RootZ.Öko – Artikel aus der Umwelt

 
Süddeutsche

online 27.03.07

Klaus Töpfer – “Klimawandel

ist großartig”

Der ehemalige Direktor des

UN-Umweltprogramms sieht in der globalen Erwärmung große Chancen

für den technischen Fortschritt. Auf ein Nein zu längeren Laufzeiten

für Atomkraftwerke will er sich nicht festlegen.

Ein Interview von Thorsten

Denkler, Berlin

sueddeutsche.de: Herr Töpfer,

ich muss mich bei Ihnen bedanken und Sie gleichzeitig schelten.

Klaus Töpfer: Da bin

ich aber neugierig.

sueddeutsche.de: Bedanken

möchte ich mich, weil mir Ihr Projekt Atmosfair einen klimaneutralen

Flug nach München beschert hat. Für 300 Kilo CO2 habe ich acht

Euro bezahlt. Für das Geld wird jetzt der Regenwald aufgeforstet oder

werden Solarküchen in Indien gebaut.

Töpfer: Da sehen Sie

mal. Sehr sinnvolle Projekte.

sueddeutsche.de: Und schelten

muss ich Sie dafür, dass ich mir seitdem anhören muss, ich hätte

modernen Ablasshandel betrieben.

Töpfer: So ist das:

Wenn du nichts machst, ärgern sich die Leute und kritisieren das.

Machst du etwas, finden sie irgendetwas, was sie daran auszusetzen haben.

Ein Projekt wie Atmosfair löst sicher nicht das Klimaproblem. Aber

es ist wichtig, um ein Bewusstsein für den Klimawandel zu schaffen,

und dass jeder etwas tun kann.

Es macht deutlich, dass der

Klimawandel ein globales Problem ist. Das Geld kann helfen, den Menschen

in Entwicklungsländern ein wirtschaftliches Wachstum ohne Klimabelastung

zu ermöglichen. Das ist kein Ablass, sondern vernünftig.

sueddeutsche.de: Atmosfair

gehört zu den Projekten, die helfen sollen, das Verbraucherverhalten

zu ändern. Manche stellen sich die Frage: Bin jetzt ich – der Verbraucher

– schuld am Klimawandel?

Töpfer: Es kann nicht

um Schuldzuweisungen gehen. Aber jeder ist mitverantwortlich, gegen den

Klimawandel zu handeln.

Deswegen sollten wir alles

daran setzen, jeden mitzunehmen, zu informieren und zu motivieren. Wir

müssen transparent machen, wo bestimmte Produkte und Verhaltensweisen

das Klima schädigen können.

sueddeutsche.de: Was ist

mit der Industrie?

Töpfer: Immer wieder

hört man aus der Wirtschaft, sie könne nicht an den Wünschen

der Verbraucher vorbei produzieren.

sueddeutsche.de: Das nehmen

Sie ihr doch nicht ab!?

Töpfer: Den angeblichen

Kundenwunsch vorzuschieben ist, vorsichtig gesagt, eine durch die Realität

nicht gedeckte Tatsache. Es gibt eine Bewusstseinsindustrie, die die Wünsche

der Menschen steuert, die Bedürfnisse weckt. Der Kunde König

bestimmt schon lange nicht mehr, was produziert wird.

sueddeutsche.de: Ist der

Verbraucher dann nicht nur Mittel zum Zweck, um die Industrie zu mehr Klimaschutz

zu bewegen?

Töpfer: Die Industrie

wird ein hohes Eigeninteresse haben, Produkte herzustellen, die das Klima

nicht belasten. Die Energiekosten werden weiter steigen. Da brauchen wir

Produkte, die mit weniger Energie auskommen. Nur die werden sich an den

Märkten halten können.

sueddeutsche.de: Geht das

ohne staatliche Regeln?

Töpfer: Selbstverständlich

nicht. Es hat sich doch kein Markt für CO2-Abgase bilden können,

weil die Wirtschaft dies so gerne wollte.

Ich bin auch sehr für

freiwillige Selbstverpflichtungen. Aber die Autoindustrie hat sich 1998

verpflichtet, freiwillig den CO2-Ausstoß ihrer Flotte auf 140 Gramm

pro Kilomter zu senken. Diese Selbstverpflichtung ist nicht eingehalten

worden.

Dann müssen solche Ziele

eben staatlich vorgegeben werden. Bei den Autos hat das jetzt die Europäische

Union gemacht. 

 

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