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Bounty Killer - Next Millennium

Der Schokoriegel hat wieder zugeschlagen! Nachdem der Vorläufer "My X-perience" noch Maßstäbe in der Zusammenarbeit zwischen Ragga-MCs und Rappern gesetzt hat, ist die aktuelle Scheibe nur noch ein Abklatsch. Als würde Bounty alias Rodney Price den Soundtrack für einen Werbeclip über sich selbst als den "fleischgewordenen Schokoriegel" anbieten: seichte, exotisch angehauchte Lala, um die längliche Kokospraline mit der exotisch-weißen Füllung besser absetzen zu können.

Den Undergroundstatus hat er jedenfalls mit "Next Millennium" endgültig verspielt, da kann er noch so viel den "rude bwoy" spielen. Was hat der Albumtitel überhaupt mit dessen Inhalt zu tun? Maximal doch, daß es derzeit "trendy" ist, die Ängste von Menschen bezüglich des Jahrtausendwechsels zu verwurschteln. Auf fast jeder Rapscheibe der letzten Monate gab es mindestens eine Endzeitmessage und weil Bounty mittlerweile wohl mehr auf dem Big Apple als auf Jamaika abhängt, hat die dortige Rapszene, mit der er auf dem Album zusammenarbeitet, ihn wohl in diese apokalyptische Richtung gedrängt. Musik für das nächste Jahrtausend (wieder meine derzeitige Lieblingsvokabel) beinhaltet dieses Album jedenfalls nicht.

Von der Struktur her ähnelt Next Millennium seinem Vorgänger: Persönlichkeiten aus der Rap- und Reggaeszene helfen Bounty per Duett, seine Songs zu realisieren. So finden sich auf dem Cover Namen, wie Shaggy, Bunny Ruggs, Anthony B, Brian and Tony Gold, Ritchie Stevens, Noreaga, Nona Hendryx und Mobb Deep, die dem ruffsten Schokoriegel der Welt ihre Stimmbänder zur Verfügung stellen. Wyclef Jean zeichnet als Produzent.

Die Riddims verdienen großenteils das Siegel "der grüne Punkt", fast alle Songs sind recycelt, aber das ist ja in der Szene nix großartig Neues. So finden sich auf dem Album eine Version des alten Klassikers "Stop that Train", hier "Heartbeat" genannt, auf "No Supastar" wird wieder das Brachialgitarrensample aus Survivor's "Eye of the Tiger", das gerade in der Raggaszene für Furore sorgt, verwendet und auch einige andere Tunes sind von ihren Riddims her schon von Kollegen Bounty's verwendet worden, nur fragt mich bitte nicht nach den Namen der einzelnen Tunes. So viele Versions und Riddims, wie sie in der Reggaeszene produziert werden, alle mit Namen zu kennen, ist eine Wissenschaft für sich.

Ihr merkt schon, das Album hat mich nicht überzeugt, im Gegenteil. Da ich aber nix schönschreibe, lasse ich mich trotzdem über das Werk aus: Peinlich finde ich den Hitsong "It's a Party", der einfach ein äußerst schlechtes Remake von Chaka Khan's große Hit "Ain't Nobody" ist. Peinlich, weil für die Produktion des Tunes noch nicht einmal die Originalstimme überzeugt werden konnte, den ziemlich holperigen Riddim zu verschönern, nein, Nona Hendryx wurde aus der tiefsten Versenkung geholt und durfte mit ihrer mittelmäßigen Stimme den Referain ins Mikro trällern. Zu diesem Song gibt es eine Maxi, meiner Meinung nach ist der einzige verwendbare Track von sechsen die Instrumentalversion - charakteristisch, oder? Und der Videoclip zum Song macht nur eine Aussage: Party, Dekadenz und Pulver, welcher Art auch immer. Die Stimme von Bounty ist auf diesem Song so dünne und auf den anderen auch nicht besonders voluminös, daß ich mir schon ernsthaft Sorgen mache, was der Typ sich wohl mittlerweile für Synapsenbeschleuniger einfährt. Der Künstler hat mit dem Album gezeigt, daß er mit seinen jamaikanischen Wurzeln nix mehr zu tun hat, da kann er noch so viele große und gediente Namen aus der Reggaeszene einbauen. Und besonders sollte er sich unter den existenten Namen vielleicht die Leute aussuchen, die ein wenig progressiv sind. Die auf "It's a Party" dokumentierte Zusammenarbeit zwischen Bounty und Third World beispielsweise, ist eine große Gähnnummer, seit Jahren habe ich keinen so laschen Reggaetune mehr gehört.

Wer auf Bounty Killer steht, wird dem Album vielleicht mehr, als ich, abgewinnen. Für mich ist dieses Album eine recht konzeptionslose Aneinanderreihung von Songs der Bereiche Rap, Ragga und Reggae, gewürzt mit den Namen bekannter Musiker, die diesem Werk wohl einen gewissen kommerziellen Erfolg garantieren sollen. Eine Kaufempfehlung kann ich leider nicht machen.

Anhörtips:

Eagle and di Hawk
Heartbeat
A Love That's Real


Copyright: Dr. Igüz 1999