RootZ.Öko – Artikel aus der Umwelt

 
Spiegel

online 23.04.07

KLIMAFOLGEN

China fürchtet dramatischen

Rückgang der Reisproduktion

Das Powerhouse der Weltwirtschaft

reagiert auf den Klimawandel. Chinas Regierung hat eine eigene Studie zu

den Folgen des Treibhauseffekts vorgelegt. Ein Ergebnis: Die Reisproduktion

könnte drastisch sinken. Dennoch will Peking lieber die Wirtschaft

fördern als die CO2-Emissionen senken.

Peking – Es geht um viele

Säcke Reis, sehr viele. “Wenn wir nicht handeln, wird der Klimawandel

Chinas langfristige Kornsicherheit in der zweiten Jahrhunderthälfte

ernsthaft beeinträchtigen”, warnen chinesische Forscher und Beamte.

Wie viele Säcke Reis und Getreide wegfallen könnten, beziffern

sie überraschend präzise: bis zu 37 Prozent der gegenwärtigen

Produktion des Riesenlandes.

Dennoch will China in der

ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts seine wirtschaftliche Entwicklung

forcieren – denn Obergrenzen für den Kohlendioxid-Ausstoß seien

unfair und könnten für Probleme sorgen, argumentiert die Regierung

in Peking. Das Land verfüge noch nicht über die Technologie,

um seine Treibhausgas-Emissionen maßgeblich zu verringern. Direkte

Konsequenzen jeder Reduktion wären “Beschränkungen im Energiesektor

und der Industrie”. Beobachter glauben: Die Machthaber scheuen sich, veraltete

Industrieanlagen zu schließen und Millionen in die Arbeitslosigkeit

zu schicken. Noch überdeckt der Glaube an den Wirtschaftsboom viele

Widersprüche in dem Riesenland.

Mit dem “National Climate

Change Assessment Report” reagiert die chinesische Führung auf den

jüngsten Teilreport des Weltklimarats. Die Arbeitsgruppe II des Intergovernmental

Panel on Climate Change (IPCC) hatte darin die wahrscheinlichen Folgen

der globalen Erwärmung für die einzelnen Weltregionen zusammengefasst.

Kein Zweifel an gefährlichen

Klimafolgen

In der Einschätzung

der Folgen des Klimawandels liegen die Autoren der chinesischen Studie

– darunter mehr als ein Dutzend Regierungsstellen wie dem Forschungs- und

Außenministerium, der staatlichen Entwicklungskommission und der

Umweltschutzbehörde – ganz auf IPCC-Linie. “Bis 2020 wird die Durchschnittstemperatur

in China 1,1 bis 2,1 Grad Celsius steigen und zu schlimmeren Dürren

in Nordchina und Extremwetter führen”, zitiert die Nachrichtenagentur

AP aus der Studie. Zudem warnt der Report vor der Ausbreitung der Wüsten

und schrumpfenden Gletschern im Westen des Landes, der Verbreitung von

Krankheiten und einer stärkeren Gefährdung durch Überschwemmungen

an der Küste.

Auch Gegenmaßnahmen

schlagen die Autoren vor: Die landwirtschaftliche Infrastruktur müsse

verbessert, die Wasseraufbereitung ausgebaut und Umweltschutzmaßnahmen

verstärkt werden. Dazu zählen die Wiederaufforstung sowie verbesserte

Messnetze und Prognose-Systeme.

Klimadiplomatie für

die Post-Kyoto-Zeit

Der zwiegespaltene Tenor

– Maßnahmen ja, Reduktionsverpflichtungen nein – und auch die Details

der Studie können als offizielle Position der Pekinger Regierung verstanden

werden. Das Papier stellt damit auch eine politische Stellungnahme in der

Debatte über eine Nachfolgeregelung für die Zeit nach dem Auslaufen

des Kyoto-Protokolls dar. Bei einem Auslandsbesuch in Japan hatte der chinesische

Regierungschef Wen Jiabao mit seinem japanischen Amtskollegen eine Erklärung

unterzeichnet, die eine Nachfolgeregelung für das Jahr 2013 fordert.

Bis dahin wird China die

USA als größter Emittent von Treibhausgasen längst überholt

haben. Der größte Produzent und Verbraucher von Kohle ist das

Land bereits heute.

Vor kurzem hat Australien

– selbst von einer schlimmen Dürre getroffen und wegen seiner kohlefreundlichen

Politik von Klimaschützern kritisiert – China Hilfe bei der Entwicklung

sauberer Kohletechnologien zugesichert. Norwegen, das bis 2050 als erstes

Land CO2-neutral sein will, arbeitet mit der Pekinger Regierung an Programmen,

um die Klimafolgen in ländlichen Gegenden abzufedern. In Tibet hatten

chinesische Forscher unlängst mit künstlichem Schneefall experimentiert

– um die Gletscherneubildung zu unterstützen.

 

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