RootZ.Öko – Artikel aus der Umwelt

 
Spiegel

online 03.03.07

CO2-DEBATTE

Verheugen warnt vor Hysterie

beim Klimaschutz

EU-Kommissar Günter

Verheugen hat sich gegen “hysterischen Aktionismus” in der Klimadebatte

ausgesprochen. Europa verursache nur einen geringen Teil des globalen CO2-Ausstoßes,

die Autoindustrie dürfe nicht zum Sündenbock gemacht werden.

Umweltminister Sigmar Gabriel plädierte für freiwillige Klimaabgaben

bei Flugreisen.

Hamburg/Berlin – Verheugen

hält den teils hitzig geführten Streit um mehr Klimaschutz für

überzogen. Zwar müsse der Klimawandel “an allen Fronten” bekämpft

werden, sagte Verheugen der Zeitung “Bild am Sonntag” und fügte hinzu:

“Wir dürfen aber auch nicht in hysterischen Aktionismus verfallen.”

Europa verursache “nur einen relativ geringen Teil der weltweiten CO2-Belastung

– Tendenz sinkend”, betonte Verheugen. “Und an den C02-Emissionen wiederum

haben Pkw einen außerordentlich kleinen Anteil.”

 

EU-Kommissar Verheugen: “Autoindustrie

nicht zum alleinigen Sündenbock machen”

Der Vizepräsident der

EU-Kommission äußerte die Sorge, “dass wir die europäische

Autoindustrie – ein Kronjuwel der europäischen Industrie – zum alleinigen

Sündenbock machen”. Er unterstrich: “Die Deutschen waren immer stolz

darauf, dass sie die besten Autos der Welt bauen und das zu recht. Deshalb

wundere ich mich ein bisschen, dass sie ihre Autos auf einmal verteufeln.”

Der SPD-Politiker beklagte:

“Wir haben immer diese merkwürdigen Wellen. Vor zwei Jahren hieß

es: Jobs, Jobs, Jobs! Jetzt heißt es: Klima, Klima, Klima! In Wahrheit

kommt es darauf an, beides zu verbinden: Klimaschutz kann man nur sinnvoll

betreiben, wenn man gleichzeitig die eigene Wettbewerbsfähigkeit sichert.”

Beim Vorhaben der EU-Kommission,

den Kohlendioxidausstoß von Neuwagen auf durchschnittlich 120 Gramm

pro Kilometer zu senken, müsse “berücksichtigt werden, dass die

Hersteller unterschiedliche Modellpaletten haben”, forderte Verheugen.

“Was wir vorschlagen, bringt uns in punkto Umweltfreundlichkeit von Autos

für lange Zeit an die Weltspitze, denn wir wollen Autos exportieren

und nicht Arbeitsplätze. Ich warne deshalb vor einer Politik, die

die Produktion größerer Autos aus der EU vertreibt.”

Tempolimit 130 auf Autobahnen

Bundesumweltminister Sigmar

Gabriel (SPD) hat sich für ein Tempolimit auf Autobahnen ausgesprochen.

“Ich habe nichts gegen ein Tempolimit”, sagte er der “Welt am Sonntag”

und begründete dies nicht etwa mit dem Kampf gegen CO2, sondern mit

der notwendigen Rettung von Menschenleben. Ein Tempolimit würde dazu

führen, “dass die schweren Verletzungen, Unfälle, Schädelhirntraumata

und Todesfälle deutlich abnehmen. Das ist ein Grund, warum man für

ein Tempolimit sein sollte”, sagte der SPD-Politiker der Zeitung.

Ein Tempolimit aus CO2-Gründen

birgt nach den Worten des Ministers die “ganz große Gefahr, dass

die Republik sich darüber streitet und die Autoindustrie sich still

und heimlich verdrücken kann”. Dies sei nicht sein Weg. Wenn die Automobilindustrie

nicht freiwillig die CO2-Emissionen reduziere, werde es ein Gesetz auf

europäischer Ebene geben.

Gabriel rief die Deutschen

zugleich dazu auf, für ihre Flüge eine freiwillige Abgabe zu

zahlen, mit der Klimaschutzprojekte in Entwicklungsländern unterstützt

werden. “Flüge lassen sich nicht immer vermeiden. Aber jeder kann

etwas dazu beitragen, sie klimafreundlicher zu gestalten, etwa über

eine Kompensation bei ‘Atmosfair'”, sagte Gabriel der “Berliner Zeitung”.

Urlaub in Deutschland, um

Klima zu schützen

Der Minister will die Fluglinien

ferner zum Emissionshandel verpflichten. “Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft

setzt sich dafür ein, den Flugverkehr in den Emissionshandel einzubeziehen”,

zitierte das Blatt den SPD-Politiker.

Die Grünen fordern laut

Fraktionschefin Renate Künast zudem eine europaweite Steuer auf Flugbenzin.

“Fliegen zum Taxipreis geht doch nur, weil die Fluglinien keine Steuer

auf den Treibstoff zahlen, während die umweltfreundliche Bahn dies

tut”, sagte Künast der Zeitung.

Experten riefen Ferienreisende

zum Urlaub im eigenen Land auf. Der Präsident des Umweltbundesamtes,

Andreas Troge, sagte: “Wir sollten für den Klimaschutz auch über

unsere Reisegewohnheiten nachdenken. Wer mit dem Flugzeug nach Südostasien

reise, sollte wissen, dass dabei mehr als sechs Tonnen Kohlendioxid pro

Kopf entstehen.”

“Wer etwas für den Klimaschutz

tun will, sollte Flugreisen vermeiden und in Deutschland Urlaub machen”,

mahnte auch der Tourismus- und Klimaexperte des Potsdam-Instituts für

Klimafolgenforschung, Manfred Stock. Die Flugzeuge gehören nach den

Worten Stocks zu den umweltschädlichsten Verkehrsträgern überhaupt.

 

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