RootZ.Öko – Artikel aus der Umwelt

 
Tagesschau

online 01.04.07

Der Rausch des gelben

Goldes

Kraftstoff aus Mais als

Antwort auf die Energiekrise

In Iowa boomt die Produktion

von Bio-Kraftstoff. Mehr als 20 Raffinerien produzieren hier Ethanol aus

Mais, weitere sind in der Planung. Schon in wenigen Jahren soll Ethanol

zwölf Prozent der amerikanischen Kraftstoffproduktion ausmachen. Maisbauern

sehen sich als Retter aus dem Energieengpass.

Von Jens Borchers, HR-Hörfunkkorrespondent

Washington

Maisfelder. Meilenweit nichts

als Maisfelder. Ein scharfer Wind fährt durch die Pflanzen in Iowa.

Rechteckige Felder, soweit das Auge reicht, pfeilgerade Straßen und

silberglänzende Metall-Silos. Dazwischen die einfachen Holz-Häuser

der Farmer.

Ethanol als ländliches

Entwicklungsprogramm

David Nelsons Maisfarm liegt

mitten in Iowa. Ich treffe ihn morgens zwischen Mais-Silos, einer Sammlung

historischer Landmaschinen und seinem mobilen Computer. Ein reservierter,

fast wortkarger 53-jähriger Mann mit Vollbart. Auf seiner Baseballkappe

steht: Ethanol. Es ist der Stoff, der Furore macht in Iowa. Meine Frage,

ob es einen Ethanol-Boom im Mittleren Westen gibt, bejaht er: “Ethanol

und Biodiesel waren so eine Art ländliches Entwicklungsprogramm für

den Mittleren Westen. Bisher haben wir gesehen, wie unsere Kinder hier

aufwuchsen und an die Ost- oder die Westküste gingen, um Arbeit zu

finden. Jetzt kehren sie langsam zurück, weil Industrie herkommt.

Die niedrige Arbeitslosenquote zeigt es: Wir brauchen Arbeitskräfte

in den Ethanol-Werken. Die Management-Jobs dort werden gut bezahlt und

wir brauchen Techniker, Chemiker, Laboranten und Computerspezialisten.”

Ölpreisschock zwang

zur Suche nach Alternativen

David Nelson erkannte früh,

dass im Mais und seiner Weiterverarbeitung zu Ethanol ein Riesen-Geschäft

steckt. David sagt, eigentlich habe es mit Präsident Jimmy Carter

und dem ersten Ölpreisschock angefangen. Damals suchte man nach Alternativen

und kam auf Ethanol: “Wir haben 20 Jahre und eine Menge politischen Mut

gebraucht, um es in den Kraftstoffkreislauf hineinzubringen. Die Öl-Firmen

hatten kein Interesse an einem Konkurrenzprodukt. Aber dann fanden sie

heraus, dass ihr Benzin mit Hilfe von Ethanol sauberer verbrennt.”

Schärfere Umweltstandards

machten Ethanol interessant. Der Bio-Kraftstoff wird mittlerweile Auto-Benzin

beigemischt. Und der steigende Ölpreis half auch. David Nelson überzeugte

seine 1300 Mitglieder starke Farmer-Kooperative, in ein Ethanol-Werk zu

investieren. Das war vor sechs Jahren. Jetzt planen sie das zweite Werk,

wollen 190 Millionen Dollar investieren – Farmer David ist mittlerweile

Unternehmer: “Es ist ganz schön groß geworden. Momentan produzieren

wir knapp 600 Millionen Liter pro Jahr. Wenn alles glatt läuft, dann

werden wir die Produktion in den nächsten zwei Jahren verfünffachen.”

Expansionspläne in Richtung

Südostasien

Wir fahren zu einer Geschäftsbesprechung

mit anderen Farmern, die ihre Ersparnisse ebenfalls ins Ethanol-Werk gesteckt

haben. David referiert – ich staune. Diese Farmer drehen ein ganz großes

Rad. Global Ethanol, eine australische Firma, ist mit 100 Millionen Dollar

in ihre Firma eingestiegen. Der Konzern und die Farmer planen weitere Ethanol-Werke.

Nicht nur in den USA. David Nelson zählt auf: Australien, Indonesien,

Argentinien und eventuell in Südafrika: “Wir bauen alle diese Kapazitäten

aus einem Grund auf: Wir wollen die Nummer eins oder zwei der Ethanol-Produktion

in der Welt sein. Diese neuen Werke werden Südostasien beliefern.

Wenn wir den Markt in den USA abgedeckt haben, dann können wir exportieren.”

David Nelson, der kleine Farmer aus Iowa, steckt mitten im globalen Energiegeschäft

der Zukunft.

Investoren reißen sich

um Anteile an den Raffinerien

22 Ethanol-Raffinerien produzieren

bereits in Iowa. Sieben weitere sind im Bau und 20 neue Anlagen in der

Planung. Die Investoren reißen sich um Anteile an den Raffinerien.

Ein Rausch des gelben Goldes: Die Maisbauern in Iowa fühlen sich als

Retter aus dem Energieengpass, sagt der Farmer Tom Stricker: “Ich sehe

es so, dass ich als Geschäftsmann in etwas investiert habe, das hilft

ein Problem zu lösen. Wir haben eine Energiekrise. Wir können

uns nicht weiterhin auf Energieimporte aus anderen Ländern verlassen.

Was hier passiert, ist vielleicht ein kleiner Beitrag, um den Anteil lokal

hergestellter Energie zu erhöhen.”

Bisher macht Ethanol in den

USA nur drei bis vier Prozent der Kraftstoffproduktion aus. Im Kongress

wurde ein Gesetz verabschiedet: In sechs Jahren sollen es zwölf Prozent

sein. Und gut gelaunte Farmer in Iowa sagen: “Wir werden die Araber des

Mitteleren Westens sein”. Kein gelungener Vergleich, meint Farmer und Unternehmer

David Nelson und lacht: “Ich hoffe, wir sind nicht die Araber, ich hoffe,

wir sind nett. Wir können der Welt wirklich mit Kraftstoff aushelfen.

Es ist eine erneuerbare Energie. Wir tun nichts anderes, als den Sonnenschein

in den Pflanzen zu sammeln. Und im Jahr darauf gibt’s eine neue Ernte.”

Biotechnologie soll Ernte-Erträge

steigern

“Ich weiß, ihr in Europa

mögt das nicht”, sagt David, “aber wir profitieren hier enorm durch

die Biotechnologie.” Die Farmer arbeiten mit genverändertem Mais.

Und sie sagen, dass ihre Ernte-Erträge dadurch pro Jahr um etwa vier

Prozent steigen. Auf dem Rückweg zu Davids Farm sehe ich mit anderen

Augen auf die endlosen Maisfelder. Und auf den kleinen Mann auf dem Beifahrersitz,

der gerade zum dritten Mal auf dieser Fahrt einem Anrufer auf seinem Mobiltelefon

erklärt, warum er in das neue Ethanol-Werk in Belmond (Iowa) investieren

soll.

 

Mail  
Scroll to Top