RootZ.Öko – Artikel aus der Umwelt

 
Spiegel

online 08.03.07

PRIVILEGIEN DER MACHT

Klimaschutz gilt nicht für

Politiker-Flüge

Von Franziska Badenschier

Weltmeister im Klimaschutz

will die Europäische Union werden. Deswegen soll auch der internationale

Flugverkehr in den Handel mit Verschmutzungsrechten einsteigen, so ein

EU-Vorschlag. Allerdings: Flüge von Staats- und Regierungschefs der

EU bleiben verschont.

Flugzeuge sind Klima-Schufte.

3,5 Prozent des menschlichen Einflusses auf den Klimawandel gehen inzwischen

auf das Konto des weltweiten Luftverkehrs. Kohlendioxid aus Flugzeugen

ist bis zu fünf Mal so klimaschädlich wie das aus Autos, weil

es direkt in den oberen Schichten der Atmosphäre freigesetzt wird.

Von 1990 bis 2004 ist der CO2-Ausstoß von Flügen innerhalb der

EU sowie von ein- und ausgehenden Flügen um 87 Prozent gestiegen.

Dennoch ist der internationale

Luftverkehr nicht Teil des Kyoto-Protokolls: Flieger über Ländergrenzen

hinweg können unbegrenzt Kohlendioxid ausstoßen – während

Inlandsflüge entsprechend der Kyoto-Vorgaben für das jeweilige

Land ihren Teil dazu beitragen müssen, den Ausstoß von Treibhausgasen

zu reduzieren.

Dass es so nicht weitergehen

kann, ist auch der Europäischen Union klar, die Weltmeister im Klimaschutz

werden will. Also soll die Luftfahrt in den Emissionshandel aufgenommen

werden. Doch wirklich vorbildlich scheint der Entwurf, den die Europäische

Kommission am 22. Dezember 2006 vorgelegt hat, nicht zu sein.

Flüge in offizieller

Mission von regierenden Monarchen, Staats- und Regierungschefs sowie den

Ministern der EU-Mitglieder sollen nämlich nicht in den Emissionshandel

einbezogen werden. Fliegt Angela Merkel – Bundeskanzlerin, EU-Ratspräsidentin

und oberste Klimaschützerin der Nation, also zum nächsten EU-Umweltgipfel

auf Kosten des Klimas, während Urlauber und Geschäftsreisende

für Flugtickets draufzahlen müssen?

“Egal, ob Abgas aus Billigflieger

oder Monarchenjet kommt”

“Für das Klima und den

Umweltschutz ist es egal, ob das Abgas aus einem Billigflieger oder einem

Monarchenjet stammt”, sagt Claus-Peter Hutter, Präsident der Stiftung

Europäisches Naturerbe. Und der EU-politische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion,

Rainder Steenblock, ergänzt: “Emissionen von Regierungsmaschinen sind

genauso klimaschädlich wie andere Flugzeuge.” Deswegen sei die Ausnahmeregelung

“absurd” und “fatal”. Es sei “generell richtig”, den Luftverkehr in den

Emissionshandel einzubeziehen – auch wenn in diesem Fall der Steuerzahler

letztlich der Leidtragende sei.

Der Handel soll so funktionieren:

Jedem Flugzeugbetreiber in der Europäischen Union wird eine bestimmte

Anzahl an Emissionsrechten zugeteilt. Für jedes einzelne dieser Zertifikate

darf pro Jahr der Handelsperiode eine Tonne Kohlendioxid ausgestoßen

werden. Somit hat jeder ein bestimmtes Limit für Luftfahrt-Emissionen.

Wer weniger CO2 emittiert, kann die restlichen Zertifikate an einer Art

Börse versteigern; wer mehr ausstößt, muss Verschmutzungsrechte

zukaufen.

Auch aus anderen Sektoren

können die Flugzeugbetreiber Zertifikate kaufen. Die Erlöse sollen

die Kosten decken, die der Handel mit sich bringt, und in den Klimaschutz

investiert werden – zur Eindämmung von Treibhausgasen, zur Anpassung

an die Klimaauswirkungen, zur Finanzierung von Forschung und Entwicklung.

Dieses System soll ab 2011 für alle Flüge zwischen zwei EU-Flughäfen

gelten, ab 2012 dann auch für Flüge zwischen EU- und Nicht-EU-Staaten.

Der Richtlinienentwurf nennt

keinen Preis für die Zertifikate. Also lässt sich zunächst

nicht sagen, um wie viel sich Flugtickets verteuern würden. Unklar

ist auch, wie sehr sich der Emissionshandel für die Umwelt auszahlt.

Üblicherweise kosten

die Zertifikate 15 Euro je Tonne Kohlendioxid, das entspricht 3,8 Cent

je Liter Kerosin. Sollten die Flugzeugbetreiber diesen Aufschlag zahlen,

würden die Flieger-Emissionen um etwa drei Prozent sinken, so die

Kalkulation der European Federation for Transport and Environment. Weil

der Sektor aber von Jahr zu Jahr mehr Treibhausgase ausstößt,

würde die Atmosphäre in der Summe nicht unbedingt weniger verschmutzt

als bisher – der Gesamtausstoß von CO2, Methan und Co. werde sich

auf dem Niveau von 90 Prozent über Stand von 1990 einpendeln. “Im

Augenblick ist einfach keine große Minderung erreichbar”, so Grünen-Politiker

Steenblock.

EU-Politiker verschonen oder

nicht? Abwarten!

Etwa 17.000 Tonnen Kohlendioxid

könnte allein die deutsche Bundesregierung allerdings pro Jahr einsparen,

wenn Beamte nicht ständig zwischen den beiden Regierungssitzen Bonn

und Berlin hin- und herflögen. Mit sämtlichen Dienstreisen per

Flieger oder Auto belasten deutsche Politiker und Spitzenbeamte die Atmosphäre

mit insgesamt rund 100.000 Tonnen CO2 im Jahr, berichtete der “Stern” vor

einem Monat.

Kurz darauf beschloss das

Bundeskabinett “klimaneutrale Dienstreisen”: Klimaschädliche Reisen

sollen mit Zahlungen an Umweltinitiativen, etwa für Solarprojekte

in Indien, ausgeglichen werden. Bereits heute würden unnötige

Dienstreisen vermieden und etwa durch Videokonferenzen ersetzt, sagte Bundesumweltminister

Sigmar Gabriel (SPD).

Doch Monarchen, Staats- und

Regierungschefs sowie EU-Minister werden für offizielle Anlässe

kaum auf moderne Telekommunikation oder die Bahn umsteigen. Ob der EU-Rat

die von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Ausnahmeregelung

für Polit-Touren annimmt, ist nicht abzusehen. Noch in diesem Halbjahr

solle der Vorschlag im EU-Umweltministerrat vorgelegt werden, sagt Michael

Schroeren vom Bundesumweltministerium zu SPIEGEL ONLINE. “Über die

Ausgestaltung wird dann noch zu beraten sein.”

 

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