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Platte des Monats
Februar Y2K1

Diverse - Dancehall Fieber
Die deutsche Dancehall-Szene legt im neuen Jahrtausend richtig los. Der beste bisher erschienene Sampler ist diese vorliegende, österreichische (!) Compilation. Die hinter dieser Ansammlung steckenden Köpfe Kaltenbrunner, Estl und Moser sehen in Dancehall Fieber die konsequente Internationalisierung der Riddims und Messages aus Jamaika. Diese Globalisierung des Sound begann vor mehr als einem Viertel Jahrhundert mit Bob Marley, verlagerte sich in den Achtziger Jahren des vergangenen Jahrtausends durch Künstler wie U-Roy, Yellowman, Eek-A-Mouse und vielen weiteren Sängern oder Dee Jays wieder weg vom Konzertsaal zurück in sein Fundament, die Dancehall, dem typischen jamaikanischen working class entertainment spot - von der RootZ Reggae Show zur Reggae Dancehall.

Die letzten zehn Jahre ließen diese eigentlich spezifisch jamaikanische Form der Unterhaltung immer mehr Fans auf der ganzen Welt finden. Dafür sorgten einerseits jamaikanische Prime Entertainer à la Shabba Ranks, Patra, Lady Saw, Shaggy und andererseits hunderte von Sound Systems - die mobilen Reggae Discos - Metro Media, Killamanjaro, Stone Love usw.. Mit der Entstehung einer Dancehall Kultur in Europa hatten die Massen von Dancehalltunes, die eigentlich nur für den jamaikanischen Markt produziert wurden, neue Platformen in Europa geschaffen und es wurde damit ein Grundstein für die Entwicklung einer Euro-Dancehall-Kultur gelegt.

Die deutsche Szene legte Ende des vergangenen Jahrtausends los und gipfelte im Jahre 2000 in einem Boom der deutschsprachigen Dancehall Massive: Die Tanzpaläste waren voller denn je, während die RootZ Reggae Veranstaltungen immer mehr stagnierten und es war plötzlich nicht mehr selbstverständlich, nur jamaikanische, allerhöchstens britische Produkte auf die Plattenteller zu schmeißen. Deutsche Produktionen mit deutschsprachigen Texten wurden immer akzeptierter und in ihrer Machart professioneller, tighter und phatter.

Endlich war die unselige Trennung von Riddim und Message beim Konsumenten aufgehoben, denn es gab plötzlich Texte, die nicht auf einem exotischen Englischdialekt, der oft nur für Eingeweihte verständlich ist, gesungen wurden, sondern man hörte klar verständliche Worte. Damit war es nur noch eine Frage der Zeit, wann die stagnierende Hip Hop Szene die Zeichen der Zeit erkannte und die Kopfnicker sich einem anderen Riddim hingaben. Messagemäßig ist der Unterschied da eh nicht so groß: Ganja, Sex, Crime, Consciousness und Ghetto Lyrix - schon war die Dancehall Crowd da.

Der Sampler Dancehall Fieber gibt hier einen guten Überblick, was im Jahre 2000 in deutschen Studios riddim- und vocalmäßig gelaufen ist. Sechzehn Tunes mehr oder weniger bekannter Künstler, die eigenes Material produziert oder auch auf schon existierende Riddims zurück gegriffen haben. Heraus gekommen ist ein Album, das den Hörer erstaunen läßt, wie stark diese Musik hierzulande ihren Platz einfordert - Dancehall Fieber eben.

Mono aus Linz hat ihre Liebe zu Reggae und Dancehall während eines längeren Aufenthaltes in Bristol, England entdeckt. Klaus Laima alias Laima hat den Riddim gebaut und schon lag mit Partymaterial ein schöner Dancehall Tune vor.
Gerade das verschlafene Hannover steuert mit Benji's Ganja Smoka den aus meiner Sicht besten Tune zur Compilation bei. Mit tiefer, typischer Raggavoice kommen witzige Textpassagen über das salomonische Kraut über die Speakermembranen - "ich rauch mein Ganja den ganzen Tag".
Nikitamann - von der Düsselheimer Band Monsterriddim bringt Lyrix gegen die braune Pest: "Faschisten dieser Welt sind unnötig und SCHEISSE"...true, true.
Der Kölner Natty Flo mit seinen Frankfurter RootZ und jamaikanischer Erfahrung bringt Rasta Knowledge mit dem Dancehall Reggae Tune: "In der Vergangenheit liegt die Zukunft - mit meinen Roots beschreib ich meine Herkunft".
Endlich gibt es auch mal wieder eine V.Ö. vom Dortmunder Natty U, der lange mit einer schweren Krankheit kämpfen mußte - hier in Kombination mit Ragga Fraenkie. Lovers Rock made in Germany.
Eine weitere Tekla Produktion, der Racer Riddim ist hier vom bassgewaltigen D-Flame - Eimsbusch- und überhaupt Sound System erprobt - gevoiced.
Yell, Dancehall Queen aus HH hat im Vergleich zu ein paar anderen Nummern verstanden, daß Style im Dancehall Bizz mindestens so wichtig ist, wie ein guter Riddim und eine passende Stimme, sie vereint alle drei Elemente - verlaß Dich drauf - man hört Dir zu.
Die Zürcher Ganglords, ebenfalls Jamaika-Vetreanen legen mit der Perry-Produktion "Groovy Situation" - hier als "Gschuper Das" ein schönes Remake hin. Gewöhnungsbedürftig sind die Parts in Schwyzerdütsch, aber RootZ live.
Die Kombination "Ich denk an Dich" von Lazy Youth und der Biber ist ein von Digital B produzierter Riddim. Jedoch wird hier nicht der angegebene Fade Away Riddim, sondern der parallel von Bobby Digital reproduzierte Techniques Klassiker "You don't care" aus den frühen Siebzigern zugrunde gelegt - wahrscheinlich hat eine falsch gelabelte Scheibe für den Fehler gesorgt.

Dancehall Fieber ist eine wirklich gute und gelungene Übersicht über die deutsche Dancehall Szene. Und mir höchst willkommen. Reggae und Dancehall sind seit langem international, es war nur eine Frage der Zeit, daß sich hierzulande die von Mr. Gentleman & Co gepflanzten Samen entwickeln und Früchte tragen. Big Up von Doc Igüz.

RootZ verlost zwei Dancehall Fieber CDs unter allen Lesern, die bis zum 28.02.01 eine Mail oder eine Karte mit dem Stichwort "Dancehall Fieber" gesendet haben.

AND THE WINNERS ARE:
Christian Emrich ([email protected])
Szabo Kriszti ([email protected])

Herzlichen Glückwunsch von RootZ


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