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„Jura? Das erwartet man nicht von mir“
RootZ.net: Wie bist du zur Musik gekommen? Patrice: Irgendwann war halt
die Gitarrenwelle, dann kamen so Bands wie Nirvana und Guns ‚n‘ Roses und
so gerade raus. Alle um mich herum haben Gitarre gespielt und ich wollte
natürlich auch gerne Gitarre spielen. Dann hat meine Mutter gesagt,
ich muss ihr das erst beweisen, dass ich das auch ernst meine mit der Gitarre.
Insofern hab ich dann geübt, geübt, geübt, hab mir Dinge
selbst beigebracht, hab mir eine Gitarre geliehen und so weiter. Und dann
hab ich was gespart und wir haben zusammen eine Gitarre gekauft, so eine
klassische Hohner-Wandergitarre, und irgendwann gab‘s dann Unterricht.
Ich hatte schon immer das Verlangen, Lieder zu schreiben und auch kleinere
Bands zu haben und das dann aufzuführen. Zu dem Zeitpunkt war ich
zwölf, ungefähr. So hat sich das dann einfach ergeben, ich bin
einfach meinem Gefühl gefolgt. Ich hatte nie so ein Erlebnis, wo ich
gesagt habe: ja, ich will jetzt Musik machen.
Und durch das Gitarre Spielen habe ich dann auch so ganz andere Musik gehört wie Metallica, Nirvana, Guns ‚n‘ Roses, oder auch so Sachen natürlich wie Dylan, man fängt ja dann an mit Bob Dylan, und Hendrix und Led Zeppelin und solchen Sachen. Letztendlich hab ich versucht, das alles irgendwie unter einen Hut zu bekommen. Es war halt so unser style, alle sind im Hip Hop groß geworden so um mich herum und ich halt auch, und das dann zu verbinden mit der Gitarrenmusik, das wollte ich irgendwie tun in meinem Leben RootZ.net: Was war deine
erste Platte?
RootZ.net: Hast du auch Platten in deiner Sammlung, die dir jetzt ein wenig peinlich sind? Patrice: Ich bekomme sehr viele Promo-Platten, die dann in meiner Plattenkiste landen, obwohl ich sie eigentlich wegschmeißen sollte. Und dann kommen Leute zu mir nach Hause und gucken sich meine Plattensammlung durch und sagen: was geht‘n mit dir? Aber sonst schäme ich mich eigentlich für gar nichts. Ich meine ... zum Beispiel mit Büchern ist es ja auch so, ob du jetzt ein gutes oder ein schlechtes Buch liest, ist gar nicht unbedingt relevant, es kommt ja darauf an, was du dir für Gedanken zu dem Buch machst und was du da rein interpretierst. Manchmal kann für dich ein schlechtes Buch viel mehr bedeuten als ein gutes, und dir viel mehr eröffnen. RootZ.net: Sprechen wir über dein neues Album. Du hast die meisten Tracks auf Jamaika aufgenommen. War dir das wichtig? Patrice: Es ging nicht darum,
es in Jamaika zu machen, sondern es ging darum, es mal endlich zu machen!
Es kam dann dieses Angebot um die Ecke, dass man es dort zum gleichen Preis
wie in Hamburg oder irgendeinem anderen Studio in Deutschland machen konnte.
RootZ.net: Ist es nicht ein Ding der Unmöglichkeit, in Jamaika ein Album aufzunehmen, das dann relativ wenig Reggae enthält? Patrice: Überhaupt nicht! Die meisten Sachen wurden ja schon vorher geschrieben und vorproduziert, letztendlich haben wir sie dort nur ausgearbeitet. Ich war ja auch der Produzent, das hat nicht irgendein Reggae-Produzent gemacht, und ich habe auch meine Musiker mitgebracht, Leute, die definitiv nicht unbedingt Reggae-Musiker waren. RootZ.net: Du sprichst es an: du hast das Album selbst produziert. Bist du mit dir zufrieden? Patrice: So weit bin ich zufrieden, aber ich bin nie wirklich zufrieden! Ich denke, in dem Kontext habe ich gute Arbeit geleistet. Es wird einem ja immer ein Rahmen gestellt durch Zeit und Budget, insofern bin ich zufrieden. RootZ.net: Was ist anders,
wenn man selber produziert?
RootZ.net: Du hast mit einigen bekannten Musikern wie Pino Palladino (Bassist bei Angie Stone und George Michael) oder Darryl Thompson (Gitarrist bei Peter Tosh, Black Uhuru oder Sly & Robbie) zusammengearbeitet. War das irgendwie komisch für dich als Produzent, diesen Leuten zu sagen, wie sie spielen sollen? Patrice: Ja natürlich! Zumal ich ja noch sehr jung bin und die schon mit allen Größen des Musikgeschäfts gespielt haben. Wie Pino Palladino, ich meine, ihm zu sagen, was er zu spielen hat, ist natürlich komplett krank, das würde ich mir auch nie anmaßen. Ihm muss man eigentlich auch kaum was sagen ... das wichtige war halt, dass wir alle die selbe Sprache gesprochen haben, was Musik angeht. Wenn es eine gute Idee gab, von wem auch immer, dann hat die halt gewonnen. Da gab es kein narzistisches Ego, das dann gesagt hat: ich will aber, dass meine Idee draufkommt. Es ging einfach darum, okay, das ist die beste Idee, die wird genommen. Und da gab es auch nie eine Diskussion, da waren wir uns alle einig. RootZ.net: Dein neues
Album ist stilistisch schwer einzuordnen. Hast du es deswegen How
Do You Call It? genannt?
