots - Sector gelegentlich tief ins Klo
gegriffen wird (Sizzla tut das zum Beispiel schon mal gerne).
Allerdings lehnen wir auch nicht kategorisch Bashment-Tunes ab, wenn es
denn gute sind. Partymachen gehört dazu.
Summasummarum: wir gehören beiden bzw. keinem der beiden Lagern an.

RootZ: Was sind Eure Top 5 Artists /Tunes?

Syndicate Sound: Unsere Selection auf fünf Boomtunes zurückzustutzen, ist nicht einfach und eigentlich gar nicht machbar. Zur Zeit könnten das vielleicht sein:

Warrior King - Virtous Woman
Frankie Paul - Worries In The Dance (Channel One Cut!!)
Dennis Walks – Drifter
Gentleman / Capleton – Fire A Go Bun Dem
Carl Meeks – Weh Dem Fah

RootZ: Wie seht ihr das Dubplatebizness?

Syndicate Sound: Durch die Möglichkeit eines Selectors, nicht nur Platten aufzulegen,
sondern auch bei der Entstehung derer mitzuwirken, erweitert sich die
Einflussnahme: man kann nun selbst entscheiden (natürlich mir
Einverständnis des Artists) welche gesungene Melodie man mit welchen Lyrics
auf welchem Riddim ( auf dem man auch noch einwirken kann-
mixen/umgestalten) haben will. Viele Sounds, die die Kohle haben, um sich
Dubplates zu machen, nehmen das leider nicht wahr. Das Dubplategeschäft ist
ein schnelles, das hört man leider auch vielen an.
Meistens sind die Preise der Hypeartists überdimensional hoch. Ein Tony
Matterhorn bekommt seine Bounty - Dubs umsonst, Syndicate leider nicht
(deshalb haben wir auch keins). An dieser Stelle ein Big Up auf alle
Artists, bei denen noch faire Kurse herrschen.
Die meisten Dubs sind für Clashkontexte geschaffen; auch bei den meisten
Juggelingsounds (Stone Love) dienen sie zumindest als Statussymbol und
Präsentationsobjekt. Das ein Dubplate textlich immer NUR auf die "Hey, was
sind wir toll und wie scheiße seid ihr"- Ebene runtergefahren werden muß,
ist etwas wenig. Clashes sind spaßig und haben hohen Unterhaltungswert,
aber neue Lyrics würden dem Dubplatesektor ganz gut tun.

RootZ: In D boomt die Reggaeszene derzeit regelrecht. Wie seht ihr das?

Syndicate Sound: Uff, was heißt "Szene", was "Boom"?
Ja, das öffentliche Interesse an Reggae ist größer geworden, nicht zuletzt durch den Crossover mit Hip Hop in dem letzten Jahrzehnt. 
 
Die Hip Hop - Hörerschaft war bisher immer um einiges größer als die der Reggaelovers, in der letzten Zeit hat der HH wohl eine Fluktuation zugunsten von Reggae zu verbuchen. Die Musikindustrie hat das irgendwann auch bemerkt und investiert fleissig, meistens in dementsprechend kommerzträchtige Artists, was wir aber auch nicht schlimm finden. Nicht alle Kommerzmusik muß schlechte sein (SEEED), auch wenn im Radio viel aufgeblasene Scheisse läuft. Das war aber auch schon immer so, nur, daß es damals weniger „Reggae“ war. Reggae hat aber immer noch Potential, viele neue Releases haben immer noch mächtig Druck, gute Musik wird es immer geben. Wir finden es gut, daß sich in Deutschland hoffentlich bald eine eigene Szene aufbaut, die auch irgendwann ihre eigenen Gesetze bekommen wird, die sie noch nicht so hat. Es ist noch an vielen Seiten Aufbauarbeit zu leisten!

Außerdem ist die Reggaeszene (wir sprechen mal aus den Erfahrungen mit der Kölner Szene) arg zerklüftet. Ein bisschen Lockerheit und Gemeinschaftssinn würde vielen Leuten ganz gut tun.

RootZ: Wer verdient Credits für den Aufbau der hiesigen Szene?

Syndicate Sound: Genannt werden bei dieser Frage immer die einschlägigen Soundsystems und
local Artists. Unberücksichtigt bleiben meistens die Plattenläden,
Musikjournalisten, Konzertveranstalter, Musikproduzenten, Studios, einzelne
Musiker, Radiostationen und Radio-Djs. Für die möchen wir hier auch mal
eine Lanze brechen. Die wichtigsten Namen sind im großen und ganzen unter den Credits auf der neuen Gentleman LP nachzulesen.
 
RootZ: Wird Reggae in D sich zu einem Sellout - kurzlebig und kommerziell - oder zu einer beständigen Szene entwickeln?

Syndicate Sound: Beides: der kommerzielle Part wird immer vor Langeweile mit dem Erstickungstod kämpfen müssen und nach etwas von der frischen Luft schnappen wollen, die vom nicht nach der Verkaufsfähigkeit schielenden Teil produziert und gespielt wird. Die Szene wird sich bestimmt verändern, vielleicht wird das irgendwann nur noch wenig mit dem heutigen Reggae zu tun haben, aber ehrliche Musik wird es so lange geben, wie es ehrliche Menschen gibt. True Music will never die!

RootZ: Eine Message für die RootZ Leser.

Syndicate Sound: Keep your Fire Blazing!


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