RootZ.Öko – Artikel aus der Umwelt

 
Spiegel online 24.02.07

 

Energieriesen verdrängen

die Öko-Pioniere

Von Anselm Waldermann

 

Stromkonzerne wie E.on und

Vattenfall kannten bisher nur zwei Rohstoffe: Kohle und Uran. Jetzt investieren

sie verstärkt in Wind und Biogas – weil die Rendite stimmt. Die kleineren

Vorreiter der Branche fühlen sich bedroht.

 

Hamburg – Wenn Oliver Weinmann

von Ökostrom spricht, gerät er ins Schwärmen. “Die erneuerbaren

Energien haben ein großes Potential”, sagt der 47-Jährige. Schon

in den nächsten Jahren könnten in Deutschland Windräder

mit einer Leistung von insgesamt 25.000 Megawatt ans Netz gehen – so viel

wie 25 Kernkraftwerke. “Da lässt sich richtig Geld verdienen.”

 

Das Besondere daran: Weinmann

ist kein Umweltlobbyist, sondern Manager beim drittgrößten deutschen

Energiekonzern

Vattenfall Europe . Das Unternehmen ist bisher vor allem durch seine ausgedehnten

Tagebaue aufgefallen. Mit klimaschädlicher Braunkohle produziert Vattenfall

80 Prozent seines Stroms. Auch der schwedische Mutterkonzern Vattenfall

AB ist bei Naturschützern nicht gerade beliebt. Zuletzt sorgten Pannen

im Atomreaktor Forsmark für Schlagzeilen.

 

In Zukunft könnte sich

das ändern. Denn Vattenfall setzt immer mehr auf Ökostrom. “Wir

kommen an einen Punkt, wo das wirtschaftlich interessant wird”, sagt Weinmann,

der Geschäftsführer der Vattenfall Renewables GmbH ist. Mit dieser

Ansicht ist das Unternehmen nicht allein. Auch andere Konzerne wie E.on

, RWE und EnBW haben den Ökostrom für sich entdeckt.

 

EnBW zum Beispiel hat gerade

erst eine neue Abteilung eigens für diesen Bereich gegründet.

Das Team ist direkt dem Vorstandsvorsitzenden Utz Claassen unterstellt.

Und auch bei E.on haben die erneuerbaren Energien “einen festen Platz im

Versorgungskonzept”, wie ein Unternehmenssprecher sagt. Immerhin elf Prozent

seines Stroms erzeugt der Konzern auf diese Weise – vor allem mit Wasserkraft.

 

“Auf jeden Euro, den E.on

für die Kernenergie ausgibt, kommen fünf Euro für erneuerbare

Energien”, sagt der Sprecher. Zum Teil ist diese Rechnung zwar geschönt.

So sind die Atommeiler des Unternehmens längst abgeschrieben – hohe

Investitionen sind deshalb nicht mehr nötig. Andererseits gibt der

Konzern tatsächlich Geld für regenerative Energien aus. Das größte

Potenzial sieht E.on dabei in der Windkraft auf hoher See. Gleich an vier

Offshore-Parks in Nord- und Ostsee ist das Unternehmen beteiligt. Bis 2011

sollen hier Windräder für 500 Megawatt errichtet werden. Geplante

Investition: 1,3 Milliarden Euro.

Vor nicht allzu langer Zeit

wäre ein solches Projekt noch undenkbar gewesen. Schließlich

waren die Ökoenergien fast ausschließlich eine Sache von Privatleuten.

Kleinere Fonds brachten das Kapital für Windräder zusammen, Landwirte

betrieben Biomasseanlagen, und Hausbesitzer bauten sich eine Solaranlage

aufs Dach.

Doch mittlerweile geht es

um ganz andere Dimensionen. Bis 2020 will die Bundesregierung den Anteil

der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung von 12 auf 20 Prozent erhöhen.

Schließlich ist Ökostrom die einzige heimische Energiequelle,

die das Klima schont.

 

Das

ehrgeizige Ziel lässt sich nur mit Hilfe von Offshore-Windparks erreichen.

Und die sind richtig teuer. Ein einziges Windrad auf hoher See kostet rund

zehn Millionen Euro – Wartung und Reparaturen noch nicht mitgerechnet.

Ein ganzer Windpark bringt es locker auf eine Milliarde Euro. “Das ist

nichts mehr für kleine Publikumsfonds”, sagt Vattenfall-Manager Weinmann.

“Solche Summen können nur große Konzerne aufbringen.”