RootZ.net: Sollen dir die Hörer Vorschläge zuschicken, wie man die Musik nennen soll? Patrice: Das können sie gerne machen! Ich habe noch keinen Namen dafür gefunden RootZ.net: Dein neues Album enthält Reggae-Elemente, aber die sind nur ein Teil des Ganzen. War das eine bewusste Entscheidung von dir, dich etwas vom Reggae zu distanzieren, um nicht vielleicht in der Reggae-Schublade verheizt zu werden? Patrice: Also ich versuche
eher so Musik zu machen, die sich über Trends und auch bestimmte Zeiträume
irgendwie erhebt. Das ist halt mein Anspruch, ich weiß nicht, ob
mir das immer gelingt. Mir war schon immer wichtig, dass meine Musik Singer/Songwriter-Musik
ist, also wo es um einen Song geht, der letztendlich jede Richtung einnehmen
kann, der also ein Rock-Song genauso wie ein Reggae-Song genauso wie ein
Pop-Song sein kann und trotzdem als Song bestehen bleibt. Ich treffe meine
Entscheidungen meist nicht so bewusst. Natürlich, dadurch dass viele
gesagt haben: du bist ein Reggae-Artist, und ich mich noch nie als wirklichen
Reggae-Artist gefühlt habe, habe ich vielleicht dann unterbewusst
so gehandelt, dass ich genau das nicht gemacht habe. Das kann natürlich
sein. Aber ansonsten bin ich mal wieder einfach meinem Gefühl gefolgt
und hab‘ versucht, was Neues, Innovatives zu machen.
RootZ.net: Ich benutze den Begriff trotzdem ein letztes Mal: Viele Künstler der ‘black music‘ in Deutschland kopieren, oft recht einfallslos, amerikanische oder jamaikanische Vorbilder. Du hast da einen eigenen, ich sage mal ‘europäischen‘ Ansatz. Wie glaubst du kann diese Musik in Deutschland eine eigene Identität bekommen? Patrice: Das ist auch mein Anliegen, also ich versuche, was eigenständiges zu machen. Ich sehe da große Möglichkeiten! Es ist halt jetzt dieser Identitätsfindungsprozess. Es wird immer was gemacht, und dann wird es hinterfragt, dann wird es vielleicht anders gemacht und so weiter, und letztendlich hat man dann hoffentlich irgendwann so einen Stil, der wirklich eigenständig ist. Wo man sagen kann, Schwarze in Deutschland sind halt so drauf und nicht wie in Amerika. Ich habe schon die Hoffnung, dass sich das so entwickeln wird, und ich denke, dass ich meinen Teil dazu beitrage. RootZ.net: Du lebst in Hamburg,
dein Management sitzt in London, du hast großen Erfolg in Frankreich
und tourst durch die ganze Welt. Wo ist deine Heimat?
Patrice: Ich versuche halt,
zu verschiedensten Situationen oder verschiedensten Aspekten des Lebens
was zu sagen. Ich versuche, nicht eine Schiene zu reiten, ich versuche,
dass jeder Song eine andere message hat. Es soll halt immer authentische
Sachen rüberbringen. Es gibt einmal die Möglichkeit, dass ich
einfach nur Worte schön finde und mich irgendwie poetisch versuche,
dann auch wiederum die Möglichkeit, dass ich sehr konkret soziale
Probleme oder so anspreche. Dann gibt’s die Möglichkeit, dass ich
einfach nur style-mäßig abgehe, einfach, weil es cool klingt
oder die Rhymes gerade passen. Also es gibt verschiedene Ansätze,
aber ich versuche schon, dass jedes Lied eine message hat. Und irgendwo
ist glaube ich der rote Faden Liebe im ganz weiten Sinne, weil ich denke,
dass auch ein kritischer Text Liebe zur Basis haben kann. Ich denke, dass
Liebe nichts ist so: zwei Menschen treffen sich und dann küssen sie
sich und so weiter und irgendwann heiraten sie und bla bla bla, sondern
Liebe kann auch durchaus Leute dazu veranlassen, ihr Leben komplett zu
überdenken.
RootZ.net: Die Musikindustrie kämpft momentan mit Problemen wie Raubkopien und Piraterie über das Internet. Auch deine Promo-CD ist mit Fades präpariert. Wie siehst du die Situation? Patrice: Natürlich ist
das auch ein Problem von den Künstlern. Wir machen eine Platte für
relativ viel Geld, müssen dann natürlich minimum die Hälfte
wieder einspielen mit Verkäufen. Wenn wir das nicht tun, und alle
die Platte kopieren und nicht kaufen, dann gibt’s auch keine nächste
Platte mehr, dann wird man womöglich gedroppt vom Label und muss dann
als Kellner weiterarbeiten in seinem Leben. Man ist natürlich darauf
angewiesen, dass Leute die Platte auch kaufen und die Arbeit zu schätzen
wissen, die man da reingesteckt hat und das irgendwo belohnen. Ich denke,
bei bestimmten Retorten-Artists, wenn man sich da die CD brennt, ist das
was anderes als bei einem Menschen, der wirklich dafür lebt und davon
abhängig ist. Insofern ist das schon eine gewisse Gefahr. Fades oder
so was werden das natürlich nicht komplett verhindern, aber es wird
den Leuten zumindest schwieriger gemacht.
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Copyright Text: Veit König / Bilder: Roland Grieshammer / Doc Highüz / Layout: Doc Highüz 2002 | ![]() |