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Feature

Zion Train
Mehr als zehn Jahre Subbass 
auf die Trommelfelle

1990, North London. Der Dub ist toter als tot, die Membranen der Subwoofer haben eine längere Pause hinter sich. Viele blicken zurück und wollen Altes wiederbeleben. Nicht so das Musikerkollektiv Zion Train. Sie blicken nach vorne und bereiten ihren von Jah Shaka und Lee Perry beeinflußten Sound auf das neue Jahrtausend vor. Sie begeben sich auf eine Safari in die Welten von neuen Sounds, wie Acid, Ambient und House. Das Pulsierende dieser elektronischen Wummermusiken wird von ihnen mit den tiefen Frequenzen des Reggaebasses gekreuzt und mit Zutaten, wie Blechbläsern veredelt. Das Ergebnis ist die Geburt einer der weltweit feinsten und führenden Neo-Dubbands.

Als wenn die Entwicklung, Produktion und Vermarktung dieser Innovation nicht genug Arbeit wäre, beginnen Neil (DJ, Effekte, Beatbox, Bass), Colin (Melodica), Dave (Trompete), Chris (Posaune) und Molara (Vox) alle Outlets von Kultur zu benutzen: 
 
So können sie neben dem Studio ein Sound System (Abassi Hi Powa), das Magazin „The Wobbler“, das Label „Universal Egg“, einen freien Pool von Musiksamples im www und Multimediaproduktionen (Videos, CD-Roms, Website) ihr eigen nennen. 

Um in diesen Wust an kulturellem Output etwas Übersicht und Leben zu bringen, schauen wir uns die einzelnen Elemente genauer an und fragen Neil Perch als Mastermind, wie die Leute es schaffen, alle Projekte unter eine Wollmütze zu bekommen: „Die ganze Geschichte um Zion Train ist nicht die der Band. Wir sind ein Kollektiv von Leuten, die Musik lieben und sie als Medium für Kommunikation sehen“, sagt Neil in unserem Backstage-Gespräch während des Kölner s.o.m.a. Festivals Anfang August 2002 in Köln. „Daher ist es offensichtlich, alle zur Verfügung stehenden Medien zu nutzen, um eine bestimmte Atmosphäre zu erzeugen. 

Der Schlüssel ist Kommunikation. Es geht um das Teilen und verteilen von Ideen. “ Um diese Ideen umzusetzen braucht man natürlich Geld. Dafür haben Neil und der zweite Zion Train der ersten Stunde, Colin Cod, Anfang der Neunziger Jahre, als beide arbeitslos waren, eine Selbstständigeninitiative des Arbeitsamtes genutzt, Geld bekommen und ein Studio gegründet. Nachdem die erste Musik aufgenommen war, liehen sie sich Geld, um die Platten pressen zu können, verkauften diese und zahlten die Kredite zurück. 
 

„Alle anderen Projekte sind querfinanziert“ meint Neil auf Nachfrage, wie denn die CD- Rom oder der Web-Auftritt bezahlt wurden. Als neuestes Standbein in der Dub Armada Zion Trains hat Neil in Britannien das Abassi Hi Powa Sound System von Leuten bauen lassen, die verstehen, wie die tieffrequente Musik dieses Genres präsentiert werden muß. „Wir haben eine besondere Art entwickelt, Dubmusic zu präsentieren, so haben es die Leute in Europa noch nie gehört. Dub Experience mit einem Sound, der dafür gebaut ist“. Neil ist seieiner geraumen Zeit Wahlkölner und so kann die Massive im Rheinland sich glücklich schätzen, einen solch innovativen Sound in ihrer Area zu haben. Auf seineParties angesprochen, meint Neil, „wir sind ein conscious Sound. 
 
Wir möchten, daß die Leute eine Party feiern und die Message zugleich mitnehmen. Es wäre schön, wenn die Leute mit einer Art spiritueller Bereicherung nach Hause gehen.“

Um das Programm auf seinen Parties spannend zu halten, greift DJ Neil auf einen Pool von Tunes, der von Zion Train und befreundeten Dubheads geliefert wird, zurück. „75 Prozent der Musik, die ich beim Sound spiele, ist unveröffentlicht. Wir wollen frische Musik und bekommen sie von den Iration Steppas, Vibronics oder den Disciples zum Testen zur Verfügung gestellt.“ 

Nach dem Testing Ground in der Dub-Dancehall werden die Tunes dann eventuell veröffentlicht. Uns interessierte es, wie denn ein Zion Train Song das Licht der Welt erblickt. „Zunächst hat jemand aus dem Kollektiv eine gute Idee, das kann eine Trompetenmelodie sein, oder ein Vocalpart, ein Beat oder ein Rhythm, der mit dem Rechner gebaut wurde,“ sagt Neil. „Dann liegt dieses Fundament manchmal ein paar Monate rum, bis wieder jemand eine Idee hinzufügt, alles geht seinen natürlichen Weg. Wir treffen uns zu Aufnahmesessions, nicht zum Proben, und irgendwann ist der Basic Track dann fertig. Zu diesem Zeitpunkt ziehe ich eine Kopie auf A-Dat (8-Spur Digitalband) für den Gebrauch bei Sound System Dances. Für einen Tune, der veröffentlicht werden soll kommen noch Extraproduktionen, das finale Mischen und Mastering hinzu.“ Die Lyrics der Band drehen sich um die Pole des Bewußtwerdens und des Bewußtmachens. „Sei Dir der Welt um Dich herum bewußt und genieße Dein Leben. Mach das, was du machen willst und kommuniziere mit den Leuten auf einem positiven Level. Kurz: Liebe einfach Dein Leben“, faßt Neil zusammen. 
 

Zion Train ist für seine äußerst dynamischen Liveshows bekannt, die keine Wünsche offenlassen. Wie schaffen es die Musiker, das Publikum so mitzureißen? „Wie schon gesagt, proben wir nicht“, sagt Neil. „Die meisten Musiker machen Konzerte, um ihr neues Album zu promoten. Dann spielen sie ihre Songs eins zu eins auf der Bühne. Das ist langweilig und ich weiß überhaupt nicht, wie die das aushalten. Wir machen das anders: Ich benutze ein A-Dat mit separaten Tracks für Drums, Rhythm und den Bass. Dazu kommen die Bläser, Gitarre und Stimme. Dies alles wird über einen Mixer geschickt, den ich kontrolliere. Ich improvisiere einen Livemix und habe die Möglichkeit, den einzelnen Tracks Effekte, wie Echo und Hall hinzuzufügen. Und wir versuchen natürlich, das Publikum nicht nur zum tanzen zu animieren, sondern auch per Dialog ein wenig consciousness zu verbreiten. Nur so halte ich es überhaupt aus, so viele Konzerte zu geben, ohne daß es uns langweilig wird.“
 
Und wir als Konsumenten der feinen Dubmusik von Zion Train können uns immer wieder auf neu ausgetüftelte Bassodysseen freuen und dem nächsten, bestimmt nicht allzu fernen Konzert des Musikerkollektives aus Nordlondon mit Spannung entgegenfiebern. 


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