 

Für die Unternehmen

lohnt sich das Geschäft. Laut Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) bekommen

sie für Offshore-Windstrom rund neun Cent je Kilowattstunde. Bei Windstrom

an Land sind es nur etwa acht Cent.

Dabei ist das Geld für

die Konzerne gar nicht das Entscheidende. Schließlich sind Kohle-

und Atomkraftwerke immer noch rentabler als die alternativen Energien.

Die Unternehmen haben vielmehr etwas anderes im Sinn: In erster Linie wollen

sie ihre Abhängigkeit von Rohstoffimporten reduzieren. “Wir möchten

unsere Ressourcen diversifizieren”, sagt Weinmann. “Und die erneuerbaren

Energien gehören dazu.”

Ganz freiwillig kam diese

Einsicht freilich nicht. Vor allem der Gasstreit zwischen Russland und

der Ukraine öffnete der Branche die Augen: Die Energieversorgung in

Deutschland ist in hohem Maß von Rohstofflieferungen aus politisch

oft instabilen Regionen abhängig. Wie drängend das Problem ist,

zeigte sich in diesem Jahr erneut, als auch die Öllieferungen über

Weißrussland kurzzeitig ausfielen.

Bei der Windkraft allein

wollen es die Konzerne deshalb nicht belassen. Gute Verdienstmöglichkeiten

rechnen sie sich auch bei Biogas aus. Gerade erst hat E.on eine Tochtergesellschaft

namens E.on Bioerdgas gegründet. Bauern sollen das Unternehmen künftig

mit Mais, Roggen und anderen Energiepflanzen beliefern. Diese lässt

man zu Biogas vergären, das dann auf Erdgasqualität aufbereitet

wird.

Ein ähnliches Projekt

verfolgt der Berliner Gasversorger Gasag. In einer Pilotanlage im brandenburgischen

Rathenow will das Unternehmen jährlich 45 Millionen Kilowattstunden

Bioerdgas produzieren, die ins normale Leitungsnetz eingespeist werden.

Die Gasmenge reicht für 2000 Haushalte, Baubeginn ist in diesem April.

 

“Auf Brandenburgs Feldern

könnte schon bald Erdgas wachsen”, sagt Jochen-Christian Werner von

der Gasag-Tochter EMB. Nach einer Studie des Bundesverbands der Gas- und

Wasserwirtschaft (BGW) kann die Bundesrepublik im Jahr 2030 immerhin zehn

Prozent ihres Gasbedarfs mit Bioerdgas decken.

 

“Mit Klein-Klein kommen

wir nicht mehr weiter”

Dass sich die Konzerne auf

diesen Markt stürzen, freut allerdings nicht jeden. Schließlich

ist die Ökobranche bisher stark mittelständisch geprägt

– und die Großen haben den Kleinen oft genug Steine in den Weg gelegt.

Vor allem wenn es darum geht, Windräder an das Stromnetz anzuschließen,

gibt es regelmäßig Knatsch.

Milan Nitzschke glaubt deshalb

nicht an die grünen Pläne der Konzerne. Er ist Geschäftsführer

des Bundesverbands erneuerbarer Energien (BEE) und hat genug negative Erfahrungen

gemacht. “Immer da, wo wir in relevanter Masse auf den Markt kommen, versuchen

sie uns zu bekämpfen.” Als einige der großen Stromunternehmen

bei ihm anklopften und Mitglied des Verbandes werden wollten, lehnte Nitzschke

dankend ab. “Das hätte überhaupt nicht gepasst.”

 

Tatsächlich besteht

das Hauptgeschäft der Großen immer noch aus Kohle und Atom.

Nitzschke hält ihr Engagement für regenerative Energien deshalb

für reine Imageprojekte. Dass sich E.on große Offshore-Windparks

genehmigen lässt, sei besonders perfide. Auf diese Weise blockiere

das Unternehmen die Meeresflächen für andere – und halte den

eigenen konventionellen Kraftwerken unliebsame Öko-Wettbewerber vom

Leib.

Die Stromkonzerne selbst

weisen die Anschuldigung als “Unsinn” zurück. “Wir werden in Zukunft

einen weit höheren Anteil an den erneuerbaren Energien haben als bisher”,

sagt Vattenfall-Manager Weinmann. “Mit Klein-Klein kommen wir jetzt nicht

mehr weiter.” Für sein Unternehmen jedenfalls werde Ökostrom

schon bald “ein ganz normales Geschäft”.

 

